Sonntag, 12. Februar 2012

Kritik: "Into the Wild"


Trotz schweigender Einsamkeit und eisiger Abschottung zur Zivilisation scheint dies die Wanderung eines einzelnen jungen Mannes nicht zu unterbrechen. Ihm scheint Lage, Ort und selbstgewähltes Zeitgefühl das zu geben, was ihm seine vorherigen Lebensabschnitte nicht geben konnten. Es ist eine Aufarbeitung vor drohender Selbstentfremdung, ein Hilfeschrei, den er sich annimmt, bevor dieser seinen Körper zwanghaft beginnt in eine Richtung zu manövrieren, die zur eigenen Manipulation führen würde.

Er bricht aus, wehrt sich gegen das, wovon die meisten von uns nur träumen, weil der Wille zum Losziehen und Abschied nehmen durch den folglich herrschenden Konsum- und Lebensstandardverzicht bittere Einschränkung erfährt. Es bleiben oftmals Vorstellungen. Umso mehr ist es zu bewundern, dass Student Chris (Emile Hirsch) den Mut hat, den sich viele nicht verschaffen können und wollen. Dass bis jetzt von ihm geführte Leben, welches von materiellem Gut und gekaufter, aber nicht gefühlter Liebe Prägung erfährt, möchte er hinter sich lassen. 

Sean Penn filmt diese Suche nach Freiheit und Selbstfindung mit kraftvoller Hand, einem grandiosen Emile Hirsch und lässt uns verschiedene Abschnitte der Existenz, zugeschnitten auf Chris, aber übertragbar auf uns alle, durchlaufen. Kämpferisches Bestreben stößt dabei auf wundervolle, stärkende Aufnahmen von Naturschauspielen, die unberührt und mit schweigsamer Sprache ihren Zyklus folgen. Den Kontrast dazu bilden gelegentliche Ausflüge ins laute, hektische und nie ruhende Bild der Städte oder Begegnungen mit fremden, aber dennoch verbundenen Menschen. In diesen Szenen, insbesondere bei Gesprächen zwischen den sich Treffenden, dient Chris häufig als Symbol für neu aufbauende Tapferkeit und veranlasst durch seine situationsunabhängige Gelassenheit eine Steigerung des Selbstwertgefühls derer, die es in der Vergangenheit verloren haben.

Dadurch erlangt „Into the Wild“ eine berührende Geschlossenheit, an die man sich auch nach Abspann noch erinnern wird. Kleinere Längen blieben bei mir jedoch, trotz durchweg brillantem und melancholischem Zusammenspiel von Bild und Schauspielerei, nicht aus, auch der den Film unterstützende Soundtrack war mir teilweise etwas zu aufdringlich in die filmische Darstellung integriert.
Das soll aber niemanden davon abhalten, gemeinsam mit Chris aufzubrechen, in die Freiheit, in die Natur.
 

 7,5 / 10
Autor: Iso

2 Kommentare:

  1. Eine gute Rezension. Leider habe ich zuvor das Buch gelesen und mich bereits im Internet über Christopher McCandless erkundigt, wodurch das melancholische Ende nicht mehr seine ganze Wirkung entfalten konnte. Die Kritikpunkte kann ich bestätigen, nur empfand ich die Längen nicht als gravierend. Ich hätte auch gerne die Sichtweise und Entwicklung der Eltern mehr beleuchtet gesehen. Nach wie vor ein sehr empfehlenswerter Film, welcher noch häufig angesehen wird. Ich habe ihm damals einen Punkt mehr vergeben. Schade, dass nicht mehr Filme dieser Art und Roadmovies erscheinen.

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  2. Danke. :-) Ja, da ist die Wirkung dann natürlich nicht mehr im vollen Maße vorhanden - dürfte ein ähnlicher Effekt sein wie bei "127 Hours". Wobei die schlussendlich natürlich trotzdem 'nen intensiven Effekt haben.
    Das stimmt, die Eltern kamen bisschen sehr kurz weg, noch blöder, weil die mit fantastischen Darstellern besetzt wurden. War ja aber auch mehr Chris' Lebensgeschichte, daher isses irgendwo nachvollziehbar, warum die nicht mehr Platz eingenommen haben.

    Und noch einmal "Danke". Freut uns sehr, wir sind bei Deinem ja auch schon dabei. :)

    Gruß

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