Dienstag, 16. April 2013

Godard Retroperspektive #7 - Klassiker der Extraklasse: Made in U.S.A. (1966)





Beachtlich an Godards »Made in USA« aus dem Jahre 1966 ist erstmal, dass er diesen zeitgleich mit seinem anderem Film »Zwei oder drei Dinge, die ich von ihr weiß« drehte. Das darf man sich in etwa so vorstellen: Ein Tag, am Vormittag den einen, am Nachmittag den anderen und beide zeigen einen Godard in Höchstform. So stelle ich mir das vor. Aber das sei nur am Rande erwähnt und sei nicht der Fokus weiterer Worte. Denn die Frage ist wohl eher was Godard daraus macht. Einen Genrefilm! Und irgendwie auch eine Hommage an die Rolle Karinas in Godards Schaffen selbst, dies war die letzte Zusammenarbeit der Beiden. Hier kommt nun die Entwicklung und Emanzipation zu ihrem Abschluss, mit großen Schlussakkord natürlich. Der Film, der ganz Karina gehören soll - na gut, das stimmt nicht ganz, denn es ist auch eine Hommage an die großen des Kinos, an Sam(uel) Fuller und Nicholas Ray, die Godard den Respekt vor dem Ton lehrten. Ist das also ein amerikanischer Film? Ein Film über das amerikanische Kino, so viel sei gesagt. »Made in USA« lässt sich eigentlich als konsequente Weiterführung von Godards Quintessenz »Pierrot, le fou« lesen, hier knüpft das Motiv der Liebe auf der Flucht von der ersten Sekunde an das der Unmöglichkeit der Liebe an, denn der Geliebte ist tot.



Wie ein Dornröschen erwacht Karina in der ersten Szene - mit dem Buch auf der Brust, und will das Rätsel auf eigene Faust lösen, mit geladenen Revoler und einem stilechten Trenchcoat, so wie es sein sollte. Dabei ist besonders in dieser Hinsicht die Emanzipation Karinas interessant zu betrachten im Vergleich zu Godards »Alphaville«, wo einst Eddie Constantine ermittelte und Karina ihn unterstützte, übernimmt dies hier Karina sogar im Alleingang und oftmals sprechend in Metaphern. Auch erfolgt, wie es nun mal üblich war im Noir, die Stimme (der Protagonistin) aus dem Off, das nutzt Godard clever, in dem er somit seinem Film auch eine subjektive Färbung der Ereignisse durch seine Protagonistin erlaubt. Bestes Beispiel hierfür gibt der wiederkehrende Gestus zum Publikum.

Und schon tüffelt Godard wieder an seiner eigenwilligen Dramaturgie (oder zur Not auch Szenenverkettung). Was erzählt wird, wenn er das überhaupt tut, wenn er es nicht schon anders tut, ist das Wahrheit oder ist das Lüge? Die Fiktion besiegt die Realität. Dichtung und Wahrheit sind eins, aber was ist mit dem Film? Erneut beruft sich auch hier Godard auf Grauzonen der beiden Gegensätze. Ein weiterer Kontrast, der von Handlung (= der düstere Film noir) und Bild (= die bunte Farbenpracht Coutards). Es ist schon eine mysteriöse Geschichte. Eine, in der die Liebe auf der Suche ist, es wird gesucht und es wird ermittelt nach dem großen Worte der Wahrheit. Ein Geflecht aus Rätseln, Blut, irgendwas mit Walt Disney und den üblichen Zutaten des Genres wie Polizei, Gangstern, ja auch Kommunisten, um Links und Rechts und kriminelle Machenschaften. Sinniert wird über Sinn und Unsinn des Wortes selbst und die Stellung des Wortes im Satz. Dabei wechselt die Stellung im Werk auch des öfteren, mit Ton oder ohne Ton oder Godards Alternativen: Der klassischen Musik mit lieben Ludwig van und dem romantischen Schumann, der startende Jet, der Klang einer Schreibmaschine oder die Schüsse aus dem Nichts als Vertonung. Das ist eben ein typischer Experimentalton.



Alles scheint Einfluss auf Realität und Erdichtung zu nehmen, so kommt Protagonistin Paula Nelson aus Paris ( = der Wirklichkeit) nach Atlantic Cité (= die Illusion) - darin findet sich auch Godards kritische Beäugung der Amerikanisierung Frankreichs (= Europas), so verdeutlicht Godard dies auch durch zahlreiche amerikanische Produkte und Plakate, die in seinem Film präsent sind. Mit im Gepäck auf diesem Ausflug hat Godard selbstredend auch zahlreiche Verweise auf das amerikanische Kino, ja auch auf Krimi und Film noir. Wie ein Bogartfilm mit politischen Kontext und den knalligen Farben eines Disneyfilms, verziert mit Posen, Possen und vielen Konversationen in Bars, Werkstätten, oder Sportcentern, über Literatur, endlose Romane und dabei findet sogar (mal wieder) der Alfa Romeo seine kleine Erwähnung. Die verspielten Verweise auf das Medium, weitreichend von Widmark zu Don(ald) Siegel (Klein, aber fein: Jean-Pierre Leaud) sollte ich bereits erklärt haben. Wobei man sich hier auch wieder fragen darf, ob die negative Belegung von gewissen Regisseuren auch Godards Haltung zu ihnen ausdrückt? Aber auch politisch darf dieser Godard als Abrechnung gelesen werden, wenn Auftragsmörder Namen wie Nixon oder McNamara tragen und auf die Frage des Weshalbs nur antworten können, dass sie aus Spaß töten. Aber die Frage, hinter dem Film, nach der Sinngebung oder Logik wird wohl unbeantwortet bleiben müssen, denn eine wirkliche Auflösung scheint es nicht zu geben. Setzen wir diese aus, so findet man hier in Godards Werk doch einen äußerst poppigen Filmcomic vor, der zweifelsfrei Spaß am Kino bedeutet.



7.5 / 10

Autor: Hoffman  

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