Mittwoch, 8. Februar 2012

Kritik: "Untraceable"

"You´re fucking sick!" 


Eine teuflische Website mit dem vielversprechendem Namen killwithme.com. Ein geröntgter Totenkopf mit zerschmettertem Kiefer als signifikantes Wiedererkennungslogo. Stampfender Metalsound als undezentes, dafür stimmiges Hinweisschild auf den grausamen Inhalt. Ein unschuldiges (?) Opfer, ein Livestream, Millionen von Zuschauern, die bewusst (?) zu Mittätern werden, ein sich zum Pädagogen aufschwingender Initiator der Quäl- und Tötungszeremonie. Der aktive und folternde Ritusmetzger wird ummodelliert zum kühl kalkulierenden Entführer, Installateur von erforderten Flexibilitätshemmnissen, nüchternem Betrachter und passiven Veranstalter der Session. World Wide Web als zeitgemäßes Forum für Hinrichtungen. Monochromer Look einer Großstadt. So weit, so gut. Leider: Vergeudetes Potenzial. Akute Unlust zum Verwerten gehabt, Mr. Hoblit? Zum Heulen, dass aus frischen Ansätzen nur eine akzentlose Hatz nach einem sadistischen Milchbubi gesponnen wird. Schematischtes, spannungsarmes, ja langweiliges Thrillerkino, das viel zu selten "thrillt".

Auch vor Product Placement scheut man sich nicht.

Die im Kern durchaus löbliche Gesellschaftskritik ("You know if no one was watching right now, you'd just be sitting in water. But the whole world wants to watch you die, and they don't even know you.") schießt sich selbst die volle Ladung Inkonsequenz ins Bein. Flache Figürchen mit ihren Problemchen scheitern an ihrer Unfähigkeit und Lächerlichkeit. Der aufgesetzte "Ich hab schon alles gesehen"-Charakter mit seinen verzweifelten Versuchen, abgebrüht und sarkastisch zu sein, versagt astrein. Diane Lane taumelt lust- und kraftlos als FBI-Agentin von Monitor zu Monitor, hält Vorträge über Trojaner, gespiegelte URL-Adressen etc., hat die üblichen Depressionen und ist als Mutter überfordert. Deshalb überlässt sie ihre nervige Göre der noch nervigern Omi. Der Rest des männerdominanten Schießbudenfigurenauflaufs ist erzunsympathisch. Billy Burke ist völlig unterfordert, Colin Hanks einfach uninteressant, einzig Joseph Cross vermittelt das Gefühl von Spielfreude. Obacht, Zynismus will man auch praktizieren. Needless to say, it doesn´t work. 

Den achso entlarvend und bissig gemeinten Weckruf über den Verfall unserer kranken Scheißwelt, in der alles scheiße ist und alle scheiß Kinder eh nur Pornos gucken, predigt Hoblit mit einer extra großen Brechstange (Beispielzitat: "Wann hat unsere Welt begonnen, so scheiß krank zu werden?"). Das voyeuristische Arschloch in uns wartet nur auf seinen Freilauf, die Anonymität des Netzes katapultiert uns zurück ins finstere Mittelalter und überhaupt, Zivilisation ist doch nur eine Erfindung. Unsubtiler gehts wohl nicht. Aber den Genickbruch führt die eigene Scheinheiligkeit herbei. Nicht nur, dass Hoblit schlechte Versatzstücke nimmt, auf längst überholte Schreckensmomente baut und am Ende nur belanglos bei einem Thema ist, das nicht belangslos sein dürfte. Unverzeihlich ist, dass "Untraceable" auf die Morde zoomt, die Brutalität im Torture Porn-Wahn mit steigendem Genuss auskostet und im gleichen Atemzug auf die dumme Internetgemeinde schimpft, die sich so primitiv an der Grausamkeit aufgeilt. Das ist Heuchlerei. 


3,5 / 10

Autor: seven

1 Kommentar: