Donnerstag, 18. April 2013

Das grölende Ungeheuer eines Güterzuges - Kritik: Unstoppable - Außer Kontrolle (2010)




Tony Scott zaubert in seinem letzten Film aus wahren Ergebnissen ein Hochgeschwindigkeitswerk, wieder einmal ist es die Uhr, die gegen seine Protagonisten läuft und zum Tempo anstachelt. Zu Beginn wird aber erst das Feinbild aufgezeigt, schwindelerregend und imposant sind die ersten strahlenden Einstellungen des Güterzugs, die fast schon an eine Naturgewalt erinnern lassen. Kurz danach nährt sich Scott seinen Charakteren, sodass er sich kurz darauf in die Geschwindigkeit stürzen kann. Inkompetenz verlangt Kompetenz, eine Mischung aus menschlichen Versagen und zufälligen Pech führen zum führerlosen Zug. Dabei ist sich Scott aber auch seiner Erdichtung bewusst und kommentiert das Fiasko logisch. Eine Gefahr, die unter Kontrolle gebracht werden muss und die anderen Züge (u.a. einer mit einer Schulklasse an Bord, demnach Kindern als Symbol der Unschuld) umgeleitet, mit verschiedenen Möglichkeiten, in aller erster Linie gilt auch hier noch: Das Geld hat Vorrang.


Der Zug wird also zur Bedrohung (»Bombe!«) stilisiert, so ist der Güterzug auch eine Bestie, bezeichnend dafür ist ihr mechanisches Grölen und Brüllen, die sich ihren Weg bannt. Ein echter Antagonist, der Eindruck hinterlässt. In diesem Fall ist er Konchalovskys »Runaway Train« gar nicht so unähnlich. Auch wenn Scotts »Unstoppable« als eine Art Gegenentwurf dazu gesehen werden kann, wo bei Konchalovsky das Umland völlig entvölkert war und es um einen Überlebenskampf seiner zwei (bzw. drei) Protagonisten ging, sieht Scott die Gefahr darin, dass es bevölkert ist und der Zug sich damit zur dichten Besiedlung in das Stadtgebiet durcharbeitet, somit spitzt er die Lage im Verlauf der Geschichte fortlaufend zu. Erzählt ohne Schnörkel, äußerst flott, für scottsche Verhältnisse zurückhaltend und geradlinig und ohne weitere Ausschweifungen, mit rasanten Schnitten und Toneinflüssen.




Scotts Film ist eigentlich konstant in Bewegung und in Aktion, wenn er die Kamera um seine Protagonisten kreisen lässt oder aus der Vogelperspektive filmt, den rasenden Zug mit der Kamera einfängt. So veranschaulicht dies Scott aber auch durch Umschnitte auf verschiedene Handlungsstränge und Facetten, die parallel zueinander laufen. Dieses ständige Umschwenken mag durchaus seine Berechtigung haben, da Scott somit die Dramatik verstärkt und die Hektik gegenüber den Charakteren zum Ausdruck bringt, doch stört diese teils unkoordinierte und übereilte Aufteilung mehr als, dass sie von nutzen scheint. Was schade ist, denn seine stärksten Momente findet »Unstoppable« in kurzen kammerspielartig wirkenden Momenten, in denen sich Scott nur auf seine beiden Protagonisten (= Zugführer) konzentriert. Sie prägnant, wenn auch archetypisch, zeichnet, sodass man zumindest ein Bild von ihnen und ihren Problemen vor sich hat. Es sind die Gegensätzen, die sie ausmachen und das was sie verbindet, ihre Arbeit. Wie ein Generationskonflikt, der Alte und Erfahrene (souverän: Denzel Washington), der seinen Job mit Pflichtbewusstsein ausübt und der frische Neueinsteiger (Chris Pine), der von diesem belehrt wird und ihm Missgunst entgegenbringt, wegen seiner Privilegien. Zwei Männer, die im gegenseitigen Konflikt stehen und sich im Falle dieser Situation zusammenraufen müssen. Was für ein idealistisches Arbeiterbild. Daneben kennt Scotts Werk keinen Stillstand, sein letzter Film ist ein temporeicher Spaß - ohne Überraschungen und physikalische Gesetze, aber mit sympathischer Charakteristik.




6.0 / 10

Autor: Hoffman

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