Mittwoch, 22. Februar 2012

Kritik: "Requiem for a Dream"



Requiem for a Dream“ hat kein Happy End. Das in ihm verwurzelte ideale Lebensbild ist nicht mehr als eine illusionäre Vorstellung, ein Traum, dessen lichterfüllte Vollkommenheit einem gefahrenträchtigen Spiel zum Opfer fiel. Darren Aronofsky entwarf mit diesem Film keine bloße Moralstellung, die sich gegen Drogenkonsum ausspricht, sondern konzipierte gleichermaßen gesellschaftliche Ursprungsträger (die Gründe) sowie die schicksalshaft-verstörenden Grimassen, die zu uns sprechen und sagen, eine Abwendung zu dem uns Zerstörenden sei unabwendbar (die zwangsverschriebene Sucht). 



Daher sollte einem jeden klar sein: Dieser Film ist nicht unterhaltsam und hat auch gar nicht unterhaltsam zu sein. „Requiem for a Dream“ ist ein lodernder, anstrengender, weil schonungsloser Zirkel der verschuldeten Destruktion, dem man sich mit eigenem Körper, eigenem Geist verschrieb, aber dessen Schuldverantwortung nicht nur auf jene abgeschoben werden kann, die ihm verfallen sind. Das, was uns Aronofsky zumutet, besonders dann, wenn die Erkenntnis einem jeden langsam ergreift, zeugt von hoher Überzeugung zu unserer Fähigkeit der (belastenden) Verarbeitung. Kein Schmerz bleibt aus, keine Hässlichkeit des Lebens wird überspielt – dieser Film ist masochistisch zu sich selbst und quälerisch zu denen, die ihn schauen. 



Mir wurde schnell die pulsierende Ader dieses Streifens bewusst – sein Anderssein in Bezug auf alles Bekannte. Wenn prasselnd-hektische Schnitte auf mich einwirken, ist das gewöhnungsbedürftig, schwierig aufzunehmen, aber in gewisser Weise auch ein anderes, ein genaueres Sehen und Fühlen. Ich wurde anders involviert. Alles geschah schneller, gnadenloser, ein Absturz aus höchstem Stock folgte dem nächsten. Nichts verkam zur Normalität, weil sich diese bei „Requiem for a Dream“ nicht einpendelte. Umso erschreckender, ist das uns Vorgeführte doch menschlich-schmutziger Alltag, den niemand bestreiten kann. Vielleicht nicht für mich, bestimmt auch nicht für dich, aber für irgendjemanden dort draußen – und der oder die ist nicht alleine. 



Aronofsky erzählt mit seinem Werk eine Geschichte, aber nicht im uns bekannten Stil. Immer wieder reiht er schnellstmöglich Bild an Bild und somit Grauen an Grauen, Verwüstung an Verwüstung. Der Wahn der Figuren wird größer. Ihr anfängliches Glück verdampft oder verwandelt sich vom sonnigen Schein in ein frostig-halluzinogenes Gewitter, das sich schrittweise im Kopf festsetzt. Aufgeteilt in zwei Geschichten, die unmittelbar verbunden sind und dennoch sich alleine im Regen verlieren, schildert „Requiem for a Dream“ die Handlungen der älteren Frau Sara Goldfarb (Ellen Burstyn), die eine vermeintliche Einladung zu ihrer Lieblings-Fernsehshow gewinnt. In ihrer Vorstellung, dass ein jeder sie schon bald sehen und lieben wird, möchte sie aus Zwang ihr äußerliches Erscheinungsbild verändern. Um wieder in ihr rotes Kleid zu passen, das ihr so sehr am Herzen liegt, lässt sie sich Appetitzügler verschreiben, welche ihr Vorhaben zwar gelingen, sie aber auch immer mehr in eine Scheinwelt abgleiten lassen. 
Die zweite Geschichte, die ebenfalls in der Region angesiedelt ist, ist die ihres Sohnes Harry (Jared Leto), der mit seiner Freundin Marion (Jennifer Conelly) in eine schwere Drogenabhängigkeit gerät, die ihr anfängliches Glück zerbrechen lässt. 
Jeder Protagonist in "Requiem for a Dream" wird sich seiner harten Auslieferung bewusst werden. Und der Weg bis zu dem genannten Ziel ist unglaublich stark gespielt. Insbesondere Ellen Burstyn, die nichts als das zuwendungsvoll-freundliche Bild ihres Fernsehers hat, liefert eine authentisch-abschreckende Leistung ab, die mich zügellos mitriss. 



Das Gefühl beschreiben, das mich überkam, als ich diesen Film sah, kann ich nicht. Dazu fehlen mir die Worte. Und selbst wenn ich sie finden würde, könnten sie nicht den entsetzlich-lähmenden Bildern gerecht werden, denen ich ausgeliefert war. Solche Filme zu bewerten, sie auf einer Skala einzuordnen, ist unwahrscheinlich schwierig, denn dienen sie nicht dem Unterhaltungszweck, sondern einzig der Klarstellung und Beschreibung. Und dafür kann ich „Requiem for a Dream“ nur loben, weil falls eigenes Zusehen (bei der von diesem Film vertretenen Materie) schmerzt, dann hat das genannte Werke alles richtig gemacht - und das ist hier der Fall.  

Wenn mich nun im Nachgang jemand fragen würde, ob ich diesen Film noch einmal durchleben wöllte, so würde ich dies verneinen und denjenigen daraufhin fragen, ob er denn überhaupt wüsste, von welchem Film er da rede.


8.5 / 10

Autor: Iso 

2 Kommentare:

  1. Ich kann dir nur in allen Punkten zustimmen. Unfassbar schwer verdaulicher Film. Noch nie habe ich nach einem Film in meinem Bett gelegen und für wenige Minuten einfach nur innegehalten - ein wenig aus Schock, ein wenig aus Angst und irgendwie auch aus Begeisterung. Top Film, Top Kritik! ;)

    AntwortenLöschen
  2. Ja, so ging's mir auch, kann man nicht beschreiben, muss man erleben. Und danke! :)

    AntwortenLöschen