Samstag, 21. Juli 2012

Alles nur eine Frage der Zeit - Kritik: "Timecrimes"

O: Los Cronocrímenes, ESP 2007 R: Nacho Vigalondo mit Karra Elejalde, Nacho Vigalondo, Candela Fernández, Bárbara Goenaga

Héctor (Karra Elejalde) hat gerade erst mit seiner Frau ein idyllisches Haus auf spanischem Land bezogen, schon ereignet sich Merkwürdiges. Fernab seines Grundstücks beobachtet er mit seinem Fernglas eine Frau, die halbnackt im nahe gelegenen Wald steht und kurz darauf spurlos verschwindet. Als Héctors Frau in die Stadt fährt, um ausgehende Lebensmittel einzukaufen, beschließt er nach dem Mädchen im Wald zu suchen; bei ihrem Fund entdeckt er Grausames. Bruchteile von Sekunden später wird Héctor selbst von einem Mann attackiert, dessen Gesicht von blutroten Bandagen bedeckt ist. Bei der verhängnisvollen Flucht vor dem Unbekannten stößt er mitten im Dickicht auf ein umzäuntes, forschungsähnliches, vermutlich leerstehendes Gebäude, in das er einbricht und im dortigen Kellergeschoss ein Funkgerät vorfindet. Und an dessen Leitung meldet sich tatsächlich eine Stimme. Die bietet ihm nicht nur eine Fluchtmöglichkeit, sondern auch einen sicheren Unterschlupf vor dem Verfolger an; doch als er dem Helfer in die geglaubte Sicherheit folgt, wird ihm aufs Härteste bewusst, dass all das Geschehene mit dem Jetzigen in verstrickter Verbindung steht…

Timecrimes entwickelt sich nach und nach zu einem immer auswegloseren Film, in dem  der Protagonist kaum mehr eine gewinnbringende Alternative besitzt, auch wenn sie sich ihm augenscheinlich bietet. Dass der Time-Travel Plot, mit welchem man hier konfrontiert wird, nicht der Neueste ist und man ohnehin schon auf alle erdenkliche Arten durchs Zeitreisebeet katapultiert worden ist, schwächt diese spanische Low-Budget Produktion nur im geringen Maße. Natürlich ist Nacho Vigalondos Timecrimes keine Innovationskraft in seiner Geschichte oder dem Erzählrhythmus, aber er gibt sich ungemein geschickt wieder, indem er sein facettenreiches Bild nicht von Beginn an offenbart, sondern so gekonnt enthüllt, dass er trotz teilweise anwesender Berechenbarkeit den Rätseleffekt des Zuschauers aufrecht erhält.  

Dass es dabei kaum mehr als drei, vier Locations gibt und sich die Darsteller auf Karra Elejalde, Candela Fernández, Bárbara Goenaga und den Regisseuren selbst beschränken, ist für die Effizienz des Suspense-Kinos ausgesprochen förderlich; die Hilflosigkeit Héctors und die um ihn drückende atmosphärische Anspannung bekommen dadurch einen viel impulsiveren Reiz. Eben nur durch diese spartanische Aufmachung, die dem geringen Kapital geschuldet ist, wird die Wandlung des anfänglich besonnenen Mannes mit Fernglas zur cholerisch-tickenden Zeitbombe ersichtlich; Héctor handelt wie ein Mensch in solch einer Situation handeln würde: unbeherrscht und unberechenbar. Es ist schon fast eine bittere Abrechnung mit seiner Person, seinem Leben und gezielt mit seinem todsicheren Willen alles wieder so hinzubiegen, dass es passt – von neuem und neuem. Niemals sollte es so sein, aber doch ist es so, wie es ist. Folglich behandelt Timecrimes im Kern eine tief menschliche Tragödie, die durch die futuristische Züge nicht abgeschrieben werden sollte. Bestimmen lässt er sich durch diese Dramatik jedoch nicht. Seine Vielfältigkeit - zynisch, spannend, erschütternd - ist dem Ehrgeiz geschuldet, dem sich Vigalondo verschrieb. Und von dem macht er insbesondere am Ende Gebrauch. Statt lautem Feuerwerk oder buntem Konfetti wird der Stress hinter sich gelassen, der Liegestuhl aufgeklappt, sich hingesetzt und die Reinheit mit sich und der Welt erneut begründet. Irgendwie schräg, geheimnisvoll und merkwürdig in sich verschlossen, aber so gesehen großartig anders. 


7 / 10

Autor: Iso


Kleiner Tipp am Rande für all die, die es in den Fingern juckt: Timecrimes ist gerade günstig in der seit heute erschienen Zeitschrift "TV-Movie" zu erwerben.

1 Kommentar:

  1. Der Film Timecrimes ist schon aus dem Jahr 2007 und hat es erst jetzt bei uns in Deutschland mit deutscher Synchronisierung auf DVD und Blu-Ray geschafft. Auf dem Cover steht “Einer der besten Zeitreisefilme aller Zeiten” – auf den Covern steht immer viel, dass weiß wohl auch jeder nicht Film-Fan, aber hier trifft es meiner Meinung nach wirklich mal zu. Ich fand den Film unglaublich gut, einer der besten Filme, die ich in der letzten Zeit gesehen habe und das sage ich nicht einfach nur so.

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