Dienstag, 18. September 2012

Wenn Politik und Militär versagen - Klassiker der Extraklasse: George A. Romeros "The Crazies"



Es gibt sie doch immer wieder, diese auf den ersten Blick, kleinen, unbeachteten Filme. Meistens erscheinen sie genau zwischen zwei Filmen, mit denen der Regisseur weitaus mehr Aufsehen erregcht, als mit dem vernachlässigten Film in der Mitte. Bei Stanley Kubrick wäre das "Barry Lyndon", der zwischen "Uhrwerk Orange" und "The Shining" erschien, aber im Vergleich zu diesen zwei Filmen oftmals vergessen wird, obwohl er das nicht verdient hat. Ein ähnlicher Fall wäre auch Quentin Tarantinos "Jackie Brown", der zwischen seinem Opus magnum "Pulp Fiction" und den kommerziell sehr erfolgreichen "Kill Bill" Filmen erschien und oft als schlechtester Tarantino angesehen wird, wobei ich das in keinster Weise nachvollziehen kann. Doch genug abgeschweift. Auch unser guter alter Zombiemeister George A. Romero hat so einen Film. Und zwar nicht nur einen Film, sondern gleich mehrere, sie erschienen alle zwischen seinem Regiedebüt und wegweisenden Klassiker "Night of the Living Dead" und dem Film, der für viele heute der ultimative Zombiefilm ist: "Dawn of the Dead". Ich habe mir von diesen Filmen einen ganz speziellen herausgesucht: "The Crazies" aus dem Jahre 1973. Dass ich mir gerade diesen Film herausgesucht habe liegt daran, dass es nun mal der einzige ist, den ich von diesen Filmen kenne, und da ich finde, dass dieser Film schon teilweise etwas in Vergessenheit geraten ist, obwohl er eigentlich auch eine ganze Sorte von Filmen inspiriert hat.






Romero widmet sich in "The Crazies" dem Szenario, dass durch einen Flugzeugabsturz des Militärs ein biochemischer Kampfstoff freigesetzt wird, der viele Einwohner einer kleineren Stadt, nahe der Unglücksstelle, entweder sofort tötet, oder sie zu wahnsinnigen Psychopathen, Crazies, macht. Die Regierung und das Militär sind von den Ereignissen überrumpelt und wissen nicht wirklich, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Wer ist infiziert und wer ist es nicht? Die Regierung scheint mit der Aufgabe, wieder Ordnung herzustellen, völlig überfordert zu sein und setzt daraufhin den ganzen Ort unter Quarantäne. Dazu werden ganze Scharen von in Schutzanzügen verpackten und mit Gasmasken versehenen Soldaten in den Ort geschickt. Jedoch sind ja nicht alle Einwohner infiziert und eine kleine Gruppe versucht sich den Weg durch das Chaos, raus aus Evans City, zu bahnen. Dabei geraten sie unweigerlich zwischen die Fronten, da sich die Crazies von den Soldaten nichts befehlen lassen wollen. In Evans City herrscht fast schon Kriegszustand. Romero greift hier sehr direkt die Regierung und das Militär an. Er zeigt die Soldaten als anonymisierte Masse, die wahllos auf die Bewohner von Evans City schießt. Sie stehen symbolhaft für eine skrupellose Regierung, die lieber massenweise Bürger, also Menschen, opfert, als dass sie sich eingesteht, die Situation nicht im Griff zu haben. Wenn man das im Kontext des damaligen Zeitgeschehens sieht, müssen sich viele Zuschauer in dem Film bestätigt gefühlt haben. Gerade im Bezug auf die 68er Generation und die Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg, bei der die US-Regierung auch teilweise mit aller Härte gegen die Demonstranten vorging. Genau wie bei den Demonstranten geht die Regierung auch bei "The Crazies" nicht auf die Wünsche der betroffenen ein, es geht nur darum, möglichst heil aus der Angelegenheit herauszukommen - egal ob eine ganze Stadt darunter leiden muss.





Man könnte jetzt sagen, dass "The Crazies" ein sehr untypischer Romero ist. In gewisser Weise ist er das auch. Er ist ziemlich actionlastig und er ist sehr direkt in seiner Gesellschaftskritik. Manche würden auch sagen, dass dem Film die Zombies fehlen. Aber das sehe ich anders, die Crazies sind für mich sowas wie ein Ersatzzombie, da sie schon sehr hohe Ähnlichkeiten aufweisen. Sowohl Crazies und Zombies - zumindest der Zombie aus "Dawn of the Dead" - sind durch den Absturz von Etwas auf die Erde entstanden. Beide folgen nur noch simplen Trieben und ihre Verhaltensweise ist erschreckend vorhersehbar. Also, auf Zombies konnte der gute George dann doch nicht ganz verzichten. Das alles klingt jetzt so, als wäre "The Crazies" ein ganz großer Film. Das ist er dann leider auch nicht, da er schon einige Schwächen offenbart. Zum einen kommen Horror und/oder Terror viel zu kurz, bzw gar nicht, vor. Der Film geht wirklich mehr in die Richtung Actionthriller, was ja grundsätzlich nicht schlecht, aber halt ein wenig untypisch für Romero ist. Oder um es kurz zu sagen: Der Horror-Romero ist mir dann doch lieber. Jedoch bleibt noch zu sagen, dass "The Crazies" nach wie vor eine knallharte Auseinandersetzung mit dem Thema des Versagens einer Regierung und des Militärs während eines Ausnahmezustands ist. Auch ist der Film einer der großen Wegbereiter für andere "Virenfilme" wie "Outbreak" oder "28 Days later" und wenn man all das in Betracht zieht, dann ist "The Crazies" zwar trotzdem nicht Romeros Meisterstück - er sagte selbst, dass er im nachhinein gar nicht zufrieden mit dem Film war - aber nichtsdestotrotz ein guter Film, der zwar etwas angestaubt daher kommt, aber in seiner Kritik an einer skrupellosen Regierung auch noch heute eine gewisse Brisanz hat und allemal sehenswert ist.



7,0 / 10

Autor: MacReady

4 Kommentare:

  1. Schönes Review. The Crazies ist tatsächlich eher untypisch, aber das macht ihn für mich gerade erst so richtig interessant. Fällt halt aus dem typischen Schema, welches man bei Romero ab und an zu erkennen meint. Zudem einer der wenigen Streifen, bei dem ich das Remake auch recht gelungen fand.

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    1. Da hast du Recht, finde auch, dass The Crazies dadurch nicht schlecht wird, da ist Bruiser. der auch nicht in das Romero-Schema passt, deutlich schlimmer. Und ja, das Remake ist in der Tat recht ansehnlich.

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