Freitag, 21. Februar 2014

Bis zur Erschöpfung - Kritik: The Yellow Sea (2010)




Südkorea begeistert seit der Jahrtausendwende mit Rachethrillern das internationale Publikum. Chan-wook Park drehte gleich eine ganze Trilogie, die sich dem Thema widmet. Jee-won Kims I SAW THE DEVIL überteibt die einhergehende Blutrünstigkeit maßlos und ähnelt damit eher einen Exploitationfilm. Jene beiden Regisseure versuchen nun genau wie ihr mindestens ebenbürtiger Kollege Joon-ho Bong auch in Übersee ihr Glück. Geblieben ist Südkorea Hong-Jin Na, der erstmals Anerkennung durch den 2008 national sehr erfolgreichen THE CHASER fand. Auch dieser Film, indem ein Zuhälter einen Serienmörder jagt, um eine seiner Prostituierten zu retten, greift im Verlauf auf das Vergeltungssujet zurück. Trotz einiger Misstöne ein hochatmosphärisches Langfilmdebüt. Für seine nächste Regiearbeit - THE YELLOW SEA, besetzt der Regisseur seine beiden Protagonisten erneut, nur diesmal in fast diametralen Rollen. Statt einen Zuhälter verkörpert Yoon-seok Kim nun einen schier wahnsinnig widerstandsfähigen Verbrecher, der mit seiner Axt eine Art Ein-Mann-Armee darstellt. Doch Orientierungspunkt ist Ha Jung-woo, statt Serienkiller nun ein stark verschuldeter Taxifahrer, dem als letzten Ausweg, seine Schulden zu begleichen, ein Mord aufgetragen wird. Dafür muss er seine Heimat, den autonomen Bezirk Yanbian im östlichen China verlassen und das titelgebene Gelbe Meer überqueren, um auf dem südkoreanischen Festland seinen Auftrag zu erfüllen. Auch seine Frau befindet sich dort irgendwo. Sie hat bereits den wirtschaftlich desaströse Yanbian-Bezirk auf illegalem Wege verlassen und seit ihrer Ankunft kein Lebenszeichen mehr an ihren Mann hinterlassen. Dieser sieht sich nun im Zwiespalt, als Unerfahrener den Mord zu begehen und zugleich seine verschwundene Frau zu finden.

Diese Reise eines Verzweifelten ist in vier Kapitel unterteilt: "Taxi  Driver", "Killer", "Joseonjok" (Bezeichnung für in China lebende Koreaner) und letztlich "The Yellow Sea". Wird anfangs noch der Fokus auf die Extremsituation eines Mannes gelegt, gerät die Erzählung mit dem Beginn des dritten Kapitels unerwartet undurchsichtiger: Urplötzlich sind noch Verbrechersyndikate am Geschehen beteiligt und durch deren Beziehungen heißt es erstmal durchzublicken. Auch Versatzstücke des Actionfilms finden ihren Einsatz (beeindruckend: Die Massenverfolgungsjagd am Hafen) und treiben den Film in eine völlig neue Richtung. Und dann erhält auch das koranische Lieblingsmotiv seinen Platz:: Rache. Jeder sollte selbst entscheiden, wie er diese Plotverzweigungen bewertet, interessant sind sie allemal, zumal gegen Schluss gleich drei (!) Pointen neues Licht auf den Handlungsverlauf werfen. Wie im Vorgänger das unzureichende Justizsystem, kritisiert Hong-Jin Na dabei mittels des trüben Settings zum einen die maroden wirtschaftlichen Verhältnisse, die zur steigenden Arbeitslosigkeit und Kriminalität führen, da kein anderer Ausweg ersichtlich ist und zum anderen anhand der Behandlung der Joseonjoks ihren stark benachteiligten Stand in der Gesellschaft: Sie werden als Auswärtige betrachtet, weder daheim in Südkorea noch im China, getrennt vom gelben Meer, in dem alles endet.

Autor: DeDavid

                                                                   7 / 10

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