Donnerstag, 30. August 2018

Der Feind im eigenen Heim - Kritik: Vertrauter Feind (1997)


Wenn man ehrlich zu sich ist, dann müsste man viel an diesem letzten Werk von Alan J. Pakula kritisieren, angefangen wohl damit, dass der Film sich kaum für seinen eigentlichen politischen Konflikt seiner Geschichte, dem Nordirlandkonflikt, interessiert, ihn kaum näher beleuchtet oder eben damit nur auf das einfachste für seine Geschichte herunter bricht. Es handelt sich wohl demnach mehr um eine moralische Geschichte, um die es Pakula hier geht. Es geht um das IRA-Mitglied Frankie (Brad Pitt), ein gesuchter Terrorist, der untertauchen muss, weil er vom britischen Geheimdienst verfolgt und folglich nach Amerika verschifft wird, von wo er mit einem rustikalen Kahn nach Irland mit einer Schiffsladung Raketen segeln soll, um seine Leute mit ihnen für den Kampf zu stärken. Dabei kommt er - unter dem Namen Rory - bei einer irisch-stämmigen amerikanischen Familie von dem gutmütigen Cop Tom O’Meara (Harrison Ford, der den Neuankömmling mit einem warmen Lächeln begrüßt) in New York unter, die von alledem aber nichts weiß.


Pakulas Film ist solides Handwerk, ein Film, den man seine Routine, die Routine seines Regisseurs (Pakula) und seines Kameramannes (Gordon Willis) ansieht, dem aber auch die kraftvollen Impulse fehlt. Es ist so, als würden sie mit diesem Film schlichtweg Dienst nach Vorschrift machen, mag sich der Film dabei  auch noch einigermaßen in das (vor allem politisch motivierte) Schaffen von Pakula eingliedern. Es ist ein Film über das Private und das Politische, die hier aufeinander treffen. Mit der Gestalt von Rory tritt das Politische in das Private, den Alltag der Familie O’Meara, ein. Es ist demnach auch ein Film über die Familie. Frankie´s Vater, selbst IRA-Mitglied, wurde vor seinen Augen als Kind von einem Unbekannten ermordet (was der Film mit der anfechtbaren These weiterdenkt, dass dies die Begründung wäre, dass Frankie durch diesen Einbruch der Gewalt in der Familienidylle selbst zu einem Mann der Gewalt wird). Zumindest legt der Film damit aber auch den Fokus bei seinen Beginn auf das Thema Familie, das er noch mehrmals aufgreifen wird.

Insbesondere, weil man bisweilen das Gefühl hat, dass der Film weniger von der langsam entwickelnden (und später aufspaltenden) Freundschaft zwischen Rory und Tom erzählt, als denn, dass er von - im übertragenen Sinne zu verstehen - Vater und Sohn erzählt, von dem verlorenen Vater und dem abwesenden Sohn (Tom hat nur drei Töchter, aber keinen Sohn). Pakula erzählt seine sich um Geradlinigkeit bemühende Geschichte bedachtsam, mithilfe einer von James Horner sanftmütigen komponierten und der traditionell-irischen Folklore nahen Filmmusik. Er schaut mit einem ruhigen Auge über das Geschehen, beobachtet unter anderem das familiäre Leben, das sich nur in kleinen Dingen oder Momenten widerspiegelt (das ins Bettbringen der einen Tochter, das zu lange Telefonieren der anderen Tochter, fehlende Milch, die noch besorgt werden muss oder ein chaotischer Morgen, in dem die Bäder versperrt werden), was gewiss nicht ohne Klischees auskommt. Sehen wir darin nun Klischees, so muss man aber zugeben, dass ihre Präsentation hier etwas heimeliges, etwas behutsames hat, mit der man mitgeht. Ebenso beobachtet er Tom bei seiner alltäglichen Arbeit, dem Streifenwagendienst, der aber auch immer etwas Außergewöhnliches mit sich bringt, ihn stets als guten Helden präsentiert, womit auch die Figur von Harrison Ford mehr in den Fokus des Zuschauers rückt, der vorher noch Brad Pitts Figur vorbehalten war.


Pakula versucht die Waage zwischen den beiden Figuren zu halten. Es wird aber recht bald klar, dass Ford, das Gesetz, als Protagonist und Pitt, der Gesetzlose, als Antagonist zu verstehen sind. Dies mündet am Ende noch kurz in einem Katz-und-Mausspiel zwischen den beiden Figuren. Der Film verhandelt Aspekte des Feindes im eigenen Haus, die Frage nach Vertrauen, die Frage nach dem, was richtig und was falsch ist und er könnte wahrscheinlich auch noch ein Film über Identitäten sein (schließlich gibt sich Rory unter falscher Identität aus und Tom ist ein Mann von irischer Abstammung, der aber im Herzen Amerikaner geworden ist). Würde er also all diese Themen nicht nur anskizzieren, sondern mehr aus ihnen machen, so würden sie diesem Film etwas geben, womit man als Zuschauer arbeiten kann. Aber das ist vergebens. Die Konflikte, die dieser Film aufwirft, tippt er meist nur an, wirkt unentschlossen, gibt sich mit Kompromissen und Verzögerungen zufrieden, vergisst sich in konventionellen Drehbuchausflüchten (Treat Williams als ein schmieriger Waffenhändler, der um jeden Preis sein Geld will und kein Nein akzeptiert) und das lässt dieses Werk letztlich recht schlicht erscheinen. Der Film erscheint einfach nicht rund, nicht geschliffen, sondern oft grob zusammengeschustert. Womit er sich auch nicht wie eine Einheit anfühlt, sondern wie zersprungen, in gewiss manchmal nicht uninteressante Einzelteile.


5.5 / 10

Autor: Hoffman 



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