Mittwoch, 19. Juli 2017

The Lawless Nineties (1936) & King of the Pecos (1936)


Bei den in den Kanon aufgenommenen Filmen handelt es sich um sogenannte Ausnahmefilme, Filme die angeblich aus der Masse herausstechen ob ihrer Qualität, und damit ihrer Komplexität, ihres Humanismus` und so fort (wie man eben Qualität definieren will). Sie sind die Ausnahme in Bezug auf die sie umrundenden Filme, was oft damit einhergeht, dass sie ihre Mitstreiter widerlegen, negieren, einen anderen, „einmaligen“ Sichtwinkel wiedergeben. Ihre Qualität erhalten sie zuweilen erst dadurch; besonders im Hollywoodsystem, dazu getrimmt, all seine Hervorbringungen mit einheitlich perfektem Handwerk auszustatten, um der breiten Masse einen point of least resistance zu bieten, wird „gut“ synchron zu „anders“ oder „entgegenlaufend“; Filme die sich hervortun einerseits in der Technik, durch Konfigurierungen oder Zuspitzungen des Handwerks, wie das die Auteurs, Welles, Fuller, Preminger, Minnelli, Lang, gepflegt haben, andererseits und dadurch bedingt oder es bedingend, in der Thematik und den Ideen.

Was, wenn wir nur noch diese Ausnahmefilme kennen? Klar ist, dass wir die Ausnahme dann nicht als solche begreifen und all diese Filme zu einem neuen eklektizistischen Standard heranwachsen. Ohne Kenntnis der Filme, zu denen sich diese berühmteren Filme abgrenzen, geht ein Grossteil unseres Verständnisses ersterer verloren; Tugend und Unsinn davon und eben der wandelnde Begriff des „Verständnis“ gehört in eine andere Diskussion. Aber gerade im Westerngenre (wobei Genre nach Tag Gallagher nicht existiert) beschränkt sich unsere Kenntnis zumeist auf Ausnahmefilme; ein anderes Wort dafür im Kontext des Westerns: Anti-Western, und Anti-Anti-Western. Diese existieren seit… Peckinpah? Oder nicht eigentlich schon früher, Anthony Mann, Fregonese (Apache Drums, 1951), Fuller (I Shot Jesse James, 1949), Wellmann (The Ox-Bow-Incident, 1943), oder noch früher, bei John Ford (Stagecoach, 1939, der Ausnahmewestern in einem Jahr prall gefüllt mit für damals ausser-ordentlichen Western wie Dodge City, Jesse James, Destry Rides Again). Dabei kann man nach Belieben immer weiter zurückschauen, bis zu den allerersten Filmen.

The Lawless Nineties und King oft the Pecos, beide von 1936, beide von Regisseur und Citizen John Kane und mit John Wayne als heldenhaften Hauptdarsteller, sind zwei knapp einstündige „Run-of-the-mill-Western“, also Western, die gewissermassen den Grundstein gelegt haben (wenn wir die extrem zahlreichen frühen Western der 10er Jahre und die eher Seltener der 20er ausser Acht lassen) für dessen darauffolgende Abgrenzung davon und Entwicklung hin zu Komplexität sowohl innerhalb der Figuren (wobei eigentlich nur des Helden) als auch ausserhalb ihrer. Soweit das vorherrschende Narrativ.

In beiden Filmen geht es um einen Konflikt, der nur durch Hilfe von aussen gelöst werden kann. Unterdrückte Bürger lassen sich einschüchtern, und sind unfähig, der repressiven Gewalt etwas entgegenzuhalten (und deshalb ist der Western Hollywoods politischstes Kino). Diese anti-demokratischen Gauner, quasi-Diktatoren: in Nineties ist es eine Bande von Gangstern unter dem Kommando eines als der Society for Law and Order vorstehenden Mannes, die eine demokratische Abstimmung über die Zugehörigkeit Wyomings zum Staat verhindern wollen; in Pecos ein die Handlanger eines ruchlosen Geschäftsmannes (samt Anwalt), der grosse Stücke Land illegal an sich genommen hat und dessen Bewohner über den Tisch ziehen will. Die Hilfe kommt beide Male in Form eines Fremden. Im ersten Film spielt Wayne einen FBI-Agenten, der die demokratische Wahl gewährleisten muss (hier tun sich ungeahnte zeitgenössische Parallelen auf), im zweiten Film entpuppt sich der Fremde als eigentlich Einheimischer: Waynes Protagonist, Waisenkind dank den Machenschaften des Geschäftsmannes (ein emblematisches, vielsagendes Bild für Amerika, 1936, wie man das in unbesungenen Filmen so oft findet) hat seine Kindheit und Jugend bei einem fernen Onkel verbracht, sich zum Anwalt ausgebildet und kehrt jetzt zurück. Dass der Konflikt nicht von innen gelöst werden kann, entwirft kein gutes Bild dieser Gesellschaft (siehe auch Stagecoachs Schlusswort: "...saved from the blessings of civilization!“). Einheimische müssen sich von der Gesellschaft entfremden, um den Ihren helfen zu können, um Ordnung zu restaurieren. Government Men Lead Citizen to Victory: die Gesellschaft muss geführt werden; Unterordnung folgt Unterordnung; und dass dabei Gut und Böse nicht soweit auseinanderliegen müssen, wie dies hier (re-)präsentiert wird, resp. die Führungsmacht leicht ausgenützt werden kann, mag klar sein.

Autor: Cameron

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