Dienstag, 19. Februar 2013

Freundschaft in der sonderbaren Ödnis - Kritik: Populärmusik aus Vittula (2004)



Irgendwie gefällt mir ja der Gedanke einer Rückbesinnung auf die Kindheit und Jugend auf dem Himalaja beim festhaltenden Geschmack von Eis. So etwas soll´s geben. Dann zurück in die 60er Jahre in Schweden, in einem schwedischen Kaff. Scheinbar weit abgeschieden und abgeschnitten von der restlichen Welt. In diesem Kaff wachsen zwei unterschiedliche Jungen auf. Freunde, auf höchst brüderlich Weise verbunden. Die Erzählung rückt in den Hintergrund, was in anfänglichen Momenten dominiert ist die ziemlich grob wirkende Kamera, welche fast schon störend nah an den Gesichtern und Charakteren (auf eine möglichst groteske Art!) klebt, der Zoom zwischen In und Out. Zum Glück legt sich auch das mit der Zeit. Was aber folgt sind haufenweise merkwürdiger Gestalten und pseudoskurriler Figuren und Themen, die möglichst schnell abgearbeitet werden müssen in der Kindheit, von der Freundschaft, der Drangsalierung von anderen Kindern, einem irren Hausmeister (der ja noch das amüsanteste daran ist), das Gefühl von Ödland, dass bei jedem fremden Besucher aufschreckt und nicht mal die Rock´n´Roll Musik kennt und beim ersten Kontakt mit dieser sofort begeistert von den beiden Jungen aufgenommen wird. Diese umwerfende, rotierende und flotte Musik, die einen mitreißt und an die Wand wirft. Die Musik als Ausbruchssymbol aus der Einöde des Kaffs.




Die Erzählung wird dabei möglichst skurril, andersartig  und schräg vermittelt, jedoch ist das weder amüsant noch intellektuell fördernd, eher peinlich und klamaukig veranlagt. Ein schönes Beispiel gibt hier der seltsame Dorfpädophile, der die Kinder in den Wald locken will, um ihnen seine Ratte zu präsentieren. Ok, ich hoffe das filmische Bild nun nicht genauer zu deuten und interpretieren zu müssen. Wenngleich auch der Grundgedanke mir plausibel ist, die Geschichte flott und locker zu erzählen, jedoch ist das dermaßen auf Skurrilitäten getrimmt, dass das im Verlauf mit der Zeit desorientiert wirkt und ja auch unsympathisch. Besonders originell ist dafür aber der Zeitsprung von Kindheit zu Jugend und Pubertät, der diesen Alterungsprozess und das Erwachsenwerden doch auf eine (hier mal passend) groteske Weise präsentiert.

Und es beginnt das Sehnen nach der Freiheit, der Suche nach dem Weg aus dieser Trostlosigkeit (dieser durchaus schönen Trostlosigkeit, wenn man sich mal den prächtigen Landschaftsaufnahmen widmet, was man leider viel zu selten tut) und dem Träumen von den großen Abenteuern in der Welt. Die Kurve kriegt man dann also doch wieder, wo die erste Hälfte mit der Kindheit unzufrieden zurückließ, faszinierend ist der zweite Teil mit der Jugend in Ansätzen, auch weil der wesentlich feiner ausgearbeitet ist und sich nun zeitweise auch mehr zurücknimmt mit seinen Kuriositäten. Während der eine Vater streng und handfest bleibt, auch abgeneigt der Musik gegenüber, führt der andere nun bedeutende Vatersohngespräche über das Erwachsenwerden (inzwischen die Waschmaschine läuft), über Inzucht  familiäre Konflikte und die Geisteskrankheit durch die Liebe. Leider schweift das aber auch des öfteren ab und man vergisst dabei die Kernthemen um das Erwachsenwerden und die Freundschaft - mit Hochzeiten und Zwists, aber da werden wenigstens schon erste sexuelle und alkoholische Erfahrungen gesammelt. Oder Saunawettkämpfe, bei denen nebenher noch kurz über Leben und Tod gegrübelt werden darf, aber alles auf einem recht albernen Niveau.




All das mag durchaus eine nette Ansammlung von skurrilen Momenten sein, aber wirklich tragend werden sie nicht in die Handlung mit eingebunden  Oder viel schlimmer ist ja: Gibt es hierbei überhaupt einen festen Handlungsstrang? Ich wage das an manchen Stellen zu bezweifeln. Es ist viel mehr eine Reihung solcher skurrilen Szenen, in der die einzig wirklich treibende Szene davon, die recht späte Szene des Schnelligkeitswettkampfes zur Dorfgrenze von einem Bus gegen den neuen Musiklehrer ist, der für neue Musikinstrumente fährt, sodass auch die Träume einer Band der Jugendlichen erfüllt werden könnten - bis zur Trennung der Träume. Wozu dann auch noch ein befremdlicher Genremix stößt über Alpträume und der fantasievollen Darstellung sich seinen Ängsten zu stellen, welche zumindest die Bedeutung von Zusammenhalt aufzeigt. Aber das auch nur wieder für kurze Minuten. Sicherlich sind es vielzählige Themen, die »Populärmusik aus Vittula« anreißt, aber nie wirklich vertieft  oder vertiefen kann, das eigentliche Problem des Films, der somit auch nur wie eine Aneinanderreihung von absurden Momenten wirkt ohne jemals eine tiefere Auseinandersetzung mit alldem zu sein, vielleicht gerade wegen dem größtenteils verschrobenen Stil. Wirklich treffende Zwischentöne gibt es leider so kaum. So ganz unabhängig vom Roman gesehen. Und so ganz funktioniert das dann auch eben nicht, trotz gewisser Originalitäten. Aber keine Angst, das hört sich letztlich alles schlimmer an, als es ist. Glaub ich. Ich will ja nichts versprechen. Vielleicht ist es ja auch noch viel schlimmer.



5.0 / 10

Autor: Hoffman

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