Mittwoch, 24. August 2016

Agatha Christie trifft auf Jacques Demy - Kritik: 8 Frauen (2002)


Wenn man »8 Frauen« so sieht, dann könnte man beinahe auf den Gedanken kommen, dass Francois Ozon ein verlorener Sohn Jacques Demys wäre, denn unverkennbar steht »8 Frauen« in seiner Tradition. Es ist ein in prächtige Farben und Dekors getauchtes und schwungvolles Musical, das von seinem Frauen-Ensemble (Ozon fährt damit große Namen des französischen Kinos auf: Catherine Deneuve neben Fanny Ardant oder Danielle Darrieux neben Isabelle Huppert) geführt wird, eine Familie und ihre Angestellte, die zu Weihnachten in einem Landhaus aufeinandertreffen, eingeschneit und damit abgeschnitten von der Welt. Der einzige Mann, ein Vater, Bruder und Ehemann ist in seinem Bett ermordet worden. Sein Gesicht tritt nie in Erscheinung und trotzdem hängt seine Gestalt, im Grunde die des großen Unbekannten, über diesem ganzen Szenario, das damit auch zwangsweise entfernt an Fassbinders (der schließlich auch eines der Idole Ozons ist) »Die bitteren Tränen der Petra von Kant« erinnert. 


Ozons Film ist ein burleskes und glamourös ausgeschmücktes Kriminalstück, eine schrille Groteske, ein verspieltes Rätsel, das Ozon mit solch einer Spielfreude einfädelt, das es schlichtweg fabulös ist. Wer ist der Mörder? Ein Mann oder etwa eine der Frauen? Misstrauen und Zwistigkeiten werden ausgebreitet unter den Frauen. Ozons Werk ist ein elegant inszeniertes, wortgewandtes und immer dabei auch charmantes Kammerspiel, ein freches und überspitztes Durcheinander, bei dem es flott hin- und hergeht. Ozon wirft die Figuren hintereinander in den Film, lässt sie auf- und abtreten. Sein Film ist auch eine Show. Er bietet seinen Darstellerinnen eine Bühne, auf der sie sich austoben dürfen und schenkt jeder seiner Leinwand-Heroinen eine illustre Musiknummer, die Ozon einfach in die Geschichte springen lässt. Es ist natürlich auch die Stilisierung, die augenzwinkernde Melodramatik (bei der sich Ozon sowieso auf große Melodramen-Regisseure wie Fassbinder oder Sirk beruft) und die schöne Künstlichkeit, die das Werk beherbergt, die den Film ausmachen. 


Seine Figuren, das sind dabei Charaktere wie eine bigotte Großmutter (Danielle Darrieux), die es sich im Rollstuhl gemütlich gemacht hat, aber eigentlich laufen kann oder eine pedantische und frigide Tante (Isabelle Huppert), die nie zu schlafen scheint, aber heimlich Liebesromane verschlingt und deren Liebe schlicht als Hass missverstanden wird. Es sind Wahrheiten und Lügen, die aufgedeckt werden oder aufgedeckt werden müssen. Jede Figur birgt ein Geheimnis und hinter diesem Geheimnis entdeckt Ozon auch verletzliche Figuren. In »8 Frauen« geht es damit eigentlich um Gefühle, um Liebe und Verlogenheit. Ozons Film ist wie eine Blume, die erstrahlt. Einmal ist er ein vergnüglicher Schlagabtausch seiner Darstellerinnen, ein Werk, das voller Turbulenzen steckt, das aber am Ende auch zu einem wehmütigen Schlussakkord ansetzt.




8.0 / 10

Autor: Hoffman 

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