Mittwoch, 21. November 2012

Die verstummten Gesichter des digitalen Zeitalters - Kritik: Pulse




»Ich habe ein Gesicht gesehen. Ein schreckliches Gesicht. Ich habe noch nie so ein grässliches gesehen.« - »Was soll das heißen? Wo hast du das gesehen?« - »Im verbotenen Raum...« - Vorneweg sollte ich ansprechen, dass mein Interesse an diesem Stück J-Horror wohl auch größtenteils darin bestand, hierbei wieder die Legitimierung des Original/Remakes auf die Waage zu werfen. Soll heißen: Das Remake heuchelte das Interesse. Nebenher: Einziger Grund dieses zu sehen: Die zeitweilige, geringe Arbeit von Wes Craven am Drehbuch. Allenfalls eine spürbare Brechung, wie man sie gewohnt ist von Craven in der Filmdramaturgie. Mehr nicht. Wobei dies in Anbetracht der thematischen Auseinandersetzung auf Metaebene vielleicht sogar auf Cravens Territorium Platz gefunden hätte. Doch so ist es das Original von Kiyoshi Kurosawa, das dessen gerecht wird - überraschenderweise. Zweifelsfrei von Hideo Nakatas »Ringu« inspiriert, zeigt sich Kurosawas »Pulse« von 2001 als pessimistischer Blick auf Welt und Zukunft der Menschheit.




So basieren hierbei Kurosawas Horrortendenzen weniger auf der expliziten Ausübung von Schrecken als dem subtilen und schleichendem Grauen ins Auge zu sehen. Durch motivischen Einsatz von Schein und Sein. Fast schon mit dystopischer Energie suggeriert man hierbei Unruhe. Gesichter bleiben verhüllt und das Farbenspiel nimmt Gestalt an zwischen greller Tristesse und tiefer Finsternis, allein das Spiel von Licht und Schatten scheint expressionistisch geprägt. Bewunderswert bleibt: Die Individualität. Unkonventionell wie auch teils überraschend in seiner obskuren Dramaturgie, sichtlich muss der Zuscher entscheiden, ob er dies positiv oder negativ nehmen möchte. Experimentell variiert man Motive der sterilen Welt. Der Computer als reflexionistische Ursache der Einsamkeit.


Die Technologisierung als Finsternis. Der Fortschritt als Rückschritt der Kommunikation. Ein wiederholendes Motiv bildet Bild im Bild und im Bildschirm. Insofern wäre das ja Potenzial für Craven gewesen. Dabei scheint sich Kurosawa aber auch stets an den Ebenen anderer J-Horror-Werke zu orientieren, wie denen von Nakata. Nimmt sich thematische Aktualität mit dem Internet und referiert das Videoband-Motiv von Nakata auf den kalten Bildschirm eines Computers. Die Manipulation. Atmosphärisch im besten Sinne befremdlich. Die Intensität keinesfalls zu leugnen. Nur ungewohnt.

Für Kurosawas Film ist seine größte Stärke - nämlich eine Reflexion einer isolierten, kalten Welt - gleichzeitig auch sein größter Angriffspunkt, wenn wir es schematich auf den Horror beziehen. Es wird klar: Die Kamera distanziert sich von seinen Protagonisten. Protagonisten? Auf Identifikation wird verzichtet. Linear verläuft hier eh nichts. Zumeist sie nur leere Hüllen. Desinteressiert in ihrer Interaktion. Nahezu antriebslos. Hier stimmt irgendwas nicht. Eine Veränderung im Klima. Der Dialog dazu oberflächlich. Der Zuschauer soll beobachten. Die Entwicklung sehen. Das entbehrt sich jeder Konvention des Gewöhnlichen im Genre. Der Zuschauer als Außenstehender. Das Bild kühlt sich ab.




Die Handlung kommt des öfteren behäbig voran und doch scheint sich Kurosawa dem stets bewusst zu sein. Bewusst dirigiert er den Verlauf gemächlich und ungewöhnlich in seiner schleichenden Dramaturgie des Grusels. Sucht in seiner tiefen Absurdität danach, zugleich zeichnet sich diese aber auch durch einen gewisser Schauer aus und dringt nah an den Zuschauer - die Gedanken sollten dabei äußerst gewogen zu diesem Werk stehen. Es ist eine andere Art von Angst: Existenzängste und Einsamkeit wie auch die Realistik der räumlichen Modifikation. So fern und doch so nah. Der Reiz und der Tod. Es entwickelt sich ein Zyklus aus Schein und Sein. Und zwischendrin? Das Mysterium. Legenden. Geister! Und Seelen. Die eigentliche Erwartungshaltung wird verdreht. Geister hingegen als Reflexionen. Worin bestimmt sich das Grauen also? Aus dem Unbekannten. Aus dem Befremdlichen. Aus dem Unlösbaren. Ein faszinierender Gedanke, auch hier: Das Motiv der ewigen Einsamkeit. Einen so interessanten Film hatte man beileibe meinerseits nicht erwartet und doch auch keinen so seltsamen. Wenngleich mich der Gedanke dabei auch nicht losließ, dass Kurosawas Film in dieser Hinsicht überambitioniert ist, sodass im besonderen das gelüftete Mysterium eher das Ideal fantasievoll zerschlägt. Und doch konnte ich nicht vom fassbinderischen Gedanken lassen: Der Welt am Draht. Merkwürdig. Täuschend mit Tonverzerrung und klingenden Stimmsignalen. Die Akustik nimmt einen weiteren bedeutenden Rang ein, um die Illusion selbst zu verdeutlichen und die Schatten zu  stärken. Abschließend präsentiert man dies unaufdringlich, vielleicht wieder viel zu sehr. Die soll einer verstehen. Zumindest das: Die apokalptische Zukunft als Alternative für Glück. Absurd? Wahrscheinlich versteht dieses gesamte und weitläufige Konstrukt des Films nur sein Regisseur Kiyosho Kurosawa persönlich, wenn überhaupt. - würde ich zumindest schätzen.




6.0 / 10



Autor: Hoffman

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