Montag, 20. Februar 2012

Kritik: "Sideways"


Die letzten wärmenden Strahlen der untergehenden Sonne legen sich über die sich bis in weite Ferne erstreckenden Weinfelder – und mitten in dieser stillschweigend-idyllischen Landschaft steht ein roter Saab Cabrio. Diejenigen, die üblicherweise in diesem Auto sitzen, sind bekennende Weinverkoster – zumindest einer. Miles (Paul Giamatti) liebt seinen fruchtigen Pinot Noir, er ist ein Kenner und Genießer, bei ihm ist Wein keine einfache Spirituose – bis zur Verkostung ist es ein langer Weg, der gewisse Zyklen – darunter eine intensive Geruchswahrnehmung – durchlaufen muss. Sein Freund Jack (Thomas Haden Church) ist da anders, er will das Zeug schleunigst trinken, sich berieseln lassen, denn immerhin ist er in gut einer Woche verheiratet. Und bis dahin möchte er mit seinem apathisch-depressiven Kumpel Miles die letzten Tage seiner ‚Freiheit‘ genießen…


Alexander Payne hat sich mit „Sideways“ wohl seiner Liebe zum Wein besonnen, denn nimmt der das innigste Handlungselement ein und ist immer wieder Förderer von Gesprächen wie bildlicher Verdeutlichung. Von der Ernte bis zum ausführlichen Begutachten und genüsslich-verdienten Schmecken; Payne macht die Reifung des Rebensaftes zu einer unermesslichen Komponente seines Films. Er beschreibt unser Dasein anhand der grünen und roten Trauben – skurrile, aber hinreißend-fantasievolle Idee. Und „Sideways“ startet die Urlaubstour Miles‘ und Jacks auch mit einer innig-witzigen Kulturreise ins Herz der spätsommerlichen Abbaugebiete, während die beiden sich in den besten Jahren befindlichen Männer immer wieder durch ihr unterschiedliches Lebensniveau, was sich auch in der Verkostung verschiedenster Weinsorten widerspiegelt, auffallen. Miles ist vielmehr ein Feinschmecker, der sich jedoch erst durch spezifische Prozesse seiner Sache sicher werden muss, bei ihm muss die Harmonie zur Traube stimmen – das komplette Gegenteil bildet da Jack.


Dabei ist es interessant, wie sehr diese elementaren Geschmacks-wahrnehmungen die folgenden geschichtlichen Szenen vorwegnehmen – nämlich jene, in denen die beiden Freunde weibliche Bekanntschaften schließen. Hierbei verzichtet Regisseur Payne aber auf ausgediente Klischees und überlässt den Charakteren ihre ganz eigenen Freiheiten - die reichen vom dickköpfigen Verhalten bis zur Fassung neuen, wichtigen Mutes. Aber vor allem liefert das Drehbuch ganz hervorragend-philosophierende Gedankengänge der beiden männlichen Protagonisten. Es lässt sie fragen, woran man Liebe festmachen kann, wie man spüren kann, das jene Person alles ist, was man je wollte. Was sind bedeutende Lebensprinzipen? Und mit wem bin ich bereit eben diese zu teilen? Obwohl „Sideways“ der (schwarz-)humorigste Film Paynes ist, betrachtet man „About Schmidt“ oder „The Descendants“ ist er fast wolkenlos-sonnig, hat er dennoch seine wehmütigen Momente – insbesondere mit dem Charakter des Miles. Und dieser wird von Paul Giamatti ganz wunderbar warmherzig und schrullig gespielt. Besonders überzeugen kann aber Thomas Haden Church, welcher für die Verkörperung Jacks unter anderem auch eine Oscar-Nominierung erhielt. Zu Recht, denn der spielt den mit sich selbst uneinigen Draufgänger unfassbar authentisch. All das von tollen Kameraeinstellungen eingefangen, die sich passend den Situationen hingeben - hier gibt's mehr als schöne Panoramaufnahmen.


Der filmische Charakterausklang ist wieder Payne-typisch, wenn gleich auch weniger trübselig-nachdenklicher als in seinem bis heute unerreichten „About Schmidt“. Das Werk lässt offen, inwieweit eine Erholung im nachkommenden Alltag möglich ist, gibt einem jeden aber auch die kraftvollen Worte auf den Weg, welche eine Erholung möglich erscheinen lassen. Eine derart gefühlsverbundende Intensivierung wie in anderweitigen Payne-Filmen spürte ich in „Sideways“ jedoch nicht. Das soll aber nicht heißen, dass dieser Film keine Empfehlung verdient, ganz im Gegenteil,  er versprüht seine ganz eigene Lust am Leben – und der des Weines. Und wenn ich ehrlich bin, hätte ich am liebsten selbst ein, zwei, vielleicht auch drei Gläschen mitgetrunken. Nicht nur wegen der vielfältigen Spirituosen, sondern auch aus menschlicher Sympathie gegenüber Miles und Jack. 


7 / 10

Autor: Iso 

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