Samstag, 26. November 2011

Kritik: Eyes Wide Shut




Ein letztes Mal Kubrick. Ein letztes Mal nahezu filmische Perfektion beobachten, ein letztes Mal dem Meister huldigen. Ein letztes Mal Stanley Kubrick. Noch einmal den Mann erleben, der mich mit seinen Werken von Anfang an meiner Leidenschaft für das Medium Film begeisterte, der Mann, den ich wohl als meinen ersten Lieblingsregisseur betitelt hätte. Und nun begeistert in sich aufgenommen, sein (leider) letztes Werk "Eyes Wide Shut" aus dem Jahre 1999 nach Arthur Schnitzlers "Traumnovelle". Dieser Film vielleicht einer der zwiespältig aufgenommensten Werke Kubricks.

Von Kubrick interessant gehandhabt, die Handlung von Schnitzlers "Traumnovelle" in die Gegenwart verlegt bzw. in die späten 90er Jahre, eine Geschichte um menschliche Lüste bzw. Gelüste, deren Abgründe, die sich immer tiefer und tiefer in den Menschen widerspiegeln lassen, eine Reise in unheimliche Welten und Orte, eine Reise in das Verschlossene, in die tiefe der Nacht, gefüllt mit menschlichen Probleme, Ehekrisen, die absolute Darlegung der Gefühle, hart wie eine Selbstzerfleischung: Für den Arzt Bill Harford bricht seine ganze Welt zusammen, als ihm seine Frau, unter Drogeneinfluss, gesteht, dass sie ihn mit sexuelle Phantasien betrügt. Er am Boden zerstört, seine Ego so gut wie nicht mehr existent, gepeinigt und innerlich niedergeschlagen flieht er in die kalte Nacht, hinein in eine andere Welt, in die Welt der Verlockung, der Gelüste, der wilden Orgien. Eine Reise in eine ihm unbekannte und verbotene Welt...

Dazu engagierte Kubrick gleich ein passendes Ehepaar für die Rollen, denn wer könnte sonst ein intimeres Verhältnis aufbauen als dieses? Wer könnte so liebevolle, so zärtlich zueinander sein und besonders wer könnte diese Intimität besser wiedergeben? Schwer zu beantworten all diese Fragen, das sicherlich, meine Antwort darauf so gut wie niemand. So hielt er Ausschau nach einem schauspielerischen Ehepaar, zunächst noch im Gespräch Alec Baldwin und Kim Basinger, letztendlich aber das Gespann Tom Cruise und Nicole Kidman als William bzw. Bill und Alice. Cruise zeigt erneut sein grandioses Spiel und weiß in der Rolle des "Suchenden" und "Reisenden (auf die Nacht bezogen) zu glänzen, glaubwürdig bringt er die Facetten seiner Rolle rüber und so auch seine Hilflosigkeit in dieser Nacht, wie er immer tiefer in den Garten des Verbotenen eintaucht, gepeinigt und erfüllt von Angst. Und auch Kidman kann als Ehefrau in der Hinsicht überzeugen, durch ihre intensive Darlegung ihres Charakters. Besonders hervorzuheben seien dabei die gemeinsamen Szenen, die wie gesagt, an Intensität und Glaubwürdigkeit meiner Meinung nach kaum zu toppen sind, eine perfekte Chemie bzw. ein perfektes Zusammenspiel des Paares. In Nebenrollen wissen aber mindestens genauso gut zu glänzen einmal Syndey Pollack (überraschend einprägend seine Leistung) oder auch Sky du Mont. So gesagt als kleine, feine Verzierung des Werkes.

Und ja auch Kubrick zeigt sich Bestform, jedenfalls meiner Meinung nach, immerhin arbeitete bzw.beschäftigte er sich geschätzte 30 Jahre mit seinem Traum der Umsetzung von Schnitzlers "Traumnovelle", dabei dauerte der Dreh auch ungefähr 17-18 Monate. Alles für die vollkommene Perfektion, seinerseits.  Kubrick eckt wieder auf hohem Niveau an, spielt mit den menschlichen Ängsten seiner Protagonisten, ein faszinierendes Unterfangen, enthüllt uns so fast eine fremde, unbekannte "Welt" (Lieblingswort hierbei), voller sexueller Ausschweifungen und Anonymität. Hierbei vereint er geschickt wie auch gekonnt verschiedene Elemente des Surrealismus, so verwischen schnell die Grenzen von Traum bzw. Albtraum, Realität und Wirklichkeit und purer Vorstellung. Wie ein einziger Moment, besteht die Bedrohung, doch welche Bedrohung? Was Kubrick hier wieder beginnt ist eine lange Odyssee der Extraklasse, für mich über die vollständige Laufzeit packend wie auch faszinierend.
Perfekt eingefangen wird diese so genannte "Odyssee" von einer geradezu famos geführten Kamera, durchaus kühl beleuchtet, aber von ihrer Ausstrahlung her absolut berauschend wie auch betörend, die Bilder an sich fantastisch gefilmt, mit einem leicht unheilvollen und düsteren Touch, für mich nahezu perfekt, wieder einmal. Hier stechen für mich die Orgien-Sequenzen hervor, die nochmal besonders deutlich die Stärke des Surrealismus im Film zeigen und auf mich eine unglaubliche Fesselungen bzw. Faszination ausübten. Prachtvoll, prächtig, einfach großartig. Und sogar fast schon atemberaubend und natürlich ausgestattet mit einer brillanten und intensiven/unheimlichen/mysteriösen/ beklemmenden und somit auch verstörenden Atmosphäre, vermittelt durch eine erotisch und irgendwie beunruhigende bzw. gleichzeitig auch ruhigen Grundstimmung, zusätzlich mit kleinen Kameratricks angereichert, zur Darstellung der eigenen Orientierungslosigkeit der Protagonisten wie auch so versucht auf den Zuschauer zu übertragen, bei mir funktionierte dieses Prinzip in jedem Fall.

Des weiteren beherbergt das Werk auch noch fein gemachte Figuren, die hier interessant beleuchtet werden, von abgründig bis faszinierend (mitunter könnte man auf das Wort den ganzen Film projizieren), alles dabei. Dennoch insofern bleiben doch die Hintergründe der verschiedenen Nebencharaktere im Dunkeln, sodass man seine eigenen Schlüsse ziehen muss, über ihr Verhalten und ihre wahre Gestalt, hinter ihren "Masken". Dabei wird natürlich auf das Eheleben von William und Alice eingegangen, die zunächst nicht den Mut aufbringen können, dem Gegenüber, alles zu enthüllen. Präzise wird die Psychologie analysiert, wie gesagt interessant gehandhabt und spannend wie auch tragisch zu beobachten ihre innere Seelenqual. Ein Geheimnis, das die Wahrheit zeigt.
Zudem möchte ich auch nochmal in aller Deutlichkeit (wie sich das anhört) die hervorragende musikalische Untermalung loben, passend und mysteriös bzw. seltsam-faszinierend eingesetzt und an sich für mich (tolle Wortwahl meinerseits) absolut perfekt zu den Geschehnissen. Einfach famos.

Letztendlich möchte ich dann nur sagen, dass "Eyes Wide Shut" für einige vielleicht einer der schwächsten Kubrick sein kann, eine müde "Altmännerphantasie", von mir aus. Ich halte ihn hingegen für ein würdiges, letztes Werk von Kubrick, für mich von seiner Machart her absolut berauschend und genial, somit auch ein irgendwie herausragender Abschied vom großen Kubrick. Und ich danke ihm für seine großen Filme.



9 / 10

Autor: Hoffman

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