Mittwoch, 31. August 2016

Der Film mit dem fliegenden Baby - Kritik: Ricky - Wunder geschehen (2009)


An Francois Ozons »Ricky« da scheiden sich die Geister. Sein Werk ist ein Film jenseits von Gut und Böse. Was ist das, was Ozon hier gedreht hat? Ist es vielleicht ein ambitioniertes Experiment? Da haben wir zunächst einmal eine alleinerziehende Mutter, Katie, die mit ihrer kleinen Tochter, die bereits zur Schule geht, in einem Plattenbau in einer Wohnung lebt und in einer Fabrik arbeitet. Ozons Film beginnt trist. Er ist in der nüchternen bis ernüchternden Realität verankert, man könnte meinen, man wäre in einem Film der Dardenne-Brüder (auch wenn dieser Vergleich mittlerweile abgegriffen ist, so passt er hierbei doch wie die Faust aufs Auge), während die musikalische Untermalung bereits ganz andere Töne anschlägt, und schon etwas magisches heraufzubeschwören scheint. Ozon beobachtet aber zunächst die soziale Realität seiner Figuren. Das hat Bodenhaftung. Und auch das zweite Kind ist für Katie nicht weit. Es gibt Toilettensex mit einem Arbeitskollegen, dem Spanier Paco, in den sie sich verliebt und der sich in sie verliebt. Ihre Tochter bekommt dafür weniger Aufmerksamkeit. Paco wird zu ihrem neuen Partner, jedoch weigert sich ihre Tochter Paco auch Papa zu nehmen. Und schon ist das zweite Kind da. Das neu geborene Baby trägt den Namen Ricky und ist ein kleiner, zumeist weinender, Schreihals. Das geht alles sehr schnell und wird hastig hintereinanderweg abgearbeitet, sodass die Schwangerschaft als Beispiel gleich mal übersprungen wird. Bald bemerkt seine Mutter, dass Ricky kleine Beulen und später zwei Blutergüsse auf dem Rücken hat. Die Schuld geht an den Vater Paco, der scheinbar gewalttätig gegen sein Kind geworden ist. Der verschwindet darauf.


Vieles was Ozon hier zeigt wirkt ausgelutscht, es wirkt so als würde er eine stereotypische Checkliste abarbeiten, bis zu dem Punkt, an dem er schließlich seine groteske Wendung dem Zuschauer präsentieren kann. Einem Moment, auf den er regelrecht zu warten scheint. Dem Baby wachsen nämlich kleine Flügelchen, mit denen es wie ein Grillhähnchen aussieht. Daraus entwickelt Ozon dann ein Arthousemärchen, das sich nicht so wirklich entscheiden kann, was es nun genau sein will, was es genau thematisieren will oder wie genau Ozon jetzt diese Geschichte erzählen will, denn auch wenn Ozon seinen Stoff nun leichter macht und immer mal wieder eine eher dezent gehaltene Ironie durchscheinen lässt, so bleibt sein Film doch überraschend ernst. Der Film ist komisch, in manchen Momenten unfreiwillig, wenn als Beispiel Ricky versucht zu fliegen und dann gegen ein Fenster knallt oder wenn man Ricky wie einen Drachen fliegen lässt. Man kann nie wirklich sagen, wie nun das Verhältnis zwischen dem Gewollten und dem Ungewollten ist. Wenn der Film versucht aber dramatisch zu sein, dann ist das eindeutig kaum ernst zu nehmen, zu banal hat Ozon diese Geschichte konstruiert, das sind dann solche Momente, die sich auch nicht mit dem Etikett »Märchen« rechtfertigen lassen.



»Ricky« bietet eigentlich zumeist altbekannte Situationen (die Angst vor der Diskriminierung des Andersartigen; die drangsalierenden Kamerateams; die beschützende Mutter; Ärzte, die Tests an dem Kind durchführen wollen, ...), behandelt diese oberflächlich, bettet diese aber in ein originelles, wenn dabei auch fragliches Gewand ein. Ozons »Ricky« ist eigentlich ein naiver Film, bei dem er aber stets versucht streng und gewichtig zu bleiben (Stichwort: Der Selbstmordversuch), was sich bei dieser Geschichte als unvorteilhaft erweist. Das eine passt nicht zum anderem. Vielleicht erzählt Ozon ja auch nur die Geschichte einer Familie, die durch ein kleines Wunder zusammenwächst (auch wenn mir der Unterschied zwischen vorher und nachher nicht ganz ersichtlich wird). Das ist nett gedacht, aber bei mir blieb da am Ende nur ein großes Fragezeichen übrig.

5.0 / 10

Autor. Hoffman 

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