Donnerstag, 29. Januar 2015

Das Märchen von drei Jungen in einer schroffen Wirklichkeit - Kritik: Kleine Riesen - Les géants (2011)





Wirklich konkret einordnen, lässt sich der Film »Les géants« von Bouli Lanners nur schwerlich, einerseits ließe er sich am besten als Coming-of-Age-Film beschreiben, der sich zwischen den Zeilen als eine Art eigenwilliger, da durchaus skurril angehauchter, Märchenfilm zu erkennen gibt, aber dem Zuschauer eine schroffe Realität zeigt, die aber wiederum auch etwas Absurdes an sich hat, sofern es die Erwachsenen betrifft, die diese Welt bevölkern. Der Film mag dadurch sonderlich erscheinen, ist in diesem Sinne aber auch charmant. Es geht um drei Jugendliche, die zusammenfinden und zusammenhalten: Zwei Brüder, Zak und Seth, die beim Haus ihres verstorbenen Großvaters in den Ferien von ihrer Mutter abgeladen wurden, sich von ihr verlassen fühlen und nun auf sich gestellt sind und ein Junge aus der Gegend, Dany. Überhaupt scheinen diese Jungen verlassen worden zu sein von ihren Eltern. Sie wissen nichts zu tun und begeben sich auf eine abenteuerliche Reise durch diese stille und abgeschiedene Landschaft, die Landstraßen, Felder, Seen und mystisch angehauchte Wälder bereithält. Die realistischen Bilder dominiert damit das Naturelle.



Dabei ist der Blick Lanners auf seine jugendlichen Protagonisten feinfühlig. Sie sind keinesfalls unschuldige Engelchen. Sie werden gern vulgär, rauchen Gras, trinken Alkohol, entwenden die Waffe des Großvaters, um auf Enten zu zielen (wohlgemerkt: nicht zu schießen), bis sie bemerken, dass die Patronen nicht echt sind, pissen auf einem gestohlenen Boot gegen den Wind in einen See, stehlen aus dem Keller des Nachbarn Nahrung, weil sie pleite sind oder brechen in das Ferienhaus von fremden Leuten ein, von denen sie meinen, dass sie es diesen Sommer nicht mehr besuchen würden. Sie müssen aber auch einfallsreich sein, wenn sie es schaffen das Auto des Großvaters wieder zum laufen zu bringen. Ihr Umgang miteinander ist durchaus verspielt, sie sind frech, treiben Blödsinn, so färben sie sich die Haare blond (»Ihr seht aus wie die drei Schweinchen!«) und lassen sich trotz aller Widrigkeiten nicht unterkriegen in dieser Welt, in der sie eigentlich Verlorene sind.



Denn da ist auf der anderen Seite immer noch diese düstere Realität, in der es finstere Gestalten gibt, wie Danys älterer Bruder, der mit seinem schwarzen Haar und seinem animalischen Auftreten wie ein Wolf wirkt, dessen Augen Wahnsinn ausstrahlen und der seinen Bruder verprügelt, der sich aber schon längst daran gewöhnt hat. Weiterhin müssen sich die Jugendlichen mit einem Drogendealer, der wie ein Ungeheuer aussieht, und dessen reservierten Assistentin, die mit ihrer langen Nase einer Hexe ähnelt, einlassen, um an Geld zu kommen. Die Welt der Erwachsenen ist dahingehend erbarmungslos, sie werden vertrieben und mit wenig abgespeist. Sie müssen sich alleine durchschlagen. Unterstützung erhalten sie nur von einer Mutter, die wie aus dem Nichts auftaucht wie eine gute Fee und ihrer behinderten Tochter, bei der sie aber wissen, dass sie dort nicht bleiben können, um sie nicht in Gefahr zu bringen. Am Ende dieses Films, das noch lange nicht das Ende der Odyssee der Jungen bedeutet, vielleicht sogar ganz im Gegenteil erst den Anfang, wissen sie, dass sie selbstständig werden müssen und Verantwortung übernehmen müssen. Mit anderen Worten bedeutet das: Sie müssen erwachsen werden.


7.0 / 10

Autor: Hoffman 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen