Freitag, 27. April 2012

Wer sind die, die wir uns zu Monstern machen? - Kritik: "Monsters"


In ‚Monsters‘ sollte man nicht die Antwort suchen, wann die Monster angreifen, sondern vielmehr, wer die Monster sind. Nicht treffender hätte der Titel gewählt werden können, lässt er uns doch in dem Irrglauben, es ginge hier um außerirdisches Leben, welches die menschliche Spezies bedroht. Dabei ist die eigentliche Problemlage viel simpler und alltäglicher. 

‚Infizierte Zone‘ wird der Umgebungssektor genannt, um welchen es in dieser Science-Fiction-Vision geht, die gleichzeitig fast nichts mit Science-Fiction zu tun hat. „Monsters“ ist kein Film über fremde Kreaturen, die sich in unserer Welt eingenistet haben, es ist ein Film über uns, die Menschen. Die vermeintlichen tentakelähnlichen Monster fungieren größtenteils als Metapher und lassen uns fragen, wie wir anderes Leben, und das muss nicht zwangsweise aus dem Weltall kommen, akzeptieren können, wenn wir uns selbst untereinander nicht akzeptieren. Immer wieder leuchten am nächtlichen Himmel ‚Blitze‘ auf, die davon zeugen, dass neue Bomben auf die 'Wesen' fallen, die wir nicht verstehen, sondern eindämmen wollen, um das herrschende Gleichgewicht zu bewahren – würde es unser aller Leben doch aus der Bahn werfen. Wir sträuben uns vor Veränderungen, auch wenn wir sie immer anpreisen, weil wir nicht wissen, was mit uns passieren würde. Der Mensch bekriegt den Mensch, der den feindlichen Mensch, der Kreatur, gegenübersteht, selbst wenn es, und das wird im Verlauf des Films immer wieder gezeigt, keinen ersichtlichen Grund dafür gibt. Es ist die Verteidigung des Ranges. Und die, die im Krisengebiet wohnen, müssen notwendige Verluste hinnehmen und die, die sich durch den Krieg kennenlernen und danach wieder auseinandergerissen werden, müssen zwanghaft verstehen, dass sie sich nicht gegen die einhergehenden Stufenregelungen auflehnen können, die sie zu Individuen machen, die sie so nicht sein wollen. Nicht jeder wird mit diesem Film glücklich werden, vor allem nicht die, die nicht mit einem solch interpretationswürdigen Independent-Drama, sondern eher mit einem kleinen Action-Sci-Fi-Horror im „District 9“-Gewand gerechnet haben. Das kann man ihnen nicht zum Vorwurf machen. Dennoch ist es schade, dass „Monsters“ viel weniger Anerkennung fand, ganz im Gegensatz zu Bloomkamps Slum-Hatz, als er es verdient hätte. Denn viel feinfühliger wird mit den Themen Integration und überflüssigem Hass umgegangen, viel filigraner werden sie ausskizziert. 


Vor allem das eingebundene Beisammensein zwischen Samantha (Whitney Able) und Andrew (Scoot McNairy), in Form zweier Menschen, die sich durch den ‚Krieg‘ kennenlernen, ist eine Ode an die Liebe. Weil Zusammenprall und Fügung sind nicht kalkulierbar. „Monsters“ macht das mehr als deutlich. Wenn man so will, dann ist dieser kleine Film wie eine wunderbare Kurzgeschichte, die so ungewöhnlich anders ist, dass sie kaum jemand lesen wird. Es ist schlicht beeindruckend, und mir ist immer noch nicht ganz klar, wie das möglich ist, wie wenig man von den beiden Protagonisten erfährt, sie aber dennoch nie den Anschein erwecken, sie seien einfach nur da, ohne jedoch etwas zu tun. Beide sind elementare Bestandteile einer sich ungewöhnlich gebenden Handlung, die Regisseur Gareth Edwards gekonnt und ebenso ungewöhnlich zu erzählen weiß. Die Liebe zwischen den sich beiden (vorher) Fremden ist einfach zu anders, als das sie von jedem verstanden werden kann – und das ist kein Fehler. 

In „Monsters“ geht es grundsätzlich darum, dass wir unseren geglaubten Ängsten ausgeliefert werden müssen, um zu verstehen, ob sie tatsächlich das sind, wofür wir sie hielten. Ob der Feind der ist, als der uns vermittelt wird. Edwards ist jedoch nicht gutgläubig. Er lässt uns eben nicht in den Glauben, zwei Menschen und deren Auffassung können die Welt und deren Auffassungen verändern. Im Gegenteil: Er reißt sie, die beiden Blickenden und Begreifenden, auseinander, ohne das wir wissen, was nun aus ihrem Erlebten wird und wie es sich auf das restliche Leben von Samantha und Andrew auswirkt. Das schlussendliche Resümee – wird aus bloßen Ansichten vielleicht auch eine Vermittlung für weitere Bevölkerungsschichten? - überlässt man uns. Geliefert wird aber genug, um begreifen zu können, dass wir mit den Monstern aus Büchern oder fremden Galaxien abschließen müssen, denn sind wir es, die aus diesem hässlichen Begriff ihr Tun und Lassen schöpfen. Dies mag eine hässliche wie auch übliche Erkenntnis sein. Deren hier vorzufindende Inszenierung ist es jedoch, die so regelwidrig-schön und anders ist.


8 / 10
Autor: Iso 

4 Kommentare:

  1. Bähm! Sehr geile Kritik, der Titel kam mir bekannt vor, hatte ihn jedoch erfolgreich verdrängt. Wird auf jeden Fall angeschaut! Bitte, bitte weiter so! ;)

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  2. Liest man gerne. :-) Empfohlen sei er Dir wärmstens, wie jedem anderen auch. Ein besonderer Film, der mir sehr, sehr gerne im Gedächtnis blieb und bleiben wird. Nie hat man konsequnter und schöner mit einem titelgebenden Wort gespielt.

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  3. Gerade gelesen, dass Whitney Able und Scoot McNairy auch im realen Leben ein Paar sind - da wird einiges klarer und verständlicher.

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  4. Mich hat Monsters ebenfalls positiv überrascht. Die Idee, dass Ende am Beginn des Films nahezubringen, wird leider zu selten genutzt. Übrigens war laut Regisseur die Botschaft, dass mexikanische Immigranten, welche ein besseres Leben in Amerika anstreben und dort nicht selten auf die identen Sorgen und Probleme stoßen ein Zufall. (Sam und Andrew treffen die Monster auch in Amerika).

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