Donnerstag, 13. September 2018

Burning Down the House - Kritik: So was von da (2018)



Mit der Verfilmung von Tino Hanekamps Roman »So was von da« widmet sich German-Mumblecore-Vertreter Jakob Lass erstmals einer Romanverfilmung, die er im Sinne seines FOGMA-Manifests als »erste improvisierte Romanverfilmung« umschreibt, in der die Darsteller folglich ohne Textzwang vor der Kamera standen und ihre Rolle interpretierten. Es ist dabei, wie schon »Tiger Girl«, ein Film geworden, der sehr viel mit der aktuellen Generation zu tun hat und der sich vor allem auch mit seinen Mitteln genau an diese schnelllebige Party-Generation wendet. Es ist ein Film, der mehr noch als sein Vorgängerfilm im Hier und Jetzt existiert. Eine Geschichte besteht dabei nur skizzenhaft: Im Zentrum steht der Clubbesitzer Oskar (Niklas Bruhn), dessen Club auf der Hamburger Reeperbahn vor der Schließung steht. Mit der Silvesternacht ist auch die letzte Nacht seines Clubs angebrochen. Der Abriss steht bevor. Doch das ist eigentlich nicht das Problem. Denn das Chaos nimmt seinen Verlauf, als Kiezkalle in seiner Wohnung steht (die Tür steht zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr), und 10 000 Euro bis Mitternacht von ihm fordert. Dies gibt Lass den Anlass in eine Partywelt einzutauchen, in der es kein Morgen gibt, nur den Moment, den der Film ausgiebig in seinen feieraffinen Bildern zelebriert. Der neue Film von Jakob Lass ist ein durchtriebener Exzess, ein wildes Delirium, das seine Figuren wie auch den Zuschauer in einen Rauschzustand versetzt, ihn in einen sogartigen Partystrudel zieht, in dem Lass vor allem verspielt und ungestüm die filmischen Mittel nutzt, um uns in diese dauerberauschte und grelle Welt der Strobolichter und Nebelmaschinen zu ziehen. Der Film ist in sich geschlossen, funktioniert innerhalb dessen, was er ist: Eine einzige Party, die einen hedonistischen Zeitgeist feiert. Der Film reflektiert nicht, er nimmt auf. Er ist ein lauter Stimmungsfilm, der den Zeitgeist aufsaugt und ihn wieder ausspuckt. Demnach handelt es sich um ein eigentlich sehr schlichtes, beinahe fast vordergründiges Werk, das eine große Lust am exaltierten Exzess und neckischen Spaß hat.


Der Film ist dabei in einzelne Kapitel geteilt, deren Überschriften kurz den Kern der folgenden Ereignisse zusammenfasst, und nutzt auch phasenweise das Voice-Over seines Protagonisten, um auftauchende Figuren und Geschehnisse – der Postmoderne entsprechend – zu kommentieren. Das Werk schüttelt den Zuschauer durch und möchte ihn mit seiner lustvollen und performativen Form verführen. Es bietet dabei auch  genau die Bilder, mit denen sie sich (zumindest das junge/jugendliche Publikum) identifizieren kann. Der Film ist insofern amüsant anzuschauen, durchweg unterhaltsam und bildet eine pulsierende Clubodyssee ab, die keinen klaren Faden besitzt, sondern die seine Figuren wahnhaft von einem Ort zum nächsten driften lässt. Aber es ist auch ein schablonenhaftes Werk, das schwimmt, das seine Figuren skizzenhaft, aber inbrünstig und durchaus eigensinnig erarbeitet. Kleinere Risse tun sich auf, aber auch nicht wirklich. Wirklich tief dringt der Film aber nicht in sie vor. Wir können nur erahnen, was vielleicht so manche eine Figur in ihrem Inneren quält. Ein Hauch von leiser Wehmut schwingt aber immer ein bisschen mit, wenn zum Beispiel die Verflossene von Oskar wieder auf der Bildfläche erscheint. Nicht immer ganz sichtbar. Aber doch liegt sie irgendwo zwischen den Zeilen. Es sind viele kleine Geschichten, die hier ineinandergreifen, die übereinander fallen, die sich vermischen, nicht mehr zu trennen sind. In diesem Sprudel verschwimmt alles zunehmend. Der Film begibt sich mehr und mehr auf eine beinahe surreale Ebene, wo Realität und Rausch ineinander fallen. Es geht diffus zu, es gibt keine Übersicht, man befindet sich Mittendrin, in den grell-roten und grünen Räumen, in der Musik und den Tänzen, dem Rausch des Alkohols und der Drogen. Dieser Film ist die Geschichte einer Nacht, die immer wieder in das Wahnwitzige, oft auch ins absurd Ulkige kippt, wenn in den unter Wasser stehenden Toiletten Klobürsten-Kämpfe betrieben werden oder Corinna Harfouch als überkorrekte Innensenatorin in einem Fahrstuhl feststeckt.


Es ist also ein anarchistisches Werk, dass das Haus zum Niederbrennen bringen möchte. Und der Film hört nicht auf. Er bewegt sich. Er taumelt und dreht sich, pulsiert, atmet, knallt. Er denkt nicht an das Morgen. Er eröffnet schließlich auch keinen Diskurs, der über ihn selbst hinausreicht. Der Film will zwar immer mehr. Aber an das Mehr denkt er trotzdem nicht. Der Film ist komplett in seiner Gegenwart verankert.Der Film hört nicht auf. Erst am Beginn des neuen Tages, wenn das Alte ausgelöscht, dann kann der Film sein Kapitel schließen. Denn es ist ein Momentaufnahme, die man sich festhalten muss, da sie sonst rasch wieder verfliegt und sich im Sonnenlicht eines neues Tages auszulösen beginnt.


6.5 / 10

Autor: Hoffman  

2 Kommentare:

  1. Ah, ich fand auch schon "Tiger Girl" als Momentaufnahme gelungen. Der hier klingt ähnlich enervierend und auch wenn ich wahrscheinlich nicht (mehr) in die avisierte Zielgruppe falle, scheint ein Blick durchaus wert zu sein.

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    1. Ja, der ist als zeitgeistiger Stimmungsfilm schon gelunger als vieles, was man derzeit in de Sparte so in Deutschland zu sehen bekommt. Vor allem, weil er den Exzess ohne schwermütigen Ballast auslebt. Ist aber andererseits auch nicht so selbstreflexiv wie Tiger Girl. Warum der Film aber letztlich so untergegangen ist (zumindest mein Gefühl), hab ich nicht so ganz verstanden.

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