Einmal mehr (als Beispiel nach »Zazie«) widmet sich Louis Malle dem berühmten Thema der Kindheit, dem Coming-of-Age-Film, dem Erwachsenwerden und der Orientierung von Jugendlichen, in diesem Fall der sexuellen Orientierungen und den ersten Erfahrungen mit der Sexualität. Wieder in geht es in vergangene Zeiten: 1954, während des Indochinakrieges und mit den Dialogen von Malles Assistent Volker Schlöndorff. Dabei liegt für Malle besonders im Fokus das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn, von Clara und Laurent. Eine Mutter, die zwar die Position als Mutter innehat, aber in ihrer Rolle wenig autoritär ist, selbst noch sehr kindlich veranlagt wirkt. Sie scheint auf ihre Kinder mehr als eine Freundin zu wirken denn als Elternteil, eine fröhliche und wilde Frau. Ihr Lieblingssohn, das ist ihr Laurent, ihr »Wunderkind« und ihr »Genie«, dass sie mit größtmöglicher Liebe umpflegen will, wie einen Säugling. Vielleicht aus der Angst heraus, dass sie nun selbst altert und versucht sich dieser Gewissheit nun entgegenzustellen.
Auf der anderen Seite ein pubertierender Junge, der langsam gegen das herrschende Elternreglement rebelliert, so wie es ja öfters bei Malle der Fall ist, denn nun will er von seinen Eltern und dem Kindermädchen als gleichberechtigtes Familienmitglied betrachtet werden, nicht mehr als unschuldiges Küken der Familie, dass es zu beschützen gilt. Es ist eine besondere Beziehung zwischen Mutter und Sohn, was sich vorzugsweise dann zeigt, wenn der junge Laurent seine Mutter mit einem anderen Liebhaber entdeckt und Gefühle von Eifersucht und Wut aus Liebe in ihm hochkochen, das wird zärtlich von Malle beleuchtet. Dann wird er noch von seinen Brüdern schikaniert, die ihn aber auch als einen Teil von ihnen akzeptieren und ihm helfen wollen bei seinen ersten sexuellen Erfahrungen. Dazu serviert Malle frech die Motive des sexuellen Erwachsens, vom Potenztest gegenüber den Brüdern, bis zur Masturbation mit Jazzsound, übrigens ist das ein äußerst flockiger Jazz. Im Hintergrund wird der zeitliche und politische Kontext angedeutet und ja auch die Beichte beim Pater darf bei der katholischen Erziehung, worin sich auch autobiografische Züge zu Malle selbst finden lassen, nicht fehlen.
Der Vater, welcher von Beruf Gynäkologe ist, bildet den Kontrast zu seiner Frau: Wohl gebildet, äußerst gesittet, sehr anspruchsvoll, streng und wenig interessiert an seinen Söhnen. Im Grunde ist er der Stereotyp für das Erwachsenenbild mit festem Regelwerk, bei Malle für einen Vertreter der Bourgeoisie. Gegen diese Regeln widersetzt man sich, demnach wollen die Brüder sich von den konservativen Konventionen ihres Vaters befreien. Ihr eigenes Leben leben, dazu gehören auch Feiern, Freunde, Liebe und Zigaretten - alles wird dem jungen Laurent von seinen Brüdern gelehrt. Er wird somit mit in ihre Welt integriert und entdeckt diese für sich, sogar mit verschlungenen Küssen. Ein vergnügtes Zeitbild der Jugend, welches Malle auch bestärkt durch den Generationskonflikt und die Entlarvung dieser hochgestochenen Erwachsenenwelt. In dem er ihre heuchlerische Art, ihre versteifte und pseudointelligente Haltung und die Ignoranz ihres Alters darlegt durch die Verblendung der falschen Kunst, denn das Bild, welches sie als Beispiel mit lobenden Worten überschütten, ist eine Kopie, ironisch mutet Malles Zwinkern dabei an.
Und wie sich für einen solchen Film gehört, gibt es auch das Ferienlager und eine kurze Pfadpfinderepisode (mit Goethes »Erlkönig« am Lagerfeuer!), bis zur Diagnose: Herzflimmern bei Laurent. Bei der Genesung wird er tatkräftig umsorgt, das Gefühl eines Kindes wird wieder verstärkt, es werden Lieder gesungen - aber der Junge brauch doch Ruhe! Dann muss man eben leise Liedchen trällern. Nun danach geht es ab zur Kur, samt Mutter, bei welcher sich das Verhältnis von Mutter und Kind noch intensivieren wird, während sich Laurent auch Gleichaltrigen nährt und selbst die verschiedenen Arten der Liebe entdeckt, das heißt Enttäuschungen und Annäherungen erleben muss, bis die Liebe in Inzest gipfelt - als Geheimnis, das heikel bleibt und ich nicht so recht weiß einzuschätzen weiß. Die Schuld soll keinen belasten, sondern es als schöne, einmalige Erinnerung bleiben. Vielleicht mag es die Konsequenz aus den vorhergehenden Umständen sein. Malle verurteilt auch hier seine Figuren nicht dafür. Das ist authentisch verpackt und sanft von Malle erzählt und garniert mit einem Hauch von Melancholie zur Balance gegenüber den sonstigen Anklängen von Ironie. Nur der Schnitt scheint da an mancher Stelle ungünstig gesetzt zu sein. Und am Ende darf nochmal herzlich gelacht werden, wenn Konflikte bewältigt scheinen, mit einem herzlichen Familienbild versöhnt wird und neue Wege zu beschreiten sind, eine irgendwie passende Stimmung um einen solch (harmonischen?) Film abzuschließen.
7.5 / 10
Autor: Hoffman
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