O: Take Shelter, USA 2011 R: Jeff Nichols mit Michael Shannon, Jessica Chastain, Tova Stewart, Katy Mixon und Shea Whigham |
Dem Kommenden wissend entgegenzurudern, ist der Traum mancher; Unheil verhindern, Vorkehrungen rechtzeitig treffen, das Richtige zum richtigen Zeitpunkt tun. Curtis LaForche (Michael Shannon) versucht genau das, aber für ihn ist offenbarer Nutzen längst tyrannisierendem Schmerz gewichen. Immer wieder plagen ihn Alpträume eines drohenden, sich nicht lichtenden Sturmes. Blitze erleuchten die Nacht, Donner grollt über die Felder seiner Heimat, unerklärliche Phänomene der Gewalt wüten durch seinen Kopf und transferieren ihren machtvollen Sog fortan auf sein Leben. Curtis ist sich sicher, dass sich diese Bestialität der Natur wie ein alles betäubender Schleier über den Fortbestand des Bestehenden legen wird. In seiner innerlichen Verzweiflung und der Angst sich gegenüber seiner Frau Samantha (Jessica Chastain) und anderen Menschen zu öffnen, greift er zu seiner letzt geglaubten Alternative, sich und seine Liebenden vor der nahenden Verdammung zu bewahren; er beschließt den in seinem Garten gelegenen Sturmschutzbunker auszubauen und ihn darauf vorzubereiten, was ihm jede Nacht in seinen Träumen wiederfährt.
Dabei ist Curtis keine primitive Figur. Er ist Mensch. Durch fühlbare Emotionalität – die zudem auf vollkommen unterschiedlichen Ebenen umherschweift – suggeriert Take Shelter dem Publikum, dass durch visuell ergreifende, aber allen voran schauspielerisch brillante Szenen eine beinahe vollkommen harmonische Gefühlsentwicklung zu den Charakteren entstehen kann. Jeff Nichols‘ Film ist keine psychische Analyse eines verzweifelten Mannes, er steht für das Wesentliche im Leben: die Liebe, die Familie & die Unnachgiebigkeit für deren Schutz. Nichols beantwortet mit seiner zweiten Regiearbeit nicht die Frage, ob Curtis schizophren ist, sondern fragt, inwieweit Schizophrenie von den ins uns herrschenden Ängsten abzugrenzen ist. Die unsere Ansicht ist in dem Fall diese, die dem Film ein Gesicht und schließlich ein Ende verschafft. Es ist schwer auszumachen, in welche Richtung Take Shelter sich dem Zuschauer nähert; besonders kooperativ ist er nicht, aber auch alles andere als abweisend. Dies ist ganz bestimmt kein leicht verdauliches Werk, mit Sicherheit auch kein einfaches, aber ein unwahrscheinlich vielschichtiges – und das entschuldigt gar gelegentliche Längen. Anders als der Film in seinem familiären Zusammenhalt besteht, könnte er nicht bestehen, liegt ihm ein ernsthaftes Interesse daran, schablonisierten Wesen den Rücken zuzukehren. Und das gelingt ihm. Seine Logik zu den Personen, die man besser nicht nachvollziehen könnte – und das gilt selbst für unbedeutendere Figuren wie Curtis‘ Freund Dewart (Shea Whigham) – ist phänomenal – kaum seltener konnte man charakterliche Umschwünge besser verstehen oder hinterfragen. Take Shelter ist ein Exempel für innere Geschlossenheit.
„You think I'm crazy? Well, listen up, there's a storm coming like nothing you've ever seen, and not a one of you is prepared for it!“ |
Michael
Shannon, der oftmals unwahrscheinlich schwierige und komplexe Figuren mimt,
bietet Curtis aber letztlich mit seiner starken Performance eines an sich
selbst zweifelnden, jedoch unbändig entschlossenen Mannes eine Ausstrahlung,
die nicht nur brav zum Drehbuch passt, sondern auch noch sentimentale Werte zu
uns verstärkt. Shannon entzieht seiner Figur systematischen Denkweisen, bewahrt
Seele und Verstand aber dennoch aufrecht; denn Curtis ist bewusst, dass ihn
andere für verrückt halten und genau daran droht er zu zerbrechen. Es hätte
wohl keine bessere Besetzung LaForches geben können, dafür ist Shannons Aura zu
sehr auf derartige Rollentypen ausgelegt, als das ihm da irgendwer etwas hätte
vormachen können.
Und dann wären wir wohl auch an dem Punkt angekommen, an welchem viele den Film an sich haben zerbrechen lassen. Denn Take Shelter ist kein Katastrophenfilm, kein Psycho-Thriller und auch kein Horrorfilm – vielleicht ist er ein klein bisschen spannend und hat die Grundbeigaben eines psychologischen Thrills, sicherlich nimmt er sich diesen aber nie vollkommen an. Statt all das zu sein, ist er schlussendlich nicht mehr als die tiefgreifende Intimität des Alltäglichen, sehr langsam, ruhig, aber später unausweichlich intensiv erzählt; eine Erinnerung an das, was es bedeutet, vollkommen isoliert zu sein und ein hoffnungsvoller Aufruf, Stärke und Zusammenhalt unserer sozialen Bündnisse zu wahren.
8.5 / 10
Autor: Iso
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