Samstag, 18. Februar 2012

Große Kinomomente: "There Will Be Blood"


Es wäre ein abwegiger Versuch, ganz gleich wie groß das Wagnis in seiner Ausführung und Wortwahl wäre, würde man annehmen, es sei möglich, einen solchen Film ordnungsgemäß zu rezensieren. Was bei anderen Werken von Paul Thomas Anderson schwierig war, steigert sich hier beinahe ins unermesslich Beschreibbare. 

„There Will Be Blood“ schildert von gieriger Besessenheit und einer dogmatischen Ausweitung des gewissenlos-zürnenden Rechthabens. Es ist eine Erzählung über das Lebensbild des bedingungslosen Menschenhassers Daniel Plainview (Daniel Day-Lewis), eines sich selbst als Herrscher empfindenden Menschen, der sich über das Gute und Böse bestimmen sieht und sein eigenes Bestehen über die letzten Bruchstücke seines Familienbestandes triumphieren lässt. Regisseur und Drehbuchtautor P. T. Anderson beschreibt in seinem fünften Spielfilm das Vermächtnis eines einzelnen Mannes, welcher von den dunkelsten Trieben des in ihm und in uns alles Befindlichen beherrscht wird, ohne Plainview auch nur geringste Zweifel an seiner leitenden Fügung zu geben, ihn stattdessen in die eigene Seelendestruktion treiben zu lassen.


Die charakteristisch-krankhaften Züge, welche „There Will Be Blood“ in seiner sich über zwei Stunden hinziehenden Analyse eines von sich überzeugten, dennoch zum Scheitern verurteilten Individuums geltend wahrnehmbar macht, sind für die Verhältnisse üblicher Sehgewohnheiten eine verstörend-schwergewichtige Erfahrung, geschehen die Umschwünge des uns als anfänglich aufopferungsvoll vorgestellten Vaters, der scheinbar zum großen Teil den späteren Wohlstand seines Sohnes vorleisten möchte, doch in einer uns kaum erfassungsmöglichen Art und Weise. Daniel verliert sich in den Klauen der Habsucht, die den Zwang des nicht tolerierbaren Verlustes hervorrufen. Er schließt mit der Gier und seines um sie fließenden Blutes einen Vertrag, dass nichts unfehlbar sei, er allen beweisen müsse, dass er ein konkurrenzloses und unabhängiges Bestehen seitens aller führe. Mehr und mehr nimmt er sich einer anonymen Person gestörten und gefühlskalten Bildes an, die das düsterste Gemüt des Menschseins vorführt – ein Bild des ungeschönt Extremen. 


Dabei quält uns Anderson mit genau jenem lodernden Geisteszustand. Das gelingt erstaunlich intensiv, da er den innerlichen Größenwahn des Daniel Plainview mit kargen, sich meilenweit erstreckende Kulissen sowie mit einem ungewöhnlich-tyrannisierenden Soundtrack, welcher sich mit seinen drangsalierenden Melodien ins Ohr einnistet, zu einem vernehmbaren Ausdruck bringt. Ein Vorhaben größten Mutes, riskiert Anderson doch, auf große Publikumsstürme zu verzichten, indem er ein Maß an stress- und anspruchsvoller Dynamik in sein Werk integriert. Schlussendlich könnte involviertes Sehen aber nicht besser aussehen und sich auch nicht besser anhören.


„There Will Be Blood“ ist eine Charakterstudie, die Geschichte eines in sich zerbröckelnden, wahnsinnigen Mannes. Es ist kaum in Worte zu fassen, mit welchen schauspielerisch emotionalen Verfassungen sich Daniel Day-Lewis diesem radikalen Auswuchs an ungeschönter Menschlichkeit hingibt, wie er diesen krankhaft auslebt und sich den machtvollen Kammern psychischen Verfalls unterwirft. Umso erstaunlicher ist es, dass die anderen Darsteller dennoch nicht verblassen. Paul Dano als ehrfürchtiger, genauso in sich verlogener Prediger ist beängstigend-brillant und ist für Daniels Denken und Handeln ein gegenspielend-feindliches Insekt, das die kirchliche Expansion und die Verbreitung des (richtigen) Glaubens über alles stellt - ein wichtiger Punkt der Handlung. 


Anderson übt nicht nur Kritik an der ins uns verwurzelten Begehrlichkeit nach Ruhm und Anerkennung, sondern auch an der religiösen Unterwerfung und deren versprochenen „Reinigungen“ des mit uns verwurzelten Bösen. Ein Widerspruch, welcher sich ausweitet, bis er schließlich in blutender Vergeltung endet. 
Die Erklärung des Filmtitels ist dann nicht mehr nötig, eine Bestätigung, dass dies einer der besten und angsteinflößendsten Filme der letzten Jahre ist, auch nicht. „There Will Be Blood“ ist ein brutales, rücksichtsloses Plädoyer an die Ruchlosigkeit der menschlichen Existenz und der schlummernden - hier ausbrechenden - Tobsucht in ihren einzelnen Adern. Bedeutungsvolles, unbarmherzig-gewagtes Kino.


Autor: Iso

1 Kommentar:

  1. Sehr schöner Text. :)

    Aber diese Screenshots gehen eigentlich gar nicht.. da müsste man die DVD oder Blu-ray eigentlich in den PC einlegen und dann in der jeweiligen Stelle Druck S-ABF drücken > Screenshot. D.h., wenn das rechtlich legitim ist... ;)

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