Freitag, 22. März 2013

Jung, ambitioniert und ... prätentiös - Kritik: Herzensbrecher (2010)




Was mich einst bei Xavier Dolans Debütfilm »I killed my mother« störte war, dass er neben seiner doch ausgefeilten Erzählung immer wieder auf prätentiöse Weise versuchte, irgendwie eine gewisse Ästhetik zu erzeugen, die rein thematisch mir aber abwegig erschien und daher simpel gesehen als unpassend. Anders als das Debüt des jungen Kanadiers, ist nun sein zweites Werk »Herzenbrecher« aus dem Jahre 2010. Zusammengefasst eigentlich sogar der zeitweilige Gegenentwurf seines alles in allem ausgewogenen Erstlings. Doch »Herzensbrecher« ist anders, radikal anders: Nun aus- und abschweifender. Noch exzentrischer, noch versessener, noch besessener, noch experimenteller und am einbrennendsten:  Noch prätentiöser! Und trotz allem macht das Dolans Film hierbei in erster Linie nicht zur erwarteten Abscheulichkeit der Egomanie. Wobei das Wort »abscheulich« eine vorsichtige Einsetzung in Dolans Werken verlangt.




So steht man nun selbst im Kernkonflikt und überlegt anbei: Die Berauschung, schließt nicht Unerträglichkeit aus. Die Oberflächlichkeit aber auch nicht die Schönheit, wenn sie nicht noch umso deutlicher betont wird. Dolan bombardiert einen  förmlich mit seiner (immer noch prätentiösen) Ästhetik und doch liegt darin auch eine gewisse, vielleicht unterbewusste, Faszination für mich. Es ist im Grunde der Gegeneffekt von »I Killed my Mother«, wie gesagt wo jener in kleinen Dosen diesen ausschweifen Stil präsentierte, tut Dolan hierbei dies nahezu durchweg. Darauf folgt eine Sensibilisierung für hochtrabenden Stil (wobei das subjektiv zu deuten ist) und die Anpassung dieses an die Thematik, eine Einigung aus Bild und Kernpunkten des Films. Es ist prätentiös, aber in dieser erdrückenden Form wieder irgendwie wundervoll und glanzvoll, wie es strahlt und glitzert. Thematisch widmet sich Dolan einen archetypischen Prinzip, bereitet dies aber durchaus in frischer Verpackung und Variation einer Dreiecksbeziehung auf, zwischen dem Mann als Objekt der Begierde zwischen Frau und (homosexuellen) Mann. Ist mir zumindest in solcher Form nirgendwo anders begegnet. Anderswo seie erwähnt, dass Dolan somit (scheinbar) aber auch ein »Milieu« (= formal formuliert für Studie einer zeitlichen Generation) beleuchtet, das Hipstermilieu (bei galanteren Ausdruck bitte melden) - und alles was dazu gehört. Zu denen sich Dolan sich schließlich auch zählen darf - der wirkte übrigens nicht nur als Regisseur, Drehbuchautor und Akteur mit, sondern durfte auch Ausstatter spielen.


Die Frage wäre: Kann dies als Milieu angesehen werden? Da ich mit dieser Antwort verzweifle, signalisieren wir: Ja. Mit James Dean und Audrey Hepburn als große Ikonen, welche befremdliche Vorstellung. Geschlussfolgert werden darf daraus: Der prätentiöse Teil mag nämlich nicht jenes großes Problem des Films sein, sondern vielmehr was er zwangsweise vorraussetzt und bei Dolan auch eintrittt: Style over Substance, wobei dies Dolan wiederum kleinweg ironisch abstuft. Dolan Ziel scheint also die Oberflächenbeleuchtung zu sein, das heißt er erzeugt keine Tiefe, sondern zeichnet nur Oberflächen ab und reflektiert diese auf seine Protagonisten und damit sie und ihre Arroganz. Rechtfertigt sich dadurch also Dolans Prinzip seiner Stilführung? Noch nicht ganz, wenn ich zudem eine ungeheure Anitpathie für jenen Hipsterstyle oder jenes Milieu, die Szene oder sonstiges hege. Demnach glänzt die Hochstilisierung der Äußerlichkeiten, verherrlicht Dolan den Modewahn und projiziert hingegen überhaupt keine inneren Werte. Eine Gesellschaft, die nur von äußeren Schein trügt - denkt man - doch Dolan macht sich nicht mal die Mühe mit dieser Oberflächlichkeit sorgfältig abzurechnen. Damit verkommt seine extravaganter Stil aber auch zum Selbstzweck (ja dieses schlimme Wort), was nicht verwundert, wenn man bedenkt, dass er seinen Film fast schon besessen mit seiner Ästhetik überreizt, um somit eine gewisse Elegie und Sinnlichkeit in seine Bilder zu stopfen und seinem Werk infolgedessen Mehrwert zu geben. Die Orientierung wird zur Selbstgefälligkeit, ja solche Nachwirkungen können bei prätentiösen Filmen eintreten.

Wenn ich hier aber mal wieder so die Bilder betrachte, möchte ich einfach nur nach Hilfe schreien...


Dennoch irgendwie schimmert dann aber eine bestimmte Spielfreude durch, mit Stil und verspielten, frechen Konstrukt mit kindlicher Naivität präsentiert er die Figuren gegenüber der Liebe und entwickelt dadurch Charme. Das erinnert sofort an Pedro Almodóvar und an dessen inszenatorische Leichtigkeit. Bei Dolan zerfällt diese Leichtigkeit aber eher zur Leere. Da sein Konflikt der Liebe zwischen in der Dreiecksgeschichte, eben nur ein Konstrukt ist, in manchen Szenen geschildert und nie wirklich tiefgehend studiert. Dazu fungieren ziemlich aus dem Handlungskontext gebrochene Interviewsequenzen nur als gewollte Brüche und dienen wahrscheinlich auch nur um die fehlende Handlung über alle Maßen zu kaschieren. Über die Zeitlupen, die mich schon in »I Killed my Mother« belästigten, könnte man selbiges sagen, wenigstens hat hier das dann etwas collagenhaftes. Zusammengenommen führt das zu einer negativen Sicht auf das Werk von meiner Seite aus, jedoch stehe ich da im Konflikt mit meinen zwei aufeinander treffenden Persönlichkeiten. Der eine der sich (wie immer) auf die Reflexion beruft und somit Dolans Werk nahezu unantastbar macht, dadurch, dass eben seine Umsetzung so getreu seiner Intention ist (wenn vielleicht auch unfreiwillig). Oder ist gerade der Fehler des Werkes, die Eitelkeit der Schönheit widerzuspiegeln? Dass die äußere Schönheit gleichauf eine Manipulation der Gefühle voraussetzt? Keiner der beiden, verliebten Protagonisten zeigt innere Gefühle zu ihrem Begehrten? Nur sind sie betört von dessen engelshafter Gestalt. Somit könnte man auch meinen Dolan hinterfrage die Liebe selbst und die Eigentümlichkeit und Widersprüchlichkeit des Begriffes. Wahre Liebe? Oder ist es nur die Schwärmerei des Aussehens? Zugleich ließe sich dies vereinfacht, aber wie beschrieben, alles viel zu leicht entmachten in seiner trotz alledem thematischen Oberflächlichkeit. So trifft dieses Prinzip genauso gut auf seinen eigenen Film zu, samt Style und Stil gegen Inhalt und Tiefgang. Spektakulär ist er, irgendwie. Ob nun gewollt oder nicht gewollt, eine eindeutige Antwort will ich auch hier nicht finden. Komischer Film. Jetzt versteh ich mich selbst nicht mehr.



5.5 / 10

Autor: Hoffman

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