»Die Fotografie, das ist die Wahrheit und das Kino ist die Wahrheit 24 Mal pro Sekunde.« - In seinem zweiten Spielfilm »Le Petit Soldat«, welchen er bereits 1960 drehte und erst 3 Jahre später von der Regierung freigegeben wurde, wegen seinem politischen Kontext, tauscht Godard nun Lebensgefühl gegen Politik. Und erweitert zugleich seine eigene Idee mit dem direkten Anschluss an seinen Vorgänger, auch hier klärt Godard die Verhältnismäßigkeiten, denn schon recht zu Beginn fallen die altbekannten Worte: »Sie sind zum Kotzen!« - ein schönes Selbstzitat. Bis er dann endlich zu den politischen Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken gelangt - mitten im Algerienkrieg, ausgetragen im neutralen Genf und dazwischen der desertierte Fotograf Bruno (Michel Subor), der im Auftrage der französischen OAS als Agent ein Attentat auf einen algerienunterstützenden Journalisten ausführen soll. Doch der verliebt sich lieber in die schöne Veronica (Anna Karina). Godard hat also eine feste Handlung! Auch wenn diese etwas unkoordiniert wirken mag. Damit erweitert Godard hier also auch das Motiv der Liebe und Liebenden, mit Wechselstellung in der abschließenden Positionierung von Einsamkeit und Entscheidung. Raoul Coutard darf wieder an die Kamera und auch noch über »die maximale Schweinerei« beim scharfen Schießen zitiert werden, was für ein toller Einschub.
Und Godard, der setzt sich wieder mit seinem Protagonist gleich und reflektiert sich oder präziser gesagt seine politische Stellungen, Haltungen und Überlegungen auf diesen, sogar seine Gedankengänge kriegt er - kurios! So erfolgt die Charakterisierung Brunos meist durch seine inneren Monologe und ausführlichen Gedanken aus dem Off und in der Rückblende, dies nutzt Godard durchaus clever, in dem er einige Handlungen und die äußerlichen Dialoge mit diesen Offkommentaren bereits vorwegnimmt. Sein Bruno ist ein Mann ohne Ideale, für die politischen Konflikte gänzlich uninteressiert und ein Godard scheinbar wütend, sodass er die Politik betrachtet, ohne sich dabei an einer Opposition festzumachen oder eine zu wählen, beurteilt er wertfrei den Kampf der beiden Parteien. Aber dieser Godard sucht sich auch noch selbst, wenngleich er sich schon gefunden hatte. Doktert stilistisch herum und übt sich in bewegten Bildern der Stadt in Verbindung mit Musik und Ton, hierbei auch gerade technisch zurückhaltender als in seinem Vorgänger, der seine Stilmittel auf eine faszinierende Weise fast überlastete.
Dagegen wirkt »Le petit Soldat« fast trist, dies verstärkt Coutards Kamera mit der zeitweiligen Distanz zum Geschehen. Freilich verzichtet auch hier Godard nicht auf Verweise zu Literatur, mit Buch, dem Gedicht von Aragon, der Musik samt Bach am Morgen und ansonsten Hayden, bei der Malerei die Herren Klee und Van Gogh, beim Schießen den geehrten Coutard und mittendrin das Kino höchst selbst. Sich spart er dabei nicht aus. Hoch und runter, hin und her, Godard kommt gar nicht mehr aus dem Zitieren heraus, lässt seinen Protagonisten alldieses und alljenes mit Kunst zum Überfluss assozieren. So fehlen auch hier die Details nicht, der Name Veronica Dreyer (Karina) ist als Anspielung auf den heiligen Carl Theodor Dreyer gedacht. Fantastisch! Und diese Dreyer mimt Karina auch einfach wunderbar. Eine weitere Anspielung ist jene, in der Bruno Veronica fragt, ob sie Dänin wäre? Im Film vereint sie, sie seie eine Russin. Aber sowohl Dreyer als auch Karina stammen aus Dänemark, so viel zum Hintergrund dazu. Geredet wird natürlich auch wieder unentwegt mit zahlreichen Ortswechseln, wenn nicht über Fotografie und Kunst, mit politischen Subtext und Hintergrund, die Politik nicht ohne ein Geflecht aus Intrigen, düsteren Machenschaften, Verrat, Folter, Freiheit, Liebe und dem Ende. Das Fazit bleibt am Anfang, mit der Zeit lernen mehr nachzudenken, denn zu handeln.
7.5 / 10
Autor: Hoffman
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