"Ich bin einer der Wenigen, die eine gute Haushälterin haben. Ich sollte vielleicht noch sagen, dass ich sehr pedantisch bin. Überflüssig zu bemerken, dass das den Menschen, die gezwungen waren um mich zu sein, das Leben nicht leichter gemacht hat. Und mir auch nicht. Ich heiße Eberhard Isak Borg. Und ich bin 78. Morgen werde werde ich in der Lunder-Dom-Kirche zum Doktor-Jubilaris promovieren."
Bergman Forever Teil 2:
Und erneut Bergman, in genauer Betrachtung und dem präzisen Blick auf sein Schaffen. Einer Seele des Kinos. Nun stellte sich mir, mehr oder weniger, die Frage, mit welchem Werk nun fortfahren. Doch auch hier war die Antwort schnell gefunden: Mit dem chronologischen Nachfolger von "Das Siebente Siegel", was wäre logischer? Nichts. Dies mag wohl in jedem Fall eine vorteilhafte Entscheidung gewesen sein. So nun also "Wilde Erdbeeren" von Bergman aus dem Jahre 1957.
Und auch schnell bemerkte ich, dass es hierbei durchaus Parallelen, mal ganz abgesehen vom Stile Bergmans, in Hinsicht auf die Thematik der Story gibt, auf "Das Siebente Siegel" bezogen. Denn im Vordergrund stehen die großen Fragen des Menschen, das Leben, der Tod und auch hier Gott, in Bezug auf seinen vorherigen Film also an sich gar nicht mal so unähnlich. Aber anders als bei jenem, denn Bergman betrachtet dies aus der Perspektive eines altgewordenen Mannes und seine Reise (sodass "Wilde Erdbeeren" wohl auch als Road-Movie angesehen werden könnte) zu sich und eine Erkenntnis, als ein Rückblick auf sein Leben: Der angesehene Mediziner Isak Borg soll zum 50. Jahrestag seiner Promotion hoch honoriert werden, der mittlerweile 78- jährige Mann begibt sich auf die Reise und fühlt sich bei dieser von Albträumen und Erinnerungen gequält, Visionen vom Tod erscheinen. Eine Reise in die eigene Vergangenheit und die Erkenntnis, dass er sein Leben doch vergeudete, allein durch seine Isolation und die Kälte seines Herzens.
In der Hauptrolle der (berühmte, durchaus) schwedische Stummfilmregisseur Victor Sjöstrom, in seinem letzten Filmauftritt, als alternder und egoistischer Isak Borg, welcher sich auf diesem Trip mit sich selbst konfrontiert sieht und bemerkt, dass selbst der Tod nicht weit entfernt scheint, für ihn eine schmerzliche Reise. Somit aber auch großartig von Sjöstrom verkörpert, welcher vollen Einsatz zeigt und mit seinem starken Schauspiel absolut zu glänzen weiß bzw. seine Figur insofern hintergründig darzustellen, trotz zunächst anfänglicher Kälte jener. Und bei der Besetzung könnte man fast annehmen Bergman nehme erneut den Großteil seiner Stammbesetzung aus "Das Siebente Siegel" und füge diese gekonnt (in neue Rollen) in seinen Film ein. In jedem Fall sind jene Darsteller mindestens genauso überzeugend wie einst im Bergmans anderem Werk und so tummeln sich auch hier Gunnar Björnstrandt (mein Liebling in Bezug auf Bergman-Besetzung), Bibi Anderson und auch Max von Sydow in Nebenrollen. Zudem noch Ingrid Thulin, wie immer exzellent, als Schwiegertochter des Herrn Borg Marianne.
Wenn an es so betrachtet, gehört "Wilde Erdbeeren" wohl eindeutig zu den bereits frühen Highlights in Bergmans Filmschaffen und Karriere, denn so vereint Bergman in diesem Film nun fast alles was ihn grundlegend ausmachte. Wie gesagt sind seine Schwerpunkte wieder klar verteilt: Leben, Tod und Gott. Und erneut noch viel mehr, wie den Wandel eines Menschen und seine Erkenntnisse, durch eine einzige Reise. Für mich sogar dabei überraschend einfühlsam und trotz der Gefühlskälte der Protagonisten, mögen deren Hinergründe und Seelen doch durchaus verständlich sein, Borg wirkte auf mich sogar irgendwie sympathisch gestaltet und wie immer regelrecht faszinierend. Neben diesen Charakterporträt, bietet Bergman aber noch genug anderes. Stellt philosophische Fragen und vergisst (nochmal in Hinsicht der Charaktere) nicht die analytische Psychologie seinerseits, genauso wenig wie bei den Stilmitteln den Einsatz von Surrealismus, welcher einmal mehr perfekt inszeniert scheint und gerade solche Traumsequenzen kann ich nur immer wieder als atemberaubend und unglaublich fesselnd beschreiben, was Bergmans Werk eh an sich schon ist. Und außerdem auch wieder packend bebildert (Kamera erneut: Gunnar Fischer), perfekt gefilmt mit einer famosen Atmosphäre und Intensität, einfach fantastisch und auch hier möchte ich nochmal speziell die surrealistischen Szenen hervorheben. Durch diese entsteht nämlich auch hier eine durchaus mysteriöse Grundstimmung, welche einen bis zum Schluss nicht mehr loslässt.
Dazu noch brillant geschriebene Dialoge, davon so selbstredend angetrieben und untermalt von einem mehr als passenden Score von Erik Nordgren.
Es sei also wieder gesagt, mir fehlen auch hier die Worte, um diesen Film im jetzigen Zustand vollkommen zu erfassen. Es ist halt Bergman.
"Unser ganzes Leben mit unseren Mitmenschen, ist doch eigentlich nur, dass wir über sie reden. Bestenfalls regt man sich über sie auf. Auf dieses Miteinanderleben habe ich gerne freiwillig verzichtet. Mein Leben ist Arbeit gewesen."
Letztlich bleibt mir dann nur noch zu sagen, dass "Wilde Erdbeeren" wie auch sein Vorgänger meiner Meinung nach zu den großen Meisterwerken von Ingmar Bergman bzw. der Filmgeschichte zählt (obwohl ich mir in der Hinsicht schon die Frage stelle, ob dies nicht ein gegenwärtiger Zustand bei ihm ist), in jedem Fall ein virtuoses wie auch einfühlsames und bewegendes bzw. poetisches Werk des Meisters, über eine ernüchternde Reise eines Mannes und dessen dabei erlangter Erkenntnis.
9 / 10
Autor: Hoffman
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