Mittwoch, 25. März 2015

Unter der Stille - Kritik: Foxcatcher (2014)

Immer wieder kommt ein Film daher, der sehr ruhig erscheint, unter dessen stiller Oberfläche es aber brodelt. Die Konflikte der Figuren lassen die Oberfläche erzittern, beben, erschaudern. So weiß der Zuschauer mit Bestimmtheit: Diese Spannungen werden sich in einer Katastrophe entladen. In Bennett Millers "Foxcatcher" sind es eben diese schlechten Vorzeichen, die die zurückgenommene Darstellung unterlaufen und aus denen ein nahezu exzellentes Drama entwächst. Erzählt wird die wahre Geschichte der Brüder Mark (Channing Tatum) und David Schultz (Mark Ruffalo), die als professionelle Ringer bereits einige Titel ihr Eigen nennen, jedoch mitnichten somit großen Reichtum besitzen. Hat der deutlich ältere David bereits ein eigenes Reihenhaus samt Frau und Nachwuchs, fristet Mark ein eher tristes Dasein in seiner abgedunkelten Junggesellenwohnung. Schon hier wird deutlich, dass der Ringsport nicht die angemessene Entlohnung erhält oder auch Bedeutung trägt, die er auf so hohem Niveau eigentlich verdient. Dann erhält Mark einen Anruf vom zwielichtigen Millionär John du Pont, der plant, eine Ringermannschaft für die anstehende Weltmeisterschaft  und Olympia zu trainieren. Eine solche einmalige Chance sollte sich keiner entgehen lassen, deshalb fliegt Mark direkt nach Pennsylvania zum Anwesen der du Pont-Familie. Sein Bruder lehnt das unausschlagbare Angebot indes mit Verweis auf seine Familie ab. Mark aber wird schon bald das wichtigste Mitglied im Team "Foxcatcher" und ist zudem sehr erfolgreich. Das Verhältnis des ungleichen Paars Schultz und du Pont bekommt tiefe Risse, als der schwerreiche Choleriker es doch noch schafft, dass der überlegene Bruder dazu stößt. Nun klafft eine gewaltige Kluft zwischen den Beteiligten auf, die sich nicht mehr kitten lässt.



"Foxcatcher" ist zwar bei der 87. Oscarverleihung bedacht, jedoch nicht ausgezeichnet worden - im Gegensatz zu den 8 für den Hauptpreis nominierten Filmen, unter denen jeder mindestens einen (Trost-)Preis in einer mehr oder weniger relevanten Kategorie erhielt. Diese Vernachlässigung ist sehr schade, denn gerade der The Office-Darsteller Steve Carell, der eigentlich auf komödiantische Rollen festgelegt scheint,  überzeugt als verkommener Millionärssohn sowie selbsternannter Ornithologe, Philatelist und Philanthrop [sic!],   mit einer sehr markant gebogenen Nase und spürbarem Mutterkomplex. Während diese ihre Trophäen mit gezähmten Pferden verdient, verachtet ihr Sohn dieses Hobby ausdrücklich ("Horses are stupid. Horses eat and shit. That's all they do. It's very silly. It's all very silly."). Eine Geringschätzung, die auf Gegenseitigkeit beruht, denn Mutter du Pont hält ihrerseits nicht viel vom niederen physischen Sport des Ringens, sodass sich die Reaktion ihres Sohnemanns eher als trotziger Versuch lesen lässt, ihr ebenbürtig zu sein. Das luxuriöse Anwesen der du Ponts steht ganz in tiefer Faszination der Ahnen und der Schlacht, die einst auf dem Gelände stattfand. Ein depressiver Ort, der von den Geistern der Vorfahren heimgesucht wird und ständig in Nebel gehüllt ist. Das Stimmungsbild des Film wird durch die herbstliche bis winterliche Tristesse verstärkt. Wobei die anfangs gute (angedeutet homoerotische) Beziehung zwischen Ringer und Millionär diesen kargen Zustand durchbricht. Es ist eine Freundschaft, die gar nicht bis in alle Ewigkeit gut gehen kann und die nicht völlig von den Launen des reichen Gönners abhängt. Schon bevor beide Brüder im Team Foxcatcher abermals aufeinandertreffen, scheint Mark etwas zu quälen. Er steht im Schatten seines Bruders, aus den er nicht heraus kann. Ironischerweise findet das Brüdergespann eher wieder zueinander und bringt den sogar eifersüchtigen du Pont gegen sich auf. "Foxcatcher" ist kein braves Biopic, sondern nimmt sich einige Freiheiten (die Mutter ist schon vor der Entstehung des Ringerteams gestorben) und ist auch nicht an braver Nachstellung der Ereignisse interessiert. Es ist aber auch kein Sportfilm, der eine Karriere mit Höhen und Tiefen verfolgt. Es ist ein bitteres, kluges Drama, bisweilen sogar mit komischen Untertönen, dass die Psyche des Figurengefüges erforscht und darin ist Millers drittes Werk schlichtweg umwerfend.

                                                                  7 / 10
Autor: DeDavid

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