Freitag, 24. November 2017

Nächster Halt: Nimmerland - Kritik: Peter Pan (2003)


Was darf man eigentlich von einer Interpretation von James M. Barries Vorlage erwarten, wenn sie von jemanden umgesetzt wird, der vorher Erfolge mit Filmen wie »Muriels Hochzeit« oder »My Best Friends Wedding« feierte. Das könnte manch einen (auch wenn erst genannter Film gewiss an sich kein schlechter Film ist) skeptisch stimmen. Wenn man sich dann aber die Rezeption zu der Interpretation vom Australier P. J. Hogan näheranschaut, wird man schnell bemerken, dass dieses Werk eine gar nicht so schlechte Resonanz erhält, so wird die Umsetzung unter anderem für ihre Wahrhaftigkeit der Magie und für die Treue gegenüber den Worten Barries (die der Film auch unter anderem mit einer Off-Sprecherin direkt rezitiert) gelobt. Der Film wird als Realverfilmung des Stoffes (anders als ein bestimmter »Hook«) als gelungen bezeichnet. Und tatsächlich ist es ein Film, der auf seine kurzweilige Art und Weise die Vorlage Barries zum Leben erweckt. Wenn man sich nun zunächst fragen möchte, wo man nun den Regisseur und Teildrehbuchautor in diesem Werk finden kann, dann wohl am ehesten in der Komik des Werkes, die es durchzieht. Es ist ein kunterbunter, leicht ironischer und verspielter Film, der besonders zum Anfang bis zur Albernheit tendiert und es manchmal doch etwas zu gut meint. Aber das ist halt auch einfach ein Film über Peter Pan, dem Jungen, der nie erwachsen werden wollte und so verhält es sich mit so manchem Witz des Werkes, in denen eine naive Freude an der Komik des Slapstick durchstrahl,, das so manche Figur droht gar zur Karikatur zu werden. Diese Befürchtungen treten aber nie vollends ein. Vielleicht ist der Film manchmal etwas zu laut, zu marktschreierisch, die Jungdarsteller vielleicht gelegentlich zu affektiert in ihrem Spiel (das bezieht sich eigentlich nur auf eine Handvoll von leicht überzogenen Reaction-Shots). Aber das ist ein Meckern, das man vielleicht nur zu Beginn des Films wirklich für angebracht halten kann.


Am Anfang, wo Hogan noch mehr an der Komik und dem Tempo gelegen ist und die Sensibilität gegenüber dem Stoff und den Figuren noch etwas vergraben liegt. Sie wird sich aber langsam hervorgraben, spätestens, wenn Peter gegenüber Wendy noch nicht fähig ist von seinen Gefühlen zu sprechen, sondern alles nur als Spiel begreifen kann, aber nicht weiter als das gehen will, wird der Film sehr behutsam gegenüber seinen Figuren. Ein besonderes Interesse hat der Film des Weiteren an dem Charakter des Captain Hook, die er mit Charakter des Vaters von Wendy und ihren Büdern koppelt, in dem er beide Rolle Jason Isaac mimen lässt (etwas, das spätere Peter-Pan-Interpretationen, wie »Peter & Wendy« mit Stanley Tucci in einer Doppelrolle gerne zu adaptieren schienen). Der Vater ist ein schüchterner Bankbeamter, der seine Träume in eine Schublade geschlossen hat und sich an manchen Tagen wünscht, dass er ein Mann wäre, den man fürchtet. Die Verbindung zu Hook stellt der Film in einem Übergang der beiden Charaktere dar, denn wo der eine Charakter durch den Überfall des Hausmädchenhundes in Ohnmacht fällt, erwacht der Andere im Nimmerland aus seinem tiefen Schlaf. Damit enthüllt der Film auch einen doppelten Boden, denn das Nimmerland ist ein Traumbild des vikorianischen Englands (wo Mädchen die Kindheit entrissen werden soll, weil sie von Jungen über ihren Bett schwebend träumen), ein Ort, an dem unterbewusste Wünsche ausgelebt werden.


Ein weiteres Mal beweist der Film sein Interesse an den zentralen Figuren, das heißt Peter, Wendy, Hook und Tinkerbell (die Brüder von Wendy, die Piraten und die verlorenen Jungen werden einfach aus der Vorlage übernommen, ohne, dass der Film von selbst noch näher auf sie eingeht oder sich um sie kümmert), wenn er ein durchaus auch amüsantes Beziehungsgeflecht zwischen den Figuren entfaltet, wenn der einsame Hook wehmütig beobachten muss wie Wendy und Peter im siebten romantischen Himmel schweben. Dann geht es um Einsamkeit und Eifersüchte und auch darum, dass alle auf ihre Weise die Aufmerksamkeit von Peter Pan begehren. Aber eigentlich ist Hogans Interpretation ein visuell pompöser und dekorativ ausgeschmückter Film, der unübersehbar ein Filmmärchen sein will und in dem der Zauber der Vorlage über die Bilder erlebt werden soll. So ist es auch ein abenteuerlicher und vielleicht manchmal überdrehter Attraktionsfilm, der uns gar nicht so viel »erzählen« will, sondern uns die Bruchstücke des Nimmerlandes (möglicherweise etwas zu gehetzt) zeigen möchte. Unter anderem ist die Expression der Bilder auch immer nach den Stimmungen der Figuren und des Films an sich ausgerichtet. Der Film möchte uns immer wieder neue phantastische Bilder liefern, mit denen er vor allem seine Lust an dem Visuellen auskostet und davon muss man sich auch einfach mitnehmen lassen, denn im Kern des Films ruht etwas warmherziges, das daraus insgesamt ein wahrlich zauberhaft-augenzwinkerndes Abenteuer wird.

7.0 / 10

Autor: Hoffman 

1 Kommentar:

  1. Meiner Meinung nach ist dies die mit Abstand beste filmische Adaption der Geschichte von J. M. Barrie, weil er die Mythologie um das Wesen Peter Pans hervorragend aufzeigt. Peter Pan ist nämlich nicht irgendein magisches Wesen, er ist vielmehr die Seele Nimmerlands, dessen Natur direkt auf die Gemütslage des Jungen reagiert. Er ist so sogar eng mit diesem Ort verbunden, dass beispielsweise seine Abwesenheit oder seine Rückkehr direkten Einfluss auf das Wetter haben.

    Diese Mythologie wird eingebunden in die Geschichte von den Erlebnissen eines Mädchens, das alle Stationen einer klassischen Heldenreise durchlebt: der Ruf des Abenteuers, das anfängliche Zögern, das Überschreiten der Hemmschwelle, die übernatürliche Hilfe, das Bestehen von Prüfungen und schließlich die Rückkehr. Dadurch erfährt der Film eine entsprechende Spannungskurve.

    Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die Spezialeffekte. Ich finde die Umsetzung sehr gelungen, weil sie gar nicht immer versucht, möglichst realistisch zu sein. Sie soll vielmehr absichtlich naiv wirken, um die kindliche Vorstellungskraft darzustellen. Man schaue nur auf die Planeten und die Sterne, die wie bunte Luftballons im Weltraum hängen... Der Zuschauer soll sich fragen, wie sich ein Kind das Universum vorstellt und nicht ein Astronomieprofessor.

    Darüber hinaus besticht der Film durch die Tiefe und den Facettenreichtum seiner Charaktere. Kindliche Naivität, Freude, Tragik, eine helle und eine dunkle Seite – vereint in Peter Pan, für den man definitiv keine bessere Besetzung hätte finden können. Überdies konnte mit Jason Isaacs, der hier in einer Doppelrolle auftaucht, ein fantastischer Captain Hook dargestellt werden.

    Außerdem wurde von James Newton Howard eine richtige orchestrale Filmmusik komponiert, die die Handlung passend begleitet. So hat dieser Film einen Charme, den man sonst nur von frühen Disney-Werken kennt. Umso unverständlicher ist es, dass er so wenig Beachtung gefunden hat. Ich halte diesen Film für ein echtes Juwel, das auftauchte, kurz im Kino lief, sofort wieder verschwand und mittlerweile vollkommen vergessen wurde. Was für eine Schande! Für mich ein echter Geheimtipp!

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