Dienstag, 21. Februar 2012

Kritik: "The Descendants"


Wenngleich „The Descendants“ keine Komödie ist, behält er es sich vor, konsistent auf bedrückende Empfindungen aufzubauen, indem er sich irgendwo zwischen Freude und Schmerz ansiedelt. Alexander Payne unterwirft sich damit erneut einer tragisch-komischen Geschichte, die er 2002 mit „About Schmidt“ erstmals aufgriff, die in ihrer neuen Ausführung allerdings fast nichts von ihrem ursprünglich liebevoll-schimmernden Glanz verloren hat. 


Sobald der Film beginnt, blicken wir für wenige Momente auf die Person, auf der alles Handeln in „The Descendants“  aufbaut: Elizabeth King (Patricia Hastie). Sie ist Mutter einer kleinen Familie, hat einen Mann und führt ein scheinbar geordnet-harmonisches Leben auf einer mittelgroßen hawaiianischen Insel. Als Elizabeth jedoch bei einem Motorbootunfall schwer verletzt wird, anschließend im Koma liegt und von den Ärzten keine Lebensfunktionen mehr wahrgenommen werden, bricht für ihren Mann Matt (George Clooney) eine Welt zusammen. Wie soll er seinen beiden Töchtern sagen, dass ihre Mutter nicht mehr aufwachen wird? Wie verabschiedet er sich von einer Frau, die er aufgrund seines harten Arbeitsalltags und ständiger familiärer Abschottung kaum mehr gekannt hat? Und wie soll er anderweitig anstehende Entscheidung treffen, wenn sein eigenes Familienleben in Trümmern liegt? Als Matt  dann auch noch von einer Affäre seiner Frau erfährt, fühlt er sich endgültig in den für ihn hinterlassenen Scherben verloren. 


Grundlegend besteht „The Descendants“ aus ähnlichen Handlungsbausteinen wie Paynes zurückliegendes Werk „About Schmidt“. Dort war der Protagonist ebenfalls ein Mann, ebenfalls hatte die Frau eine Affäre, ebenfalls wurde diese mit dem baldigen Tod konfrontiert und ebenfalls gab es eine Reise quer durchs Land. Dass sagt vielleicht einiges über Alexander Paynes fehlende Lust oder Mutwilligkeit zu neuen Zielsetzungen aus, allerdings nichts über die Qualität des umgesetzten Stoffes. Obwohl ich „The Descendants“ sicherlich nicht zu seiner besten Arbeit zähle und ich auch die Oscar-Nominierung für besten Film und gar beste Regie für sehr hochgegriffen und gewagt-fragwürdig halte – besonders wenn man bedenkt, welche Werke ausnahmslos ignoriert worden -, ist dies ein weiterer, sehr bewegender Ausflug in ein zerklüftetes Familienbild, dem es an Zusammenhalt und zueinanderstehender Wärme fehlt. Payne gelang ein weiterer erzählerischer Kraftakt der Zusammenführung und des Beschreibens von Gefühlen und Erlebnissen. Schwächen werden nicht verschwiegen, auch nicht bestritten, aber sie werden aus Liebe zueinander verziehen. Die Charaktere sind fantastisch geschrieben, nicht eindimensional oder schnell abgehandelt. Und genau das macht „The Descendants“ aus. Keine Figur wird auf eine gute oder schlechte Eigenschaft reduziert, selbst wenn das äußerliche Bild auf schablonenhaft geschriebene Protagonisten hindeuten könnte. Dies ist keine überlange Soap-Folge, die an ihren einfältig-blöden Dialogen zu ersticken droht – ganz bestimmt nicht. 


Eingebettet in wolkenverhangenen, aber dennoch schön-besinnlichen Aufnahmen, welche auch die landesübliche Kultur näher vorstellen, ist dieser Film eine Botschaft an all diejenigen, die glauben, das Paradies sei ortsverbunden, die denken, man müsse in eine bestimmte Region ziehen, um sorgenfrei zu leben. Matt, der auch als Erzähler agiert, stellt jedoch klar, dass das nicht so ist. Eine Beschränkung auf den richtigen und falschen Platz zum Leben ist nicht möglich, weil es ihn nicht gibt – niemand bleibt vom Guten und Schlechten verschont. Das wird in ein besonders deutliches und emotionales Licht gerückt, da das schauspielerische Aufgebot fantastisch ist. George Clooney als alternder, gebrochener Vater, der Frau und Kindern fremd geworden ist, spielt seinen sensationell geschriebenen Part überragend. Eine Oscar-Nominierung ist auf jeden Fall gerechtfertigt, wenn auch weit weniger, bedenkt man, dass ein Michael Fassbender schonungslos übergangen wurde. Die eigentliche Überraschung ist aber Shailene Woodley, die eine der beiden Töchter mimt. Ihre Darstellung der aufspielenden, andererseits zu ihrem Vater aber auch zugewandten Alexandra ist phänomenal und sehr einprägsam. Ich hoffe, von ihr noch einiges hören zu können. 


The Descendants“ ist nicht fehlerlos, gesellen sich zu seiner Erzählweise doch manche unnötigen Ausschmückungen, aber das, was ihn ausmacht, ist die leise Gestaltung und Weitergabe echter und wichtiger Botschaften aus direktem Leben. Und das kann er, ganz der payn’schen Manier, unglaublich gut und dafür spreche ich auch verpflichtend meinen Dank aus. 


7.5 / 10

Autor: Iso

2 Kommentare:

  1. Sehr schön. Freut mich auch das du den Film nicht zerpflückt hast, werde mich demnächst auch mal von Payne`s Filmchen überzeugen :)

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  2. Jep, mach das, lohnt sich auf jeden Fall, wenn man die zahlreichen Nominierungen für den Oscar ignoriert. :)

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