Freitag, 25. November 2011

Kritik: "Man on Fire"

Man(n) kann das Motto "Älter, aber kein bisschen ruhiger" schwerlich demonstrativer umsetzen. Mit 60 Jahren lädt Tony Scott für zweieinhalb Stunden zu einem blutigen und schießfreudigen MTV-Konzert ein, das technisch auffährt, was das Medium erlaubt: Fiebrige Schnitte im Sekundentakt, grelle Farbgebung und Ausleuchtung, Wiederholung von vermeintlichen Schlüsselszenen aus diversen Winkeln, Zeitlupe hier, Zeitraffer da, chronische Musikuntermalung eines vor Hitze flirrenden Lateinamerikas.

Mexiko ist ein raues Pflaster, Entführungen von Kindern aus reichem Elternhaus sind an der Tagesordnung. Ohren und Finger werden abgeschnitten oder gleich weggeschossen, eine Bombe in ein schwitziges Rektum deponiert, selbstverliebte Juristen finden den verfrühten Tod durch ein Samuraischwert und treiben im eigenen Pool bzw. Blut. Zimperlich geht anders. Denzel Washington lässt die abgebrühte Veteranen- und Badboy-Nummer raus und räumt auf, macht, was er nach eigener Aussage am besten kann. 
Mithilfe seines alten Kumpel Rayborn (Christopher Walken) wird der abgehalfterte Creasy (Washington) als Bodyguard für die kleine Pita (Dakota Fanning) rekrutiert, deren Entführung er jedoch nicht verhindern kann. Die Wandlung Creasys vom bärbeißigen (Ex)Killer zum väterlichen Beschützer des kleinen Mädchens ist so vorhersehbar wie sein wütender Einmann-Feldzug danach. Die sich durchziehende Religionsymbolik zwängt sich mit schon unverschämter Penetranz in den Vordergrund und Creasys Alkoholproblem ist eine recht billige Notlösung für Charaktertiefe, welche durch Darsteller und Optik kompensiert wird.

Nicht zu leugnen ist, dass der Cast bestechend gut arbeitet und auch klischeehaftes Machogegurke dank cooler Zynismuseinlagen, mitleidloser Härte und adrenalingeschwängerter Tempo-180-Inszenierung zum Event wird. Immer wieder erstaunlich, Dakota Fanning in ihren Kinderrollen zu sehen, das Mädchen hat es drauf. Das Zusammenspiel zwischen ihr und Washington ist unterhaltsam, gefühlsecht und bildet das Herz der relativ actionarmen ersten Stunde. Denzel gefällt auch auf sich allein gestellt, wenn er im Amokmodus seine Lebens- und Arbeitsphilosophie in ruppige Zitate presst oder explosive Taten (mittels Fernzünder oder Raketenwerfer) sprechen lässt. Christopher Walken hätte man gerne öfter gesehen, ist aber sicher keine Fehlbesetzung, bekommt einige der besten Zeilen in den Mund gelegt und verwertet sie. Mickey Rourke als Familienanwalt ist ganz witzig, de facto aber nicht von großer Bedeutung. 
Creasy foltert sich also durch den hochrangigen Polizeistab, benutzt eine engagierte Reporterin als Informationsquelle, um an den Drahtzieher "Die Stimme" zu kommen. Moralisch freilich fragwürdig wie sämtliche Selbstjustizreißer und gerade die "große Wendung" führt das vorangegangene Blutbad ad absurdum. 

ACHTUNG SPOILER Nachdem die meisten Beteiligten ausgelöscht wurden, erfährt Creasy, dass Pita noch am Leben ist. In diesem Moment fällt die letzte Legitimationsstütze, denn mit diesem neuen Sachverhalt ließe sich das Morden nicht einmal durch die arg klapprige Notausrede "Auge um Auge, Zahn um Zahn" rechtfertigen. Dem Gerechtigkeitsdrang bröckelt sein löchriges Fundament weg, beim Austausch am Ende scheint Pita tatsächlich nicht einmal verletzt zu sein. Sicher, zumindest hat Creasy einer verzweifelten Mutter ihr Kind zurückgebracht. Sicher, Kidnapping ist ein schweres Vergehen und dass als Angehöriger hier sämtliche Hemmungen fallen, ist verständlich. Und sicher ist auch, dass dieser Fall eine glückliche Ausnahme ist, dass die von Creasy gelynchten Verbrecher unzählige Familien in die Katastrophe katapultiert haben. Von daher ist dieser Gerechtigkeitssinn schon nachvollziehbar. Bloß, ginge man nach dem auf friedvoll getrimmten Ende einen einzigen Schritt weiter und fragte sich: Wie wird das Leben für Pita weiterverlaufen, dann wirds schon wieder heikel. Die Mutter müsste ihrer traumatisierten Tochter erklären, dass sich ihr Vater selbst gerichtet hat. Warum? Weil er sich für den Tod seiner Tochter verantwortlich gemacht hat. Ähm, warte mal, ich lebe doch! Bingo. Zumal der (halb erzwungene) Suizid durch die "magische" Kugel bei ihm funktionierte, bei Creasy aber nicht. Tony Scott will uns also weismachen, dass sich der Vater erschießen konnte, weil er es verdiente? Okay? Das ist sowas wie ein Altes Testament-Update getarnt im Gewand eines überlangen Musikvideos. SPOILER ENDE 

Aber vermutlich muss man diesen Prozess des "Gesetz in die Hand Nehmens" und all seine Konsequenzen schlicht akzeptieren. Dann kann man durchaus von magischen Kinomomenten sprechen, wenn Washington und Walken Shoppen gehen (ergo sich mit großkalibrigen Handfeuerwaffen eindecken) und Trent Reznor dazu "The Mark Has Been Made" zupft. 
Formal perfektes, geradliniges und äußerst kompromissloses Rachedrama, veredelt mit einwandfreiem Schauspiel und aufgepumpt mit Style und zwiespältiger Message, die einen mit gemischten Gefühlen zurücklässt. Kontrovers vielleicht, zumindest einmal gesehen haben sollte man ihn definitiv. 


6,5 / 10 

Autor: seven

1 Kommentar:

  1. Ich fand den Film genial. Hier hat alles gestimmt: Stimmung, Stil und das Ende. Auch super: Christopher Walken!

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