Sonntag, 19. Februar 2012

Klassiker der Extraklasse: Geraubte Küsse (1968)




Das Uhrwerk tickt. Es schlägt zwölf. Der Wehrdienst beendet. Nicht fähig, wie es scheint und kaum zu gebrauchen. Doch Fünf ist die Zahl, die zählt. Es ist Zeit für Truffaut zum zweiten Mal. Dieses mal schießt er dennoch auf keine Pianisten (jene sind in heller Vorfreude), sondern schenkt uns geraubte Küsse - welche gefährlich schmecken, köstlich und doch verboten. Das alles im Sinne seines sehr persönlichen Antoine-Doinel-Zyklus, welcher wie man oft vernahm autobiografische Züge seitens Truffaut besitzt. Soweit ich das wahrnehmen kann, Nummer 3.Verführerisch und nicht zu verachten "Geraubte Küsse" von Francois Truffaut aus dem Jahre 1968 und wie oft bei Truffaut (Widmungen, Anspielungen, Ehrungen) gleichzeitig Henri Langlois gewidmet.



Wie erwähnt führt Truffaut seine Doinel-Reihe mit diesen Film konsequent weiter, das stets mit sehr feiner Note und präzise erdacht und doch schwer zusammenzufassen für mich, wie kann man sie umschreiben. Man könnte den Film insofern als Hommage an das Leben oder noch präziser gesagt an die wahre Liebe sehen, verbunden durch das Leben das Doinels, welches Truffaut (nach dem Kurzfilm "Antoine & Colette) weiterführt. Für ihn heißt es erstmal raus aus der Armee. Eh kein Platz für ihn. Und so macht er sich auf die Suche nach einem Job, wer würde das nicht (?) und gelangt über weite Wege (»viele Wege führen nach Rom!«) ans Ziel, bei einem Detektivbüro. Doch gerade als Detektiv verliebt er sich in die Frau, die er eigentlich beschatten soll. Episoden aus dem Leben des Antoine und zudem so irgendwie glaubwürdig ausgearbeitet. Voll das Leben.



Das Alter Ego Truffauts bleibt wie vorher auch gleich besetzt, mit meinem persönlichen Liebling (der Herzen) der Nouvelle Vague und der Held, in gewisser Weise einer bestimmten Zeit, meiner Jugend Jean Pierre Leaud als Antoine Doinel, welcher schüchtern und verträumt, kein Rebell und dabei doch ein Rebell, der nicht den gesellschaftlichen Normen entspricht. Verwirrend? Irgendwie schon. Doinel, ein junger Mann, scheinbar ohne große Überzeugungen, das Leben halt. Und er im Alltag mittendrin. Faszinierend zu beobachten, jene Aspekte (auch erneut nochmal auf Truffaut bezogen). Als Detektiv doch durchaus nicht schlecht, dennoch sollte man es vermeiden ihn Leute beschatten zu lassen. Gesehen und nicht gesehen werden, naja. Leaud glänzt erneut, überzeugt und verzauberte mich erneut mit seinem gewissen Charme, irgendwie muss ich den Jungen irgendwie insofern lieben. Truffaut entdeckte viele Darsteller und Darstellerinnen für den Nouvelle Vague bzw. förderte sie, und verschaffte ihnen Rollen in seinen Filme und so zählt auch Claude Jade zu ihnen, von Truffaut entdeckt und gleich in ihrem Debüt in seinem Film weiß sie zu überzeugen als Doinels alte Jugendliebe Christine. Dazu noch Delphine Seyrig, bezaubernd wie immer als Fabienne Tabard, die Frau, die Doinel eigentlich ausspionieren soll, sich aber letztlich in sie verliebt. Und so nun zwischen der Entscheidung steht, wenn solle man nehmen Christine oder Madame Tabard. Wo die Liebe hinfällt.



Truffaut inszeniert dazu wieder einmal im großen Maße grandios. Für mich doch packend wie auch treffend bzw. faszinierend beschrieben von Truffaut, das Liebes-und das Berufsleben bzw. somit auch die Weiterführung seines Hauptprotagonisten Doinel. Angereichert mit den feinen Elementen eines heiteren Detektivfilms, zwischen Humor, Gefühl und einem melancholischen Lebensgefühl inszeniert, elegant wie auch stets schmackhaft. Zudem sogar von ihm im Kontext sehr glaubwürdig und authentisch gehalten, der Verlauf der Geschichte. Der Alltag, episodenhaft gehalten, aber um ehrlich zu sein: inszenatorisch ein echter Genuss. Charmant und mit viel Liebe zum Detail von Truffaut gehandhabt. Ein Film, dessen Charme ich mich beim besten Willen nicht entziehen konnte. Irgendwie stimmte hier so gut wie alles. Ob Charme, ob der durchaus frech angehauchte Grundton oder auch in Hinsicht der poetischen Ader des Films. Und es wird auch wieder gelesen, wo es nur geht, das Markenzeichen Truffauts (der Büchernarr), auch hier präsent. Von der Kamera wieder einmal in ein bezauberndes wie auch schön gefilmtes Bildergewand gehüllt. Insofern wirklich alles ideal gemacht von der Inszenierung. Das ich den Film in der Hinsicht wirklich nur anhimmeln kann, wie auch Leaud nebenbei an sich.


Weiterhin noch mit wunderbar geschliffenen Dialogen und stets treffenden Sequenzen angereichert, teilweise köstlich verarbeitet, besonders noch auch Mal im Sinne des Ungewissen und des im Grunde genommen völlig absurden, dabei irgendwie urkomischen, Abschluss des Films. Fantastisch! Wie schon erwähnt die Figuren für mich faszinierend und interessant gestaltet, sehr liebevoll, und Antoine musste ich schon immer gleich ins Herz schließen. Auch hier scheut Truffaut letztlich nicht die Hommage, denn der Titel von Truffauts Film ist einem Chanson von Charles Trenet entnommen, welchen Truffaut auch nochmal anfangs einspielen lässt.



Und so bleibt mir abschließend dann nur noch zu sagen, dass "Geraubte Küsse" kurzum wohl ein echter filmischer Genuss ist, ein Film zum verlieben und das im wahrsten Sinne, man schenke ihm so baldauf ein echtes Herz und meine Verehrung, auf Küsse müsste er dennoch verzichten, ich bin wohl zu herzlich, aber Truffauts Werk für mich herausragend und Jean-Pierre Leaud als Doinel eh von brillantem Schauspiel geprägt. Erwähnt werden sollte noch, dass man uns bzw. mir bzw. Antoine zeigt wie man ein Zwieback bestreicht ohne es in irgendeiner Form zu zerbrechen und wenn das nicht allein einen Blick wert ist, dann weiß ich auch nicht...



9.0 / 10

Autor: Hoffman

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