Donnerstag, 15. März 2012

Kritik: "Hostel 3"

Qualitativ durften "Hostel" und "Hostel 2" nicht unbedingt euphorische Lobpreisungen einfahren. Nichtsdestotrotz war Eli Roth's Foltersport erheblich mitverantwortlich dafür, den Torture Porn für den Mainstream salonfähig zu machen. Eigentlich erstaunlich, dass es dieser immense Vorreiter eines ganzen Subgenres bisher auf nur ein Sequel schaffte. Aber auch die härteste Schlachtplatte muss sich den kommerziellen Gesetzen Hollywoods beugen. Nach einigen Ruhejahren nun der dritte Teil, jedoch ohne Kinostart und im Nachhinein: Wen wunderts? 

Den Personalwechsel im Stab registriert man sofort. Doch wo die erste gelungene Szene noch Mut macht, da dämmert es bald darauf dumpf im Hinterkopf: Das wird mies. Jegliche Freude über den garnicht mal blöden Stereotypenauflöser wird spätestens dann verdängt, wenn die hochpotente Mann-schaft in voller Blüte in Sin City aka Las Vegas beisammen hockt und verbale Rohrkrepierer über weibliche Anatomie und Ehe vom Stapel lässt. Schon in der Konstellation der dummdreisten Junggesellen zeichnet sich ab, dass aus smartem Klischeespielen äußerst nerviges Klischeewiederkäuen wird. Roth zeigte sich noch von "American Pie" beeinflusst, unter Spiegel's Fuchtel sind die Hauptprotagonisten um die 40, ganz gemäß des Zeitgeistes (Da hätten sie zwischendurch auch gleich "I got a HANGOVER" singen können). Vier debile Unsympathen vertreten Schubladendenken auf platteste Weise. Ein witzereißendes, abstoßendes Dickerchen. Ein bemitleidenswerter Gehandicapter mit Dackelblick. Ein "vernünftiger" Verlobter (moralisch korrekt, ergo er schläft NICHT mit einer der anwesenden Schlampen, sauber, und damit im kleingeistigen Horizont des Regisseurs wohl automatisch mit "Hier ist unsere Identifikationfigur" konnotiert). Ein arroganter, selbstverliebter Aufreißer mit ekelhaften Pseudocharme. Gespielt wird das mit einer bahnbrechenden Schlechtigkeit, dass man gepflegt reihern möchte. 

Überhaupt war mir nach einer feuchtfröhlichen halben Stunde schon speiübel, weil sämtliche -vermutlich sollten sie erregend wirken- Stripperinnenärsche von Vegas zum dissonanten Rhytmus einer ganz billig-willigen Kamera eingefangen wurden, die bei mir ein mittelschweres Schädeltrauma auslöste. Nach dieser unzumutbaren Menge an (halbnackten) Peinlichkeiten und einigen Aspirin wirds sage und schreibe noch schlimmer. Wie schon die Vorgänger konzipiert, schließt an das postpubertäre, hormongeschwängerte Gejohle, Gesaufe und Kollektivgebumse die blutige Metzgerei an. Gerade da variiert Spiegel, möchte neue Akzente setzen, was er mit einer lachhaften Inszenierung und saudoofen Plotfortführung direkt in den Sand setzt. 

Kommen wir also zu Deutschlands Export: Thomas Kretschmann. Steile Karriere, wenn man bedenkt, dass er unter Peter Jackson dienen durfte und jetzt halt im B-Movie, im "MOST TERRIFYING FRANCHISE". Und wie befürchtet wird sein Part so nichtig wie die restlichen Theaterauftritte aus der Baumschule. Da ist es fast nachvollziehbar, dass er lieber seinen Zinken zwischen die Möpse einer namenlosen Statistin drückt, anstatt fünf nichtssagenden Zeilen runterzubeten. Immerhin versucht er mit Mimik zu retten, was es zu retten gibt und das ist wie zu erwarten äußerst wenig bis garnichts. Kretschmann schmeißt also mit Anzug und Krawatte dafür ohne Profil den Schuppen (d.h. ein abgelegenes Fabrikgebäude) für Perverse und Schwerreiche, die sich Menschenleben ersteigern. Große Innovation: Die Oberschicht legt nicht mehr selbst Hand an der unglücklichen Ware, sondern schaut lieber aus bequemen Abstand in flauschigen Sesseln zu, wie die Opfer maträtiert werden und versucht vorherzusagen, wie die Versuchskaninchen um ihr Leben betteln. Das mag zwar eher der Mentalität Amerikas entsprechen, sich die Hände nicht selbst schmutzig zu machen und ist von daher vielleicht auch realitätsnäher, aber: Gerade dadurch, dass sich die "Käufer" in ihren Stühlen flenzen und die Drecksarbeit von einem Chirurgen vollstreckt wird (völlig zwanghaft wird ab und an die grinsende Visage eines Zuschauers gehalten, um mit Biegen und Brechen zu sagen: "Seht mich an, ich bin so krank!"), wird hier Distanz geschaffen. Das hat nichts mit erschreckender Klinik und Methodik zu tun, sondern nur mit substanzloser Berieselung. 

Im Prinzip weiß Scott Spiegel nämlich überhaupt nicht, wen er hier eigentlich bedienen will. Für ein Franchise, dass seinen Kult auf origineller Verstümmelung baut, wird das Meucheln so uninteressant und so 08/15 abgenudelt, dass man zwischendurch Gefahr läuft einzuschlafen. Bisschen Bohrmaschine warmlaufen lassen, aber spätestens bei der nigelnagelneuen, blitzblanken Elektrokettensäge, fragt man sich gähnend, was der Film jetzt eigentlich will. Das ist kein Folterporno, das ist kein Terror, das ist kein Horror, das ist heiße Luft und ansonsten Mist. Gestorben wird inflationär, aber das ruft keinerlei Reaktion hervor, zumal in konventionellster Art fotografiert und praktiziert. Das Suchen nach ironischen Untertönen gibt man bald auf, Spiegel nimmt sich bierernst. Ganz frappierend sticht der Auftritt einer im Sci-Fiction-Avatar-Stil verkleideten Frau heraus, die ihr gefesseltes Opfer mit einer Armbrust (!) bearbeitet. Das hat irgendwo groteske Züge, verstört aber nicht. In seiner ganzen Ästhetik möchte Spiegel wohl einen bizarr-mysteriösen Mix aus Ritusgothik und Moderne hinpinseln, der aber komplett versagt. Und das ist eben auch der Grund, weshalb Eli Roths Original besser ist. Denn mit dem dreckigem Setdesign der unwirtlichen osteuropäischen Kulisse erzielte er eine gewisse Ungemütlichkeit, die hier total fehlt.

Perfekt ist Spiegel indes nur in der Kunst, ein oberflächlichstes Drehbuch mit einem Füllhorn an unwahrscheinlich blöden Wendungen zu schreiben, dass es schon wieder erstaunt. Konversation wird freilich auf dem unprätentiösen Niveau einer "Fuck-Dick-Cunt"-Orgie betrieben, sodass die seltenen Fälle von System- und Wertekritik untergehen: "When it comes to pussy, I have no friends."
Kein Goethe und auch kein Rilke, aber eines der wenigen ehrlichen Statements: Auf die langjährigste Beziehung wird gespuckt, wenn es um den Schwanz geht. Das hätte man in der Schwarzmalerei durchaus noch akzeptiert, wenn es nicht so affig dargestellt würde. Auch das bitterböse Ende, das hier von Einigen bejubelt wurde, sehe ich als völlig sinnfrei an: Jeder kann im Nullkommanix zum brutalen Schlächter werden, super. Da ich mir ja nicht nachsagen lassen will, ich sei nicht objektiv, vergebe ich einen halben Punkt für die erwähnte Anfangsszene, ein bis zwei nett gemeinte Denkanstößchen und Chris Coy als jungenhaften Lockvogel, den einzig wirklich guten Mann auf dem Platz. Spiegel erntet auf einem Feld, wo kein Niveau mehr wächst und dementsprechend ist der Film kolossal verbockt. 


0.5 / 10

Autor: seven

1 Kommentar: