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Mittwoch, 11. März 2015

Er will doch nur spielen - Klassiker der Extraklasse: Die Außenseiterbande (1964)



Es wird wieder pulpig (nach amerikanischen Vorbild) im Godarduniversum, samt Ménage à trois (so wie sie Truffaut bereits hatte; doch auch für Godard ist es nicht das erste Mal, dass er eine solche erzählt). Den altbekannten Stoff bietet Godard frech, verspielt und vergleichsweise zugänglich an. Wie?! Welche Worte vernahm ich dort eben, ein »zugänglicher Godard«? Diese Konstellation ist möglich? Für wahr! Unglaublich möchte meinen, dass es so etwas gegeben hat und immer noch gibt (man hätte ja damit rechnen können, dass Godard ihn mittlerweile vernichtet haben könnte)! Und wie harmonisch, frei und doch einfach dazu die Bilder Coutards sind, vielleicht auch gerade deswegen, weil sie im widersprüchlich kargen Banlieue angelegt sind, ist absolut verblüffend. Auf ein neues wurde mir hier meine Faszination für diese Natürlichkeit der Bilder so bewusst. Umrahmt vom einen Erzähler schildert Godard also eine Dreiecksgeschichte über einen Überfall und einen Schrank voller Geld, welches das erhoffte Glück und die Freiheit bringen soll. Die wesentlichen Anhaltspunkte dafür sind demnach ein Haus am Fluss, ein romantisches junges Mädchen und ein Englischkurs, bei dem man über Tradition und Moderne spricht und Godard romantisch die Liebe zwischen Charakteren vermittelt, während im Hintergrund aus Shakespeares »Romeo & Julia« ungestüm gelesen wird.



Karina strahlt eine gewisse Schüchternheit als Odile aus, als wäre sie ein altmodisches Schulmädchen, gibt sich brav, zierlich und schaut unschuldig drein und das äußerst glaubwürdig. An sich wirken Godards Figuren wie Jugendliche, die noch nicht ganz mündig von ihrer Mentalität her scheinen, aber gewillt sind ihre Pläne (= den Raub aus Eifer) in die Tat umzusetzen. Passend und im Kontrast zu Karinas Charakter geben sich Frey (mit Hut!) und Brasseur oft draufgängerisch, manchmal fast gedankenlos bei ihren Possen. Godard lässt hier die Bilder sprechen, sie zeigen die Gefühle der Charaktere. Wohl dosiert sind so die Dialoge. Das ist ungewohnt zurückhaltend für Jean-Luc, aber charmant. So beherrschen Gags und Spielereien diesen Godard, so dient die oftmals eingängige musikalische Untermalung (natürlich) der Unterstützung der Stimmung, im Verhältnis von Einsatz und Abbruch wird dies recht klassisch von Godard verwendet. Mit der Zeit gibt sich Godard aber umso aufgeweckter, ändert bewusst die Positionierung der Figuren in Szenen und lässt sich die absolute Schweigeminute auf Kommando nicht nehmen, wahrscheinlich um ganz nebenbei etwas zu provozieren: »Das ist zum Kotzen langweilig!«, so die Worte von Freys Charakter auf diese Aktion, eine originelle Abwandlung des berühmten Zitates aus Godards Erstlings.



Ein flottes, durchchoreographiertes Tänzchen, das es in sich hat, will man da auch nicht missen, welches Godard zudem durch die Einschübe des Erzählers dabei ironisiert und die Figuren deutet. Aufgeweckt präsentiert er sich auch wenn er seine drei Protagonisten zum temporeichen Louvre-Besuch (in 9 Minuten und 43 Sekunden! Und hier bin ich mir sicher, dass es eine Bezugnahme auf Truffauts »Jules und Jim« ist) einlädt und Karinas Gesicht direkt zum Zuschauer gerichtet in der Großaufnahme filmt. Das weckt Emotionen, das weckt Euphorie. Was soll bei einem solchen Überfall somit noch schiefgehen? Der erste Versuch erfolgt maskiert mit Strümpfen. Wenn dann hält sie nur die Liebe auf, die sie spaltet und die Unbarmherzigkeit des Lebens, die sie dezimiert. Das Ende schippert dahin, die Fortsetzung (in Farbe) folgte bis dato dafür nicht. Vielleicht hat er sie vergessen oder gar verdrängt. Was solls, bei »Bande á part« will und darf ein Godard spielen. Später soll er diesen Streifen wiederum gehasst haben, vielleicht war es für ihn tatsächlich nur noch »billiger Schund«. Fragt sich nur wieso.



7.5 / 10


Autor: Hoffman 

Dienstag, 16. April 2013

Godard Retroperspektive #7 - Klassiker der Extraklasse: Made in U.S.A. (1966)





Beachtlich an Godards »Made in USA« aus dem Jahre 1966 ist erstmal, dass er diesen zeitgleich mit seinem anderem Film »Zwei oder drei Dinge, die ich von ihr weiß« drehte. Das darf man sich in etwa so vorstellen: Ein Tag, am Vormittag den einen, am Nachmittag den anderen und beide zeigen einen Godard in Höchstform. So stelle ich mir das vor. Aber das sei nur am Rande erwähnt und sei nicht der Fokus weiterer Worte. Denn die Frage ist wohl eher was Godard daraus macht. Einen Genrefilm! Und irgendwie auch eine Hommage an die Rolle Karinas in Godards Schaffen selbst, dies war die letzte Zusammenarbeit der Beiden. Hier kommt nun die Entwicklung und Emanzipation zu ihrem Abschluss, mit großen Schlussakkord natürlich. Der Film, der ganz Karina gehören soll - na gut, das stimmt nicht ganz, denn es ist auch eine Hommage an die großen des Kinos, an Sam(uel) Fuller und Nicholas Ray, die Godard den Respekt vor dem Ton lehrten. Ist das also ein amerikanischer Film? Ein Film über das amerikanische Kino, so viel sei gesagt. »Made in USA« lässt sich eigentlich als konsequente Weiterführung von Godards Quintessenz »Pierrot, le fou« lesen, hier knüpft das Motiv der Liebe auf der Flucht von der ersten Sekunde an das der Unmöglichkeit der Liebe an, denn der Geliebte ist tot.



Wie ein Dornröschen erwacht Karina in der ersten Szene - mit dem Buch auf der Brust, und will das Rätsel auf eigene Faust lösen, mit geladenen Revoler und einem stilechten Trenchcoat, so wie es sein sollte. Dabei ist besonders in dieser Hinsicht die Emanzipation Karinas interessant zu betrachten im Vergleich zu Godards »Alphaville«, wo einst Eddie Constantine ermittelte und Karina ihn unterstützte, übernimmt dies hier Karina sogar im Alleingang und oftmals sprechend in Metaphern. Auch erfolgt, wie es nun mal üblich war im Noir, die Stimme (der Protagonistin) aus dem Off, das nutzt Godard clever, in dem er somit seinem Film auch eine subjektive Färbung der Ereignisse durch seine Protagonistin erlaubt. Bestes Beispiel hierfür gibt der wiederkehrende Gestus zum Publikum.

Und schon tüffelt Godard wieder an seiner eigenwilligen Dramaturgie (oder zur Not auch Szenenverkettung). Was erzählt wird, wenn er das überhaupt tut, wenn er es nicht schon anders tut, ist das Wahrheit oder ist das Lüge? Die Fiktion besiegt die Realität. Dichtung und Wahrheit sind eins, aber was ist mit dem Film? Erneut beruft sich auch hier Godard auf Grauzonen der beiden Gegensätze. Ein weiterer Kontrast, der von Handlung (= der düstere Film noir) und Bild (= die bunte Farbenpracht Coutards). Es ist schon eine mysteriöse Geschichte. Eine, in der die Liebe auf der Suche ist, es wird gesucht und es wird ermittelt nach dem großen Worte der Wahrheit. Ein Geflecht aus Rätseln, Blut, irgendwas mit Walt Disney und den üblichen Zutaten des Genres wie Polizei, Gangstern, ja auch Kommunisten, um Links und Rechts und kriminelle Machenschaften. Sinniert wird über Sinn und Unsinn des Wortes selbst und die Stellung des Wortes im Satz. Dabei wechselt die Stellung im Werk auch des öfteren, mit Ton oder ohne Ton oder Godards Alternativen: Der klassischen Musik mit lieben Ludwig van und dem romantischen Schumann, der startende Jet, der Klang einer Schreibmaschine oder die Schüsse aus dem Nichts als Vertonung. Das ist eben ein typischer Experimentalton.



Alles scheint Einfluss auf Realität und Erdichtung zu nehmen, so kommt Protagonistin Paula Nelson aus Paris ( = der Wirklichkeit) nach Atlantic Cité (= die Illusion) - darin findet sich auch Godards kritische Beäugung der Amerikanisierung Frankreichs (= Europas), so verdeutlicht Godard dies auch durch zahlreiche amerikanische Produkte und Plakate, die in seinem Film präsent sind. Mit im Gepäck auf diesem Ausflug hat Godard selbstredend auch zahlreiche Verweise auf das amerikanische Kino, ja auch auf Krimi und Film noir. Wie ein Bogartfilm mit politischen Kontext und den knalligen Farben eines Disneyfilms, verziert mit Posen, Possen und vielen Konversationen in Bars, Werkstätten, oder Sportcentern, über Literatur, endlose Romane und dabei findet sogar (mal wieder) der Alfa Romeo seine kleine Erwähnung. Die verspielten Verweise auf das Medium, weitreichend von Widmark zu Don(ald) Siegel (Klein, aber fein: Jean-Pierre Leaud) sollte ich bereits erklärt haben. Wobei man sich hier auch wieder fragen darf, ob die negative Belegung von gewissen Regisseuren auch Godards Haltung zu ihnen ausdrückt? Aber auch politisch darf dieser Godard als Abrechnung gelesen werden, wenn Auftragsmörder Namen wie Nixon oder McNamara tragen und auf die Frage des Weshalbs nur antworten können, dass sie aus Spaß töten. Aber die Frage, hinter dem Film, nach der Sinngebung oder Logik wird wohl unbeantwortet bleiben müssen, denn eine wirkliche Auflösung scheint es nicht zu geben. Setzen wir diese aus, so findet man hier in Godards Werk doch einen äußerst poppigen Filmcomic vor, der zweifelsfrei Spaß am Kino bedeutet.



7.5 / 10

Autor: Hoffman  

Donnerstag, 4. April 2013

Godard Retroperspektive #5 - Klassiker der Extraklasse: Alphaville - Lemmy Caution gegen Alpha 60 (1965)




»Hat sich denn nie jemand in sie verliebt?« - »Verliebt? Was ist das?« - Ein weiteres Mal erweitert Jean-Luc Godard sein Gesamtwerk mit einem Film, der sich einem neuen Territorium des amerikanischen Films widmet. Damit ist Godards »Alphaville« eigentlich gar nicht so ungewöhnlich von der Prämisse, doch aber auf seine spezielle Art auch besonders hervorstechend in Godards früher Schaffensperiode. Man kann demnach »Alphaville« am besten betrachten als Godards Antwort auf die naiven, amerikanischen Science-Fiction-Filme (oder B-Movies) der 50er Jahre. Des weiteren zwingt sich der Vergleich mit dem Kollegen Truffaut nahezu auf, der ein Jahr später als Godard, im Jahre 1966, seine Bradbury Verfilmung »Fahrenheit 451« veröffentlichte. Der Kontrast zwischen den beiden Film ist technisch wie auch inhaltlich interessant. nur zweiteres ist hierbei von Relevanz. Während Truffaut eine Welt ohne Bücher aufzeichnete, ist es bei Godard eine Stadt (= für Welt) ohne Gefühle. Jede Gefühlsregung und jede Emotion ist ein schweres Verbrechen, die mit Hinrichtung bestraft wird. Somit greift Godard sein Lieblingsmotiv (= die Liebe) im innovativen Format auf. Das Motiv der Liebe erhält damit eine besondere Bedeutung.



Paris, schließlich auch die Stadt der Liebe, wird zur Parallelwelt. Aber es ist immer noch Paris. Das Paris der Gegenwart macht Godard zum »Alphaville« der Zukunft. Oder besser gesagt das Paris der Gegenwart ist das »Alphaville« der Zukunft. Was für eine Dystopie! Paris als unbarmherzige und herzlose Stadt, nicht durch Effekte, sondern durch Verfremdung bewirkt, mit Hilfe von Kamera (an der mal wieder Raoul Coutard sitzt), Schnitt, Spielereien mit Licht und Schatten und ja natürlich dem nächtlichen Paris selbst. Dazwischen mischt Godard wie immer seinen geliebten Film noir, aus dem Off ertönt die Stimme unseres Detektives, ein bisschen Spionagefilm und eine Handlung in ihrem Schemata, die einem Krimi entnommen sein könnte. Es ist schließlich auch ein Lemmy Cautionabenteuer, das heißt Agent Lemmy Caution (Eddie Constantine, der fast geisternd durch den Film schreitet) sucht, als Reporter getarnt, im Auftrag der Figaro-Prawda, einen verschwundenen Professor in einer fremden Stadt ohne Gefühle. Regiert von einem rationalen Computergehirn, namens Alpha 60, fragmentarisch verpackt von Godard. Alles wird fotografiert (Fotografie ist schließlich die Wahrheit) und festgehalten für die Untersuchung. Das System ist scheinbar ein totalitäres, wie bei Orwell. Und der Name »Alphaville« (geeigneter »Zeroville«) ist eine Anspielung an Fritz Langs »Metropolis«, wobei zu vermuten ist, dass dieser Godard auch als Hommage an Langs Film gedacht war.



Dabei demontiert aber Godard auch zugleich seinen Protagonisten und stellt ihn als zermürbtes Klischee bloß, er wirkt weniger heldenhaft in Godards Szenerie als unsicher, mit irritierten Blicken und verwirrten Gesichtsausdruck. Ein bisschen zynisch auch bei seiner Kompromisslosigkeit, auch einer, der Frauen und Geld liebt. Fast schon sind seine Sätze auf ihre kühle Art ironisch. Wer nicht fehlen darf bei Godard, ist da Karina mit großen Augen! Und ein zerflossener Akim Tamiroff als weiterer Verweis auf den Film noir, wie auch auf Orson Welles, nicht nur, dass er dessen Lieblingsdarsteller war, sondern auch, dass er ihm optisch äußerst nahe kommt, er erinnert an Welles in »Touch of Evil«. Tamiroff macht klar, welch düsterer und freudloser Ort dieses »Alphaville« ist, die technologisierte Kälte mit Einsamkeit, aber auch ohne Künstler und der Kunst selbst. Es regiert die Rationalität der Logik. Alles was dieser Logik zuwider handelt, wird exekutiert - im umfunktionierten Schwimmbad. Wie elegant, wie die Garnierung mit einem Auftritt vom werten Leaud. Die heilige Bibel ist ein Lexikon und Wörterbuch und die Straßen sind mathematisch bezeichnet, mit Tangenten. Den experimentellen Anteil dazu leistet auch die aufbrausende und kraftvolle musikalische Untermalung, gleichsam verknüpft mit Godards virtuoser, technischer Kombination. Atmosphärisch angereichert mit leuchtenden Glühlampen, langen Korridoren und endlosen Gängen mit zahllosen Türen, wie ein riesiger Komplex, wie ein großes Computersystem. Eine Stadt von Entfremdung  und Leere, eine »Hauptstadt der Schmerzen«. (P.S: Und ja hier wird Paul Éluard zitiert). Des Rätsels Lösung und Erlösung bringt das Gedicht mit Poesie gegen die kalte Logik. Das irritiert und frappiert das System, da nicht berechenbar. Die letzten Worte dann bringen Godards Werk zur Vollendung, mit den simplen Gebrauch der Worte: »Ich liebe sie.« Und ich liebe Godard.



9.0 / 10

Autor: Hoffman

Mittwoch, 20. März 2013

Godard Retroperspektive #3 - Klassiker der Extraklasse: Eine Frau ist eine Frau (1961)




»Angela, tu es infâme.« - »Non, je ne suis pas infâme, je suis une femme.« - Godards dritter Spielfilm ist wohl zugleich einer seiner ungewöhnlichsten Werken, auch wenn er konsequent an seine beiden Vorgänger anknüpft. Alle drei Filme beschäftigen sich mehr oder weniger in spezialisierter Form mit den typischen, amerikanischen Filmgenren. Dieses Verfahren führt Godard mit »Une Femme est une Femme« zur Spitze. Denn das hier passt so ganz und gar nicht zu unserem bisher kühlem Godard. Jetzt strahlt sein Film sogar prächtig mit Franscope - das erste Mal! Coutard darf sich also mal wieder austoben - sogar in Farbe mit Eastmancolor! Mit besonderer Vorliebe für die Signalfarben: Blau, Weiß, Rot - die Farben der französischen Nationalflagge. Huch? Und dann ist auch noch eine Hommage - ans Kino? Ja. Etwa an das amerikanische Kino? Vielleicht. Eine Hommage an die Hollywoodkomödien und Musicals - von Godard?! Dann doch eher eine Abrechnung! Eine zugegebenermaßen überaus fröhliche Abrechnung. So kennt man den Godard doch gar nicht (und so wird man ihn auch nicht mehr kennen)! Dann schlägt er auch gleich zu Beginn zu, mit gigantischen Texttiteln. Auch hier findet er den Anschluss zu seinen Debüt, dieses Mal im Zitat, wenn sein »À bout de souffle« im Fernsehen läuft.



Hier geht Godard sogar technisch noch einen Schritt weiter, es ist interessant wie Godard mit dem Ton experimentiert in der Verbindung von Bildern. Auf den Wechsel der Kameraperspektive folgt der Tonabbruch oder Toneinsatz, Godard variiert verschiedene Sequenzen von äußeren Einflüssen bis hin zur musikalischen Untermalung. Die Musik als dramatisches Stilmittel in einer ruhigen Szene? Was kann Ton für eine Wirkung auf eine Szene haben? Inwiefern beeinflusst sie den Zuschauer und kann zu Gunsten des Films verwendet werden? Diese Wahrnehmenungen erschlagen im ersten Moment, faszinieren aber auch bei Godards stetiger Modulation des Tons. Dazu nimmt er sich die beliebte Dreiecksgeschichte, nachempfunden dem kurz vorher erschienenen »Liebesspiele« von Philippe de Borca, von einer Frau (hinreißend: Anna Karina), die ein Kind will. Der Liebhaber´Èmile (sportlich: Jean-Claude Brialy) lehnt ab, denn er will die derzeitige Situationen beibehalten. Es wäre so als fürchte er sich vor der Veränderung in ihrer Beziehung. Und dann gäbe es noch den Freund Alfred (verwegen: Jean-Paul Belmondo). Kann der vielleicht Abhilfe schaffen? Er zumindest ist verzückt.

Damit erweitert Godard nun um ein weiteres Mal sein Motiv der Liebe und führt es direkt in die romantische Komödie, welch kühner Schritt von ihm - aber keine Angst auch hier bricht Godard mit der Dramaturgie, die er ins absurde führt und im puren Amüsement verherrlicht. Aber auch Spannungen zwischen den Charakteren werden vollführt. Darsteller sprechen direkt in die Kamera, Godard involviert den Zuschauer - sogar verbeugt wird sich vor ihm - wie vor einer Komödie üblich. Sehr gesittet ist das. Das Sehen wird zum Beteiligen. Auch nutzt Godard eben jene Modulation des Tons, um humoristische Aspekte zu entfalten - neben der leichtfüßigen Inszenierung setzt er dabei auch auf die Absurdität seiner dramaturgischen Brüchen, es ist kurzum die Art wie Godard hier seinen Film (ja mit Handlung) erzählt. Übrigens ist das dabei auch lebensfern, aber dafür genauso liebenswert. Wie das Fahrradfahren in der Wohnung, fragmentarisch geschnittene Streitgespräche oder die zeitweilige Kommunikation mit Büchern. Denn ja wen wird es verwundern, wieder werden Literatur, Musik und Film durchzitiert.



Das Detail des Tages: Belmondos Rollenname lautet Alfred Lubitsch. Ich glaube die Reminiszenz sollte auf der Hand liegen. Eine Hommage ist dieses Werk nicht nur ans Kino, sondern auch an die starke Frau, die Karina verkörpert und Karina ist. Denn auch hier reflektiert er Karina auf die weibliche Protagonistin, die eine Dänin ist wie Karina. Der Chanson wird von Aznavor gesungen und auch auf Kollege Truffaut wird frech verwiesen, mit Jeanne Moreau wie »Jules und Jim« - ein großartiger Film, nebenbei - oder »Schießen sie auf einen Pianisten«, aber bitte doch nicht wörtlich! Der Film sprüht nur so vor Lebensfreude und Wahnwitz, technisch nutzt Godard natürlich auch zur Erzeugung des Irrsinns zerstückelte Szenen, Bildfragmente und eben Jumpcuts, unterschützt vom visualisierten Ton. Und wieder stellt er die Wirklichkeit im Filmischen nach, ein Abbild der Realität in der Fiktion? So fragen seine Protagonisten selbst: Wo liegt der Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge? Und ist dieser überhaupt erkennbar? Selbiges ließe sich auf Godards Film übertragen. Sein Werk ist aber auch ein originelles Spiel mit der Liebe. Diesbezüglich hinterfragt Godard auch sein eigenes Werk, Komödie oder Tragödie? Denn wie kann man einen solchen Film einordnen? Ja, wie denn? Um auf den Punkt zu kommen: Die eindeutige Antwort wie er man ihn werten sollte, lieferte Godard schließlich selbst: Als »neorealistisches Musical«. Das machte ihn sicher so schnell keiner nach.



8.5 / 10


Autor: Hoffman

Dienstag, 12. März 2013

Godard Retroperspektive #2 - Klassiker der Extraklasse: Der kleine Soldat (1960)




»Die Fotografie, das ist die Wahrheit und das Kino ist die Wahrheit 24 Mal pro Sekunde.« - In seinem zweiten Spielfilm »Le Petit Soldat«, welchen er bereits 1960 drehte und erst 3 Jahre später von der Regierung freigegeben wurde, wegen seinem politischen Kontext, tauscht Godard nun Lebensgefühl gegen Politik. Und erweitert zugleich seine eigene Idee mit dem direkten Anschluss an seinen Vorgänger, auch hier klärt Godard die Verhältnismäßigkeiten, denn schon recht zu Beginn fallen die altbekannten Worte: »Sie sind zum Kotzen!« - ein schönes Selbstzitat. Bis er dann endlich zu den politischen Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken gelangt - mitten im Algerienkrieg, ausgetragen im neutralen Genf und dazwischen der desertierte Fotograf Bruno (Michel Subor), der im Auftrage der französischen OAS als Agent ein Attentat auf einen algerienunterstützenden Journalisten ausführen soll. Doch der verliebt sich lieber in die schöne Veronica (Anna Karina). Godard hat also eine feste Handlung! Auch wenn diese etwas unkoordiniert wirken mag. Damit erweitert Godard hier also auch das Motiv der Liebe und Liebenden, mit Wechselstellung in der abschließenden Positionierung von Einsamkeit und Entscheidung. Raoul Coutard darf wieder an die Kamera und auch noch über »die maximale Schweinerei« beim scharfen Schießen zitiert werden, was für ein toller Einschub.



Und Godard, der setzt sich wieder mit seinem Protagonist gleich und reflektiert sich oder präziser gesagt seine politische Stellungen, Haltungen und Überlegungen auf diesen, sogar seine Gedankengänge kriegt er - kurios! So erfolgt die Charakterisierung Brunos meist durch seine inneren Monologe und ausführlichen Gedanken aus dem Off und in der Rückblende, dies nutzt Godard durchaus clever, in dem er einige Handlungen und die äußerlichen Dialoge mit diesen Offkommentaren bereits vorwegnimmt. Sein Bruno ist ein Mann ohne Ideale, für die politischen Konflikte gänzlich uninteressiert und ein Godard scheinbar wütend, sodass er die Politik betrachtet, ohne sich dabei an einer Opposition festzumachen oder eine zu wählen, beurteilt er wertfrei den Kampf der beiden Parteien. Aber dieser Godard sucht sich auch noch selbst, wenngleich er sich schon gefunden hatte. Doktert stilistisch herum und übt sich in bewegten Bildern der Stadt in Verbindung mit Musik und Ton, hierbei auch gerade technisch zurückhaltender als in seinem Vorgänger, der seine Stilmittel auf eine faszinierende Weise fast überlastete.




Dagegen wirkt »Le petit Soldat« fast trist, dies verstärkt Coutards Kamera mit der zeitweiligen Distanz zum Geschehen. Freilich verzichtet auch hier Godard nicht auf Verweise zu Literatur, mit Buch, dem Gedicht von Aragon, der Musik samt Bach am Morgen und ansonsten Hayden, bei der Malerei die Herren Klee und Van Gogh, beim Schießen den geehrten Coutard und mittendrin das Kino höchst selbst. Sich spart er dabei nicht aus. Hoch und runter, hin und her, Godard kommt gar nicht mehr aus dem Zitieren heraus, lässt seinen Protagonisten alldieses und alljenes mit Kunst zum Überfluss assozieren. So fehlen auch hier die Details nicht, der Name Veronica Dreyer (Karina) ist als Anspielung auf den heiligen Carl Theodor Dreyer gedacht. Fantastisch! Und diese Dreyer mimt Karina auch einfach wunderbar. Eine weitere Anspielung ist jene, in der Bruno Veronica fragt, ob sie Dänin wäre? Im Film vereint sie, sie seie eine Russin. Aber sowohl Dreyer als auch Karina stammen aus Dänemark, so viel zum Hintergrund dazu. Geredet wird natürlich auch wieder unentwegt mit zahlreichen Ortswechseln, wenn nicht über Fotografie und Kunst, mit politischen Subtext und Hintergrund, die Politik nicht ohne ein Geflecht aus Intrigen, düsteren Machenschaften, Verrat, Folter, Freiheit, Liebe und dem Ende. Das Fazit bleibt am Anfang, mit der Zeit lernen mehr nachzudenken, denn zu handeln.




7.5 / 10

Autor: Hoffman

Donnerstag, 7. März 2013

Godard Retroperspektive #1 - Klassiker der Extraklasse: Außer Atem (1960)




»C'est vraiment dégueulasse.« - »Vous êtes vraiment une dégueulasse.« - Nun zeigt Jean-Luc Godard hiermit exemplarisch wie man Konventionen am originellsten bricht, wo Truffaut noch etwas zurückhaltend Regie führte und die Konventionen sanft zerbröckeln ließ, geht Godard in die Vollen und nimmt den vehementen und gnadenlos ausgeführten Kampf gegen diese Widerlinge auf! Denn sie müssen zertrümmert, zertreten und zerstört werden! Vive la Novelle Vague, heißt es (da ich französisch kaum beherrsche)! Francois durfte dafür immerhin das Drehbuch schreiben. Eine wirkliche Erzählung hat Godard nicht, wenn überhaupt ist diese grob umrissen, wenn wir es konventionell betrachten und doch funktioniert Godards »À bout de souffle« irgendwie, bloß eben anders als man es gewohnt ist. Godard erzählt auf anderen Wegen. Raoul Coutard ästhetisiert das Szenario mit der Natürlichkeit einer Handkamera (selbstredend auch ohne diese künstliche Beleuchtung!) und mit der Kulisse an Originalschauplätzen und doch ist Godards Films dabei doch überhaupt nicht authentisch. Oder?




Nun ja, zumindest irgendwo zwischen den Grauzonen. Das ist doch ein seltsames Stück Kino, das Godard da serviert. Aber auch so wunderbar, die Spontanität von den Dialogen knüpft an die flotten Jump-Cuts und an deren fragmentarische Art an. Seine Stilmittel und Techniken lotet Godard dabei aus, überreizt sie vielleicht sogar. Aber naja das ist wohl durchschlagende Revolution des Kinos, da wird nicht angeklopft, da wird eingeschlagen. So treibt Godard seine Späßchen. Auch seine Figuren geben sich dazu (wie passend) eigenwillig, irgendwo angesiedelt zwischen Film und Realität. Godard macht den gelassenen Belmondo zum dauerqualmenden Gauner und Möchtegerngangster Michel Poiccard - mit großen Idol Humphrey Bogart. Die Reflexion dabei ist eigentlich kurios. Michel vergöttert Bogart wie Godard wahrscheinlich den Film noir verehrte. Fast wirkt es so als würde sich Godard in diesem Charakter selbst reflektieren, also wie bei Truffaut Antoine, Michel als Godards Alter Ego.

Es ist aber interessant wie Godard hierbei dem Film noir würdigt, zwar mag er durchaus als Hommage dienlich sein, alles in allem erinnert er jedoch (auch wenn sich diese beiden Begriffe nicht ausschließen; möchte ist das an dieser Stelle betonen) mehr an einen Abgesang auf die »schwarze Serie«. Hierzu ein Vergleich: Ich weiß, dass ich das nicht machen sollte aber bisher drohte man mir noch nicht mit einer Haftstrafe deswegen, zum Western »Lonely are the Brave« (1962) von David Miller, den ich neulich begutachtete: Bei beiden wird im Grunde in zwei verschieden Genres dasselbe Prinzip verwendet. Der Western wie auch der Film noir finden in diesem Filmen als Beispiele ihren Schlussakkord. Bei Miller wird der Idealismus des Cowboys durch den Fortschritt zerstört, bei Godard bleibt sein Protagonist einzig ein Abbild der großen Legenden, das anders als diese scheitern wird an seiner Verklärung der Vergangenheit. Denn der Wind weht nun von anderer Seite. Nun regiert der Existenzialismus. Godard krempelt das Kino um.



Übrigens auch mit an Bord als technischer Berater, neben Truffaut, der werte Claude Chabrol und Godard? Der legt auch noch einen pfiffigen Gastauftritt hin und garniert daneben sein Werk noch mit äußerst feinen, kleinen Anspielungen und Details: In einer Szene verteilt ein junges Mädchen Zeitungen, kommt Michel entgegen (» Sie haben doch nichts gegen die Jugend?«), hält die Zeitung vor ihn, er meint: »Die Alten sind mir lieber.« - die Zeitung ist die Cahiers, jene Filmzeitungen für die Godard, Truffaut, Rivette (kurzum: die Nouvelle Vague-Regisseure) als Kritiker schrieben, bevor sie Filmregisseure wurden. Beziehen wir diese Fakt nun auf jene Szene, ist diese zutiefst ironisch zu werten. Anderswo darf natürlich auch der große Melville nicht fehlen, er definiert! Melville erklärt Godards Prinzip auf existenzieller Ebene. Selbst gibt er den Schriftsteller im Interview, schon wieder so ein Detail! Melville, der eigentlich Grumbach hieß, benannte sich in seiner Zeit als Résistancekämpfer in Melville um, nach dem Schriftsteller Hermann Melville. Aha! Godard sinniert dabei über Liebe und den Existenzialismus selbst, nutzt dazu stetige Ortswechsel in Paris (= der Stadt der Liebe) um in Schwung zu bleiben und der sprunghaften Erzählung und der inszenatorischen Energie treu zu bleiben, auch wenn dies sekundär ist. Denn es ist im Grunde nicht die Aussage, dass er diese Ermittlung des Seins vertieft oder nicht, sondern viel eher, dass er damit doch passend und durchaus charmant das französische Zeitgefühl einfängt. Letzteres gelingt Godard doch meiner Meinung nach vorzüglich, gerade in Anbetracht der Kombination von ironisch angesetzten Film noir-Anleihen und seinem widerspenstigen Stil, mit dem Godard hier schon die Abgrenzung zwischen Realität und Fiktion im Kino austestet und in Frage stellt. Godards Erstling ist einfach zu begreifen: Der Film noir ist tot! Also: Es lebe der Film noir! Danke, Jean-Luc für ein so schönes Debüt.



8.0 / 10



Autor: Hoffman