Donnerstag, 14. März 2013

Jung, ambitioniert und trotzig - Kritik: I Killed My Mother (2009)






»Wenn meine Mutter und ich Fremde wären, würden wir uns verstehen.« - Ein reißerischer Titel, wie man meinen könnte, der die Erwartungshaltung des Zuschauers in Anbetracht der Story in Bahnen der Eskalation lenkt, wenngleich doch Xavier Dolans »I killed my Mother« aus dem Jahre 2009 wohl doch eher (im Vergleich zum Titel) auf nüchternden Pfaden wandelt, was wenig überrascht, wenn man sich bewusst ist, dass Xavier Dolans Drehbuch autobiografische Züge trägt. So entmachtet sich die reißerische Erwartungshaltung, meine seltsame Erwartung. Vielleicht sogar besser so - da bei aller Freundschaft zu diesem Motiv - die gewaltsame Eskalation der Konflikte zu unmodern wäre. Was in Hinsicht von Xavier Dolan und seines Stils (ich unterlasse an dieser Stelle spitzfindige Sticheleien) sich kaum gefügt hätte. Aber Dolan ist halt noch ein fleißiger, kleiner Handwerker, der hierbei sowohl die Palette von Akteur, Regisseur, Drehbuchautor und Produzent abdeckt - und das im Alter von knapp 19 Jahren! Imposant oder vielleicht ist der junge Herr auch einfach nur überambitioniert? Als Alternative biete ich noch größenwahnsinnig an. Aber das wäre zu viel des Lobes.






Doch zusammengenommen macht er ja das alles gar nicht so schlecht. Im Kernpunkt thematisiert Dolan dabei den Konflikt zwischen Mutter und Sohn (himself: Xavier Dolan) und deren gegenseitige Hass-Liebe zueinander - wobei diese größtenteils vom 16 Jährigen Hubert ausgeht - Einordnung: Coming of Age. Fast humorvoll-angespitzt scheinen die ersten Streitereien der Beiden (im Auto), zwischen genervten Trotz und Widerspruch, fast amüsant - für einen so gestörten, alten Analytikergeist wie meinen - wobei daraus auch Authenzität resultiert. Zunächst scheint dies als bösartige, konfliktreiche, bittere Reflexionen von menschlichen Reibungsflächen anzumuten, die sich im Laufe ihrer Geschichte steigern wird, bei Dolan und seiner Erzählweise aber zugleich verbunden ist mit Ruhe, wenngleich das jetzt im Gegensatz zur These des Streites steht. Demgegenüber sind die Aggressionen, die Wut und Konflikte (so scheint es zumindest) Folgerungen - ganz archetypisch - aus Pubertät und den Hormonen vom Jungen ausgehend. Und das gefällt mir beim jungen Dolan so, er inszeniert sich (wie auch seinen Charakter) zwar mit narzisstischer Energie, lässt aber auch andere Perspektive offen darlegen, dass die Figuren sich gegenüber gleichberechtigt sind und die Gegenstellung der Charaktere durchaus plausibel sein mag.


Auch wenn er seinen Charakter auch etwas bevorteilt, was ich dennoch als logische Konsequenz der autobiografischen Anteile sehe. Daraus profitiert der Kampf zwischen alt und jung. Generationen, die aufeinanderprallen und es wird hinterfragt, ob problembelastete Situationen oberflächlicher Natur der Pubertät sind oder doch tiefgehender? Auch wenn der Hintergrund des Teenagers wohlgemerkt auch den archetypischen Motiven der einfachen Psychologie der Pubertät folgt, er will Freiheit, eigene Individualität und ja er will doch Verantwortung übernehmen. Sich von der alten Generation losreißen und sein Glück (was schließlich auch verbunden wäre mit der Distanz zur Mutter) suchen auf eigene Faust. Vielleicht etwas reißerisch formuliert - zunächst will er nur eine eigene Wohnung als 16 Jähriger. Die Mutter verweigert, trotz Zuspruch! Als Rebellion droht, wird zum Internat gegriffen. Disziplin seie gefragt. Dabei macht Dolan seine Sache gar nicht so schlecht, erzählt durchdacht wie auch ruhig fokussiert - mit dem stetigen Aufbruch der inneren Ruhe seiner überlegten Charaktere durch Streit und der Konflikt von der Hass-Liebe, zweiteres als überschwängliches Gefühl, ersteres als bittere Enttäuschung. Mutter und Sohn reden aneinander vorbei. Finden keine - also nicht die eine, gleiche Frequenz. Zwei Planeten, die drohen zu kollidieren beim Aufeinandertreffen. Und irgendwie - ich weiß gar nicht wie - aber irgendwie schafft es Dolan das lebensecht wirken zu lassen.

Was wiederum entgegen seiner Machart oder vielmehr seiner ästhetischen Spielereien steht. Mit seinen speziell eingesetzten, kurzen Schwarz-Weiß-Bildersequenzen, die das Geheimnis schnürren und die Gedanken (gedankt sei der Videokamera) von Hubert enthüllen. Vereint mit Nah- und Detailaufnahmen und dann die prätentiösen Zeitlupen, die hätte es nicht gebraucht. Die Kamera bündig auf die Protagonisten fixiert und konzentriert. Close-Up! Zwischendrin experimentiert man aber auch mit Handkamera. Ergänzt wird dann mit feiner, musikalischer Untermalung um den Schwung der Bilder zu unterstreichen. Dennoch wirkte Dolans Film auf mich gar mit technischen Stilmitteln überladen und viele dieser scheinen gerade, da er sich hier selbst inszeniert, auch zum Selbstzweck zu verkommen. Gerade weil er sich selbst in solch konzentrierter Form filmt, es ist die Art wie er sich mit diesem Stil in Szene setzt - was für ein Klischee - hinterlässt einen selbstgefälligen Beigeschmack meinerseits, zutreffend auch auf die malerische, eher überladene denn betörende Liebesszene.



Was mir hingegen sehr mundet, dass die Homosexualität des Protagonisten nicht als Problemthematik aufgegriffen wird, - das wäre zu klischeehaft -, sondern lediglich als Verallgemeinerung für das Vertrauen der Beziehung steht, deshalb sieht Huberts Mutter dies nicht als Schwierigkeit an, als sie es erfährt, hingegen mehr, dass sie es von einer Fremden erfährt und sich so ihrer Distanz ihres Sohnes zu ihr bewusst wird. Und sogar surrealistisch, hochstilisierte und schillernde Sequenzen hat er zu bieten. Schick, wenngleich genauso hochtrabend wie faszinierend. Im Grunde könnte man dieses Prinzip auch unentwegt auf Dolans Film übertragen, zwischen archetypischer Themenbewältigung gekleidet in inszenatorischer frischer, die sich genauso interessant wie an manchen Stellen großspurig-selbstverliebt gestaltet. Immerhin passend zu seinen jugendlichen Protagonisten ist das, obzwar irgendwie inkompatibel mit seiner einfühlsamen Erzählung. Irgendwie schmeckt mir das ästhetisch zur sehr nach stylischer, selbstgefälliger Moderne (das Unwort schreibe ich mal nicht in komplettierter Form), doch macht das Dolans Film sehr eigen und zugleich ist das für einen 19 Jährigen eine beeindruckende Arbeit. Ein schwieriges Thema. Einfach gesagt: Irgendwie mag den Film dann trotzdem. Irgendwie.




6.5 / 10

Autor: Hoffman

4 Kommentare:

  1. Ist die "Qualität" eurer Screeenshots eigentlich ein Stilmittel? :)

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    1. Selbstredend. Das unterstreicht die Natürlichkeit der Produktion (= des Kommentares), insofern ist alles ein Stilmittel um den Inhalten näherzukommen. Hier sieht man noch echte Handarbeit hinter solchen Bildern oder die ehrliche Imperfektion des Bildes.

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  2. Ich mag Xavier Dolan sehr und ich finde nicht, dass seine künstlerischen Inszenierungen ein Contrapunkt sein sollten, auch wenn sie sich nun mal durch den ganzen Film ziehen. Das ist seine Art, er tut das, wonach ihm ist, und möchte sich ausleben. Das hat nichts mit Selbstgefälligkeit zu tun. Er steht zu seinem Film und mir persönlich ist sowas irre wichtig-
    Und es ist auch kein Bewertungskriterium, dass er diesen Stil schon mit 19 hat, man sollte eher anerkennen, dass er ihn schon so frei ausleben darf und sich derartig etabliert hat in der Filmszene. DAS ist beeindruckend. Man muss Menschen nicht auf ihr Alter reduzieren und ich finde es ein bisschen sinnlos, dass Sie von Anfang an davon ausgehen, dass er es falsch macht, weil er 19 ist, und dann immer wieder sagen "Das macht der Bub' ja gar nicht so schlecht". Die eher mittelmäßige Bewertung erschließt sich mir dann auch nicht aus der Kritik. Er kriegt 3,5 Minuspunkte, weil sie die Ästethik zu übertrieben und "selbstnützig" finden?
    Ich finde es viel schlimmer, wenn ein Arthouse-Regiesseur bewusst Kassenschlager produziert (vertretbar - irgendwie muss ja Kohle für den nächsten Indie-Streifen gescheffelt werden - aber nicht schön). Und wenn es nur Stephen Spielbergs geben würde, die dauernd einen großen, soliden Film mit bekannten Schauspielern für die breite Masse machen, würde es in den Kinos ziemlich arm aussehen. Ich finde SPIELBERG selbstgefällig, verdammt nochmal :D

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    1. Das ist natürlich in erster Linie Geschmackssache, ob einem einem dieser »Stil« zu sagt oder nicht. Ich sehe das zwiespältig. Da diese künstliche und meiner Meinung nach teils zugekitschte Inszenierung dem Film einen gewissen Grat seiner Natürlichkeit raubt und so das Einfühlungsvermögen in den Hauptcharakter folglich erschwert, was eigentlich für die Geschichte von besonderem Belang sein müsste. Im gewissen Maße finde ich diese ästhetischen Spielereien demnach ansprechend, aber teils empfand ich sie eben auch als unnötig, sodass das für mich zeitweise doch schon etwas selbstzweckhaft roch. Auch wie sich Dolan selbst inszeniert. Das war mir dann zu viel des Guten. Die Bewertung setzt sich eigentlich aus verschiedenen Faktoren zusammen, auch da ich nicht jedem Film, der für mich makellos ist, gleich 9 oder 10 Punkte verpassen würde: Neben dieser »ästhetischen Umsetzung« spielt für mich auch noch dieses recht archetypische Prinzip des Erwachenswerdens (mag es auch autobiografisch sein) eine Rolle, wobei das Dolan dann doch noch recht interessant verpackt. Ich hätte mir aber auch gewünscht, dass er noch etwas stärker hinter die Fassade seiner Charaktere blickt, sie sind zwar gleichberechtigt, Dolans Film ist aber mehr wie ein persönlicher Befreiungsschrei nach draußen. Ich finde ihn aber, wie gesagt, in dem Sinne interessant.

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