Dienstag, 25. Februar 2014

Fassbinders Attacke auf eine Welt des Nichts - Klassiker der Extraklasse: Katzelmacher (1969)

"Katzelmacher" gehört zu jenen Filmen, die es nicht geben würde, wenn die Menschen wirklich aus Fehlern lernen würden.
In einer Münchner Neubausiedlung fristet Ende der Sechziger eine Gruppe junger Erwachsener ein tristes Dasein. Ihr Alltag besteht aus Rumhängen, sich gegenseitig betrügen, anlügen, miteinander schlafen oder einfach nur irgendwelche Phrasen vor sich hin sagen. (Das Wort "Gespräch" wäre hier ein Euphemismus!) In dieses soziale Niemandsland platzt eines Tages der griechische Gastarbeiter Jorgos hinein, und die kleine, heile Welt der Gruppe gerät völlig aus den Fugen. Die Frauen der Gruppe suchen bei ihm Abwechslung von ihren lethargischen Männern und wollen mit Jorgos am liebsten über alle Berge verschwinden. Die Männer wiederum begegnen dem Fremden mit blankem Hass, der schließlich in Gewalt mündet.
Das alles erinnert stark an Pasolinis "Teorema", wo ein Fremder durch ein sexuelles Verhältnis zu den Mitgliedern einer reichen Familie deren Welt ins Chaos stürzt, jedoch bestehen erhebliche Unterschiede. Wo Pasolini auf die, in seinen Augen, dekadente und innerlich arme Oberschicht zielt, holt Fassbinder zum Schlag in die Mitte der westdeutschen Gesellschaft der späten 60er Jahre aus und veranschaulicht dabei auf extrem sperrige und abstrakte Weise, was die Ursachen von Fremdenfeindlichkeit sind: Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben. Dass RWF ursprünglich vom Theater kam, wird hier mehr als deutlich, denn nahezu alles in "Katzelmacher" wirkt unnatürlich und gestelzt: Das schier endlose und bewegungslose Rumlungern der Gruppe, ihre stets gleichen Spaziergänge und ihre stets emotionslosen und sinnlosen Dialoge. Eine Welt in der Dauerschleife, aus der es kein Entkommen gibt. Ein Leben ohne irgendeinen Sinn. Man könnte meinen, dass das nur eine Momentaufnahme eines Überbleibsels der 50er Jahre ist, doch im Endeffekt sind die Probleme 1:1 noch heute da. Man schlage nur einmal eine deutsche Boulevardzeitung auf oder schalte das Radio ein, oder was auch immer. Worum geht's? "Pleite-Griechen", "Wetter - bleibt morgen quasi wie heute und gestern auch", "(beliebige Z-Promibitch einsetzen) hat sich die Brüste vergrößern lassen", "Fauler Arbeitsloser nistet sich in unserem Pelz ein", "Benzin kostet jetzt 5 Cent mehr", "Kinderschänder wohnt jetzt in Leckmichamarschhausen", "Ball war nicht im Tor, oder doch?!", etc. pp.
Na ja, ehe man sich auf den Weg zum nächsten Bahngleis macht, sollte man noch einmal kurz an die Worte Alfred Hitchcocks denken: "Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realität." In Deutschlands Filmlandschaft seit 1945 hat das niemand so sehr verinnerlicht wie Fassbinder.


8.5/10

Autor: MacReady

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