Dienstag, 14. Februar 2012

Kritik: "Fargo"



„Fargo“ ist die Kreation alles Blöden und Willkürlichen. Das, was rund um die schrullig-schrägen Charaktere geschieht, dient keinem verständlichen Denken, weil das in der kleinen Gemeinde in North Dakota nicht existent ist. Es sind die konfusesten Umstände, die die heile Welt der in und um Fargo Ansässigen ins Chaos stürzt. Hier ist auf niemanden verlass, noch nicht einmal auf die Ordnungshüter, weil auch deren Zusammenschluss äußerst beliebig beschränkt ist. 

All das wird man in diesem skurril auffahrenden, in bissig-schwarzer Komik ablaufenden Ödland-Thriller in Erfahrung bringen, auch wenn’s Hinschauen und Zuhören manchmal äußerst quälend ist. Am liebsten möchte man die in sich verschlafenen Protagonisten greifen, sie anschreien, schlagen und sagen, sie sollen doch bitte mal kapieren, dass das, was sie gerade machen oder planen vollkommener Schwachsinn ist und dass das doch niemals funktionieren könne. Kann man aber nicht. Und so wird man Zeuge unzähliger abstruser Dialoge und bizarrer Begegnungen  – zum Glück, würde man doch ansonsten etwas Großes verpassen. Denn „Fargo“ beherrscht seine Blödheit ungemein gut, weiß, wie man damit einen Film ausschmücken kann. Selbst wenn sich für meinen Begriff kleinere Längen oder unnötige Szenen eingeschlichen haben, könnte ich dies sofort darauf zurückführen, dass das doch das entscheidende Element in dieser Groteske ist. „Fargo“ will unnötig sein, ist aber dennoch eine zynisch-sensible Kriminalgeschichte, deren Unterhaltung man sich gerne bezieht, weil sie einen kollektiven Kreislauf bildet, der sich von gebräuchlichen Verhältnissen differenziert.

Wenn die hochschwangere, ungemein hungrige Polizistin Marge (Frances McDormand) ihren alten, auf sie stehenden Schulfreund in einem Restaurant trifft und diese ein hanebüchenes Gespräch führen, ist das überflüssig, für die Handlung nicht bedeutend, aber ungemein amüsant. Und sogar das morgendliche Frühstück, welches aus wenig Dialog und Vorkommnissen, dafür viel Ruhe besteht, hat die Daseinsberechtigung, die es im Film erfährt – ganz ohne Relevanz zum Haupthandlungsstrang. 
Zu raten sei deshalb: Man sollte sich „Fargo“ nicht anschauen, wenn man einen bedrohlich-fesselnden Thriller erwartet, denn allein darauf, auch wenn die Rahmenbedingungen vielleicht auf eben das hindeuten könnten, darf man diesen Film nicht beschränken. Man muss den Willen und die Lust zur Verbundenheit mit dem tiefschwarzen, Coen-typischen Humor und mit dem gemächlichen Ablauf aufbringen. Ansonsten könnte das falsche Ausgangsbild dazu führen, dass man nicht das zu sehen bekommt, was man sehen wollte. Wobei ich davon ausgehe, dass das Loslösen von diesem Film für zutreffende Beobachter nichtsdestotrotz schwierig sein wird, da das köstliche Spiel der Figuren zu begeistern weiß und die Mischung aus Krimi und Komödie harmonierende Entfaltung erfährt, deren Sogkräfte man nur wiederwillig aufgibt.

Reflektiert man nun dieses merkwürdige, aber Faszination aussprühende „Fargo“, wird man seine Schwierigkeiten haben, denn unmittelbar nach der ersten Sichtung, die nicht die letzte sein sollte, ist einem schon gar nicht mehr bewusst, wie abgedreht, komisch und spannend das gerade Erlebte war, wie gut es in Szene gesetzt wurde und wie exzellent (bedeppert) die darstellerischen Leistungen waren. „Fargo“ ist eine Ode an die Dämlichkeit, ohne aber zu jener Unterhaltung zu verkommen. Eine filmische Erfahrung, die ich – trotz für mich kleinerer erzählrhythmischer Absackungen – nicht mehr missen wöllte, sind diese Erzählweisen doch viel zu rar.


7,5 / 10

Autor: Iso

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