Freitag, 21. März 2014

Der Sonnenaufgang der Liebenden - Klassiker der Extraklasse: Sunrise - A Song of Two Humans (1927)






»Don´t be afraid of me!« - Nach dem er faustisch im deutschen Lande abschloss, rief nun auch Hollywood (= William Fox) nach dem großen deutschen »Mastermind«. Auf zu neuen Ufern hieß es, Friedrich Wilhelm Murnau geht also nach Hollywood, das erste was er dort tut im Jahre 1927: Lieder komponieren (= Filme drehen), gleich zu Beginn ein Lied zweier Menschen oder kurzum »Sunrise«. Mit einem Drehbuch vom werten Herrn Carl Mayer, der bereits die Drehbücher zu den Murnaufilmen »Der letzte Mann« und »Tartüff« schrieb und nach einem Roman von Herrmann Sudermanns. Den deutschen Expressionismus bringt er selbstredend auch mit nach Hollywood und dessen feine Licht und Schatteneffekte. Technisch bringt Murnau sein gesamtes Zubehör nach Hollywood und dort zum Einsatz. Da holt er alles heraus! Doppelbeleuchtungen, Szenenüberblendungen, eine dynamische Kamera und präsentiert spärlich, aber dafür äußerst originell, die Zwischentitel.



Dabei entführt uns Murnau doch gar in ländliche Idylle, fern von der lärmenden Großstadt: In ein ruhiges Dorf. Die Stadt schickt dennoch ihre Femme Fatalen, verführt den armen Bauern! Seine Ehe gerät ins Wanken. Dann der Plan im nebeligen Moor: »Leave all this behind...come to the City!« - doch zuerst soll er morden und ertränken, nämlich seine Ehefrau (liebenswert: Jane Gaynor). Eine typische Erzählung vom Herrn Murnau. Die Stadt als böser Verführer, wie die Sünde mit Glücksspiel und praller Dekadenz, die Stadt als die verlockende Falle, was in erster Linie als Kritik an der Urbanisierung verstanden werden könnte. Das Land hingegen ist hingegen die Reinheit, die Natürlichkeit, der Naturalismus der Menschen. Doch so leicht macht es sich der Murnau es sich dann doch nicht, er wägt genau ab. Denn so nimmt die Geschichten auch eine gewisse Legendengestalt an. Wie ein altbekanntes Lehrstück vergangener Tage, um Moral, Mord, Vertrauen, Schuld und Reue wie auch Versöhnung. Denn sein Charakter des Bauern ist kein kaltblütiger Mörder (auch wenn es zunächst so scheinen mag), er ist ambivalent. Auf eine gewisse Art unsympathisch, doch emotional ein zerrissener Charakter. Er ist nicht fähig zu töten, denn er weiß, er liebt sie. Sympathisch wird er dennoch, durch George O´Briens bewegendes Spiel. So empfindet man doch Barmherzigkeit. Jedoch: Die Frau flieht. Das Vertrauen in ihren Mann ist dahin. Er muss sie zurückerobern! Menschen machen Fehler. Er muss sich zurückbesinnen auf die einstigen Tage der Liebe, die durch tristen Alltag verschwanden und versuchen seine Frau nun wieder für sich zurück zu gewinnen.



Denn nun ist es die (zuerst böse) Stadt, die zur Rettung der verloren geglaubten Liebe fungiert mit all ihren wunderbaren Facetten, Möglichkeiten und ihrer phänomenalen Kulisse (von Rochus Gliese), besonders die Ankunft in der Stadt (mit Tram) zeigt die Stadt der Moderne als lebenden, funktionierenden Organismus (Ruttmanns »Berlin: Sinfonie einer Großstadt« ist das nicht ganz unähnlich), mit intakten Menschen, fahrenden Autos und Straßenbahnen. Das ist ein beeindruckendes Zeitbild. Dabei nutzt Murnau zugleich aber auch seine ihm gegebenen Möglichkeiten (denn so stumm ist sein Film gar nicht) von Ton und Klang als Verdeutlichung von Glockenschlägen auf dem Dorfe oder eben dem imponierenden Lärm der Großstadt, im späteren Verlauf schließlich auch verwendet für die Rufe der Liebenden. Auf technischen Niveau erreicht Murnau überragende Höhen. So nutzt auch hier Murnau Bilder, um zu erzählen. Im Mittelteil wird dann aus dem bisherigen Lehrstück und Melodram der großen Gefühle um die Liebe, eine beschwingte Komödie mit Klamauk und viel Humor und mit teils drastischen Ausbrüchen der Charaktere. Jenes Prozedere kann damit sowohl positiv als auch negativ aufgefasst werden. Im Kontext des Films neige zu ersteren, da dies im Zuge der Handlung die Versöhnlichkeit und Harmonie der Protagonisten deutlich hervorstellt, zudem ist das charmant von Murnau inszenatorisch verpackt mit seiner somit abwechslungsreichen Inszenierung und demnach kann dieser Film durchaus erheiternd sein. Was darauf folgt ist nun die krönende Prüfung der Liebenden: Gegen Wind und Wetter. Da greift Murnau auf eine große Dramatik mit tosenden Wellen wie Blitz und Donner zurück! Die Liebenden, die sich suchen. Der Sonnenaufgang schließt die Geschichte mit strahlenden Optimismus. Dieser Film ist damit ein nahezu zeitloses Schauspiel der Liebe.



8.0 / 10

Autor: Hoffman

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