Samstag, 17. September 2011

Kritik: "The Broken"

So düster und verwirrend wie Cronenberg und Lynch zu mindfuckenden Bestzeiten und so angstschürend wie nur irgendwie vorstellbar. Denn wer diesem unaufgeregten Kammerspiel eine Chance gibt, den wird das Grauen packen. Die britische, dezentere und bessere Alternative zu "Mirrors". Regelrecht beschämend und fast schon wieder witzig, wenn sich von Simplizität verwöhnte Blockbusterkinogänger über zu wenig Substanz einer sinnlosen Story beschweren. Sean Ellis kaut eben nicht jede Kleinigkeit vor, sondern fordert die Konzentration und Aufmerksamkeit eines aktiven Beobachters, eine willkommene Abwechslung. 

Fesselndes Gruselkino par excellence, übergossen von einer eiskalten Inszenierung. Winkel und Perspektiven, der Blaustich der Linse, langsame Kamerafahrten über ein gelähmtes London, präzise Einstellungen und zielsicheres Zoomen, die Optik umhüllt ganz und gar, steigert konsequent die ungemütliche Vorahnung auf ein nicht näher zu definierendes Ereignis. Hier spricht jedes Bild mehr als tausend Worte. Unbekanntes Cast, wenig Dialog, alarmierend bedrohlicher Score. Der Regisseur setzt auf seine beeindruckende technische Schiene, besonders beim verstörend-genialen Schluss, der mit einer wortlosen Bilderflut aus Rückblenden auskommt. Höchst adäquat mimt Lena Headey die wortkarge Radiologin, perfekt in dieses unterkühlte Gesamtkonzept integriert und dennoch in der Lage, Sympathiepunkte zu sammeln, beachtenswerter Spagat. 

Realität oder Traum, Schein oder Sein?
Das Doppelgängermotiv im Wahn des Capgras-Syndrom, Folgen eines Traumas, Träume, Spiegel als Gefängnis für das eigene dunkle Ich und Portal in unsere Welt, Sean Ellis wirbelt mit seinen Themen die Psyche auf und lässt den Zuschauer am Ende alleine und mit offenen Fragen zurück. Wo die prozentuale Mehrheit an Mainstreamregisseuren Lautstärke mit Aussagekraft gleichsetzt, erweist sich dieser fiese Schocker als entwaffnend kaltblütige Antwort auf Authentizität fixiertes Handkameragewackel und provozierend-nichtssagende Sadovideos. Echte Qualität kann man eben nicht kopieren, da können noch so viele paranormale Aktivitäten, Exorzismen und Folterstunden am Fließband laufen. Da hilft auch der Anspruch nicht, gerade authentisches Filmmaterial zu zeigen, um gesellschaftspolitisch irgendwie von pseudomäßiger Relevanz zu sein, nach dem Motto: "Wir haben hier ja die ganz versteckte, intellektuelle Botschaft mit tiefgreifendem Sinn". Diesen zunehmend enervierenden Missbrauch von zwielichtigem Realitätsbezug benötigt Ellis nicht, unter seiner Hand entwickelt sich das kühne Projekt zu einem stilsicheren Alptraum der subtilsten Sorte. Es ist dieses Unterschwellige, das die Nackenhaare aufstellt. Das unvermeidliche Zusteuern auf die bittere Auflösung

Die klassische Art von Film, die nur zu gerne übergangen wird. Und dabei eines der gruseligsten und heftigsten Horrormärchen vergangener Dekade. Bewusster Verzicht auf inflationäre oder überzogene Gewalt, dafür an den richtigen Stellen die Härte, die ordentlich weh tut. Es funktioniert auch noch in Zeiten von Sequels, Prequels, Remakes und Reboots. Und wie es das tut. 


8 / 10

Autor: seven 

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