Freitag, 31. Oktober 2014

Ein Horrorfilm für Halloween - Kritik: Poltergeist (1982)



Wie viel Tobe Hooper steckt eigentlich in »Poltergeist«? Sicherlich genug, um sagen zu können, dass es ein Tobe Hooper Film ist. Mehr als ersichtlich ist aber auch Spielbergs Einfluss, der als Produzent fungierte und für den Final Cut verantwortlich war, auf das Endprodukt. Die Schnittmenge der Beiden lässt sich wohl bei einem Punkt der Ausgangsgeschichte festmachen: Der Familie. Wenngleich Hooper eher Filme gegen die Familie drehte (man ziehe hierfür einfach mal »The Texas Chainsaw Massacre« zurate), ist Spielberg dafür bekannt Filme für die Familie zu machen. Und natürlich zeigt sich auch gerade bei den Figuren der Kinder, dass Spielberg an diesem Film beteiligt war, denn die Beziehung zwischen Eltern und Kindern ist ein starkes Band und wird anfangs sogar mit viel Einfühlungsvermögen für die Ängste der Kinder geschildert. Und eben diese Ängste und Einbildungen macht man letztlich hier ebenso gut greifbar. Man schaut diesen Film wieder durch die Augen eines Kindes. Die Einbildungen werden zu realen und wahren Gespenstern und existieren nicht mehr nur in der Imagination eines Kindes (wie der schaurige Baum oder der furchterregend grinsende Clown am anderen Ende des Zimmers). Und es ist auch die jüngste Tochter, die verschwindet, das schwächste Glied in der Familie, weshalb das für die Familie ebenso gut eine Belastungsprobe darstellt. Die Familie muss solidarisch bleiben. An solchen Stellen lässt sich wohl am deutlichsten Spielbergs Handschrift erkennen.



Doch auch jene von Tobe Hooper lässt sich noch unterschwellig herauslesen, wenn man genauer hinschaut, denn so lässt sich ein faszinierender Detailreichtum entdecken. Und selbstredend ist Hoopers Film zunächst einmal eine Satire auf diese amerikanische Vorstadtidylle. Der Normalbürger beziehungsweise diese perfekte amerikanische Familie wird mit dem Übernatürlichen konfrontiert. Es ist überaus ironisch, dass das Erste, was hier ertönt die amerikanische Nationalhymne ist und darauf Bilder im Fernsehen folgen, die das Hissen der amerikanischen Flagge auf Iwo Jima zeigen. Das ist also ein durch und durch amerikanischer Film. Kurz darauf setzt dann das Übernatürliche ein. Der Bildschirm flackert und rauscht und die Geister nehmen Kontakt auf. Denselben Aufbau verwendet übrigens Hooper noch ein zweites Mal. Das ist typisch für ihn. Es ist so, als wolle er hier wieder mit einem amerikanischen Mythos abrechnen. Hierbei geht es ihm natürlich mehr oder weniger unterschwellig um den amerikanischen Gründungsmythos. Denn es ist hier schließlich die Vergangenheit, welche die Amerikaner (= Familie; die für die Verwirklichung des amerikanischen Traums steht) einholt. Sie lässt ihnen keine Ruhe und verfolgt sie. Sie zerstören das Land, welches nicht ihnen gehört, sie nehmen es sich ohne Skrupel, um es zu besiedeln und um mit ihm zu wirtschaften und daraus Profit zu schlagen. Hier ist es die Schändung der Toten, was natürlich metaphorisch die Vertreibung und Unterwerfung der nordamerikanischen Indianer meint. Nach dieser ersten Geistererscheinung baut Hooper natürlich erstmal seine Vorstadtidylle auf, zeigt eine heile Welt, die stimmungsvoll von Jerry Goldsmith untermalt wird, in der Kinder Schabernack treiben, Männer gemeinsam Bier trinken und American Football vor dem Fernseher schauen.



Und auch weiterhin sind viele interessante Details zu entdecken, die eher auf Hooper denn auf Spielberg schließen lassen: Der Vater liest ein Buch über Ronald Reagan oder eine Szene, in der Carol Anne den flackernden Fernseher betrachtet, die Mutter das sieht und darauf antwortet: »Du verdirbst dir noch die Augen!«, worauf sie dann gleich von dem Flackern zu einem brutalen Kriegsfilm schaltet. Aber mal ganz davon abgesehen, wem dieser Film nun zu gerechnet werden kann, ist »Poltergeist« natürlich auch so eine vergnügliche, effektvolle und augenzwinkernde Grusel-Achterbahnfahrt mit herausragenden Trickeffekten, auf die einen Hooper und Spielberg mitnehmen, in der Mädchen mit Fernsehern sprechen, von dem sie Stimmen aus der Zwischenwelt vernehmen (Fernseher werden also zu Portalen) oder sich zunächst harmlose Ereignisse häufen, wie etwa, dass sich Gabeln verbiegen und Stühle sich von allein bewegen und stapeln, bevor Hooper das Ganze dann immer weiter steigern lässt: Bäume werden zu gefährlichen Eindringlingen, die Kinder verschlucken wollen und Kinderzimmerkleiderschränke leuchten weiß, werden zu Portalen und entwickeln eine gefährlich-anziehende Wirkung. Daneben hält Hooper aber auch inne, weiß meisterhaft und gewandt das Unheimliche zu erzeugen. Er lässt geisterhafte Gestalten erscheinen oder Kontakt aufnehmen zur Zwischenwelt - letztlich wird sogar ein drolliges Medium um Hilfe gebeten. Im Finale treibt es Hooper dann aber zur Spitze: Es wird an Decke umher gelaufen (oder viel eher gepurzelt?), Skelette liegen im Pool, Clowns werden mordlustig, Gräber entsteigen dem Boden. Hooper treibt es so weit, bis nichts mehr davon übrig ist. Und was lernen wir daraus? Fernseher bringen nur Unglück!



8.0 / 10

Autor: Hoffman 

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