Dienstag, 17. Juli 2012

Er will doch nur, dass man ihn liebt - Kritik: Drive




».What do you do?« - »I drive.« - Lange. Lange Zeit habe ich nun darauf gewartet. Lang ist es her. Nun gekauft. Und da belästigte mich doch fast schon pervers-penetrant die Zierung des Covers »Der beste Film des Jahres« - erstmals seitdem das Wort Hype sich materialisierte - obgleich ich doch dabei nur den schnuckeligen Ryan Gosling mit meinen Augen neugierig begaffen wollte, so nebenbei halt. Ging halt nicht. Zu was anderem. Ironie des Schicksal scheint es einzig, dass ich »Drive« nur einer genaueren Beobachtung unterzog, weil »Crazy, Stupid, Love« (der mich mehr interessierte) wesentlich kostenspieliger war. Man muss meine Form von extravaganten Kapitalismus nicht verstehen - ergibt eh keinen Sinn. Wo also beginnen bei Nicolas Winding Refns »Drive« aus dem Jahre 2011 - sogar nach einem Roman ist er, jener von James Sallis. Toll nicht? Schwierig sich insofern überhaupt zu sammeln, denn trotz pessimistischen Blick auf den Film, könnte man von »Flash« sprechen. Es kommt schon einer innerlichen Zerreißprobe nahe, wenn ich es so betrachte.




Um dies in logischen Kontext zu setzen als Antwort, also chronologisch beginnen. Beim Intro: Es schien mir so als würde Refn hierbei gleich von den ersten Minuten an, eine bestimmte Sogwirkung erzielen wollen - er absolutistische Züge nehmen Form an, Refn lässt das Nachtleben Los Angeles in seiner Schönheit glänzen - wie man davon träumen möchte. Ich liebe solche Passagen der einsamen Nächte. Samt elektrisierenden Sound. Ein Klang wie ein Herzschlag. Suggestiv setzt Refn auf Akustik und fesselte mich beileibe. Optisch hervorragend und von klinischer Kälte geprägt - die Anfangssequenz - grandios!

Bloß blöd: Die ist mehr Schein als Sein, eine Fälschung. Plagiiert von Walter Hills »Driver«. - jedoch weiß Refn wenigstens diesen Part auszuloten. Wie gesagt Sogwirkung, bei mir auch hervorgerufen durch unterkühlte Bilder, die insofern eine gewisse Stille im Werk suggerieren, diese stilistische Ausarbeitung ist faszinierend wie auch meinerseits atemberaubend, obgleich »Drive« mit seinem Retro-Look dabei knapp, aber wirklich nur knapp an einer Videospielästhetik vorbeischrammt. Vergleiche mit Spielen bestätigen dies, doch ein Film ist und sollte kein Videospiel sein. Glück für Refn.

 Dabei reduziert wie auch minimalisiert Refn alles auf das geringste. Er entschleunigt das ganze Szenario. Nie wirkt sein Film gehetzt, deutet stets die Stille und Ruhe seines Werkes an. Bis es langsam unter der Oberfläche beginnt zu brodeln. Er lässt seine Bilder sprechen. Ein Wort nicht unbedingt von Nöten durch Refns eiskalte und absolute Präzision bei der Regie, trotzdem auch hier scheint Refn nur dem Mustern von Hill zu folgen, bloß wesentlich vordergründiger. Ohne wirkliche Innovation.

Andererseits fiel es mir doch selbst schwer mich so dieser Atmosphäre zu entziehen - schwierig überhaupt nüchtern während des Verlaufes zu betrachten. Wiederum muss man dabei anmerken, dass Refn nichts anderes tut als den Regiestil Quentin Tarantinos zu kopieren. Es ist im Grunde genau Tarantinos Stil, bloß bei »Drive« statt ironischer, eigensinniger und referiender Groteske eben unterkühlte Einsamkeit, die eines Melvilles. Dazu weiterhin noch die zynische und reaktionäre Härte eines Sam Peckinpah, ebenso jene eines Scorsese, wie auch dessen stilistische Gestalt - »Casino« zum Strahlen, unübersehbar: »Taxi Driver« - für alternative: »Bringing Out the Dead«, vermischt mit der Optik eines Michael Manns - nicht zu vergessen der Akustik und dem Geräusch als bedeutendes Stilmittel frech übernommen von Coppola und dessen elementar verkanntem »Conversation«. Dann noch ein wenig Sergio Leone hinzugeben und ach William Friedkin nicht verleugnen, der hatte auch Anteil mit Provokation und Verlauf mit stimmigen »Connections«  und dem »Leben und sterben« . Besonders essentiell und bedeutenden Einfluss pflegen wie erwähnt Tarantino und Hill, wobei Hill bekanntlich von seinen Meistern Peckinpah und Peter Hyams lernte, die Erwähnung von »Bullitt« sollte reichen, auf Refns Stil, eine simple Verkettung dieser Regisseure.

Wenn ich drüber nachdenke ist dies wohl gerade erst ein Auszug, aber wir bleiben subtil. Und schon hat man »Drive«. Man könnte das ohne Zweifel als Plagiatur bezeichnen. Während die Handlung an sich aus heutiger Sicht - außerdem formelhaft, altbekannt und nahezu abgetreten daherkommt, aber in hübscher Aufmachung. Das Problem dabei mag sein, dass Refn seinem zitierten Stoff überhaupt nichts hinzu zu fügen weiß, wenngleich dabei auch nicht immer schlüssig, wenig Innovation pflastert den Fahrweg von »Drive«. Selbst die verschiedenen Stilmittel der Anderen muten bei Drive altertümlich an, dass Refn diese glatt und auf Hochglanz poliert mag da noch einer ganz anderen Formel entsprechen.



Aber bleiben wir konstruktiv: Was mir gefällt. Der Dualismus und die Ambivalenz des Protagonisten an sich. Wiederum auch dieser zeichnet sich weniger durch Neuorientierung aus, irgendwo interpretiert zwischen den wortkargen Rollen Clint Eastwoods und erneut Walter Hills namenlosen »Driver«, den dieser allein durch diese Klassifizierung charakterisieren ließ, um die innere Isolation des Protagonisten aufzuzeigen - selbigem geht Refn nach.

 Insofern übertragt Refn auch seine minimalisierte Bildsprache auf seinen Protagonisten. Zeichnet ihn als eigenwilligen Außenseiter der Gesellschaft, der verstummt ist und es lässt sich nur spekulieren, ob die Arbeit als Fluchtwagenfahrer dazu dienlich ist aus der Einöde des Lebens mit solchen Adrenalinschüben auszubrechen. Es mutet zumindest in erster Linie als Reflexion der Sehnsüchte und Einsamkeit an, ja wie bei Hill, Scorsese und Freunden. Das ist nun wirklich nichts neues.

Der »Driver« ist in seiner Isolation abgestumpft von menschlichen Emotionen. Die innere Wut trägt er in sich. Ein Gefangener in seiner Zwiespalt, der sich durch seine Nachbarin Irene versucht wieder zu integrieren, aber letztlich daran scheitert bis es schließlich zur allseits geliebten »Explosion des Schweigens« kommt - das kann noch so abgetreten sein wie es möchte, ich finde es jedes Mal faszinierend - Der »Driver« vermag es nicht mehr zwischen Recht und Unrecht zu entscheiden, eine Grenze nicht mehr existent. Eine verlorene Seele.



Überraschend gut von Ryan Gosling gemimt, obgleich dieser nur der Tradition von »Le Samourai« (Alain Delon), Steve McQueen oder eben dem geschliffenen Namensvetter Ryan O´Neal folgt, aber doch ganz gut gespielt, auch wenn er doch in seinen Blicken teils viel zu lang verharrt. Der wahre Star bleibt eh Albert Brooks mit präziser Eleganz und charismatischer Kaltschnäuzigkeit mit abgeklärtem Blick und Sonnenbrille.  - Bryan Cranston sympathisch - bemerkenswert: Refn scheint keine Emanzipierung der Frau zu mögen. Reaktionär ist halt trendy. Vielleicht ja auch nur wegen der Referenz.

Wie eben auch diese bei der drastischen Gewaltdarstellung, wobei es auch hier problematisch wird, da Refn die Gewalt ästhetisiert. Ja, er mag Peckinpah (oder andere) zitieren, jedoch liegt der Unterschied dabei, dass Peckinpah die Gewalt stets roh und dreckig darstellte und nie glorifizierte, zum anderen, dass hierbei diese explizite Gewaltdarstellung fast schon banale Formen annimmt. Man bedenke, die hochstilisierte Gewalt bekommt man jetzt sogar noch in Zeitlupe zu betrachten, so ist es kein Wunder, dass man meinen könnte diese verkomme zum puren Selbstzweck, auch wenn die Geschichte diese voraussetzt, jedoch das hier ist maßlos.

Den Großteil der technischen Raffinesse übernimmt man eh übrigens von Brian De Palma selbst. Gespalten bin ich hingegen auch beim Soundtrack - mein Gefallen an den suggestiven Klängen erwähnte ich bereits - zum einen spiegelt auch dieser die Seele seines Protagonisten wieder, die Songs an sich alle ganz gut mit ihrem Elektrosound, mehr oder weniger. »Night Call« reflektiert recht passend die Melancholie des Films, trotzdem irgendwie seltsam eingesetzt. Für mich so abstrus und so prävsionär in Kombination mit den Bildern, etwas abwegig und irgendwie sinnwidrig, obgleich fast manipulativ. Absurd. Zumindest gewinnt der Soundtrack so eine markante Besonderheit. Bin ich vielleicht auch nur nicht gewöhnt. Vielleicht sollte dies ja solch abstrakte Formen haben?



Dabei möchte »Drive« doch nur eins: Er will doch nur, dass man ihn liebt. - Fassbinder definierte. Und irgendwie stimmte mich Refn doch versöhnlich. Bekanntlich sind Faszination und Spannung die größte Manipulation des Zuschauers. Man wird ja oft genug emotional gefügig gemacht, allerdings stört dies weniger als gedacht wie auch die Tatsache der Verkultung jener »Skorpion-Jacke«. Solls auch geben, trotz der Tatsache, dass diese den Charakter des Drivers als zwanglos (Synonym: für »cool«, weil ich das Wort so bedeutungsschwanger finde) darstellt, was ihn vielleicht etwas von seiner Wirkung rauben könnte, nichtdestotrotz hierbei unerheblich - nur als Erwähnung. Lobenswert ist es dennoch, dass Refn bei »Drive« in heutiger Zeit mit solch minimalisierten Tempo voranschreitet mit Neo-Noir-Einfluss. Die Ruhe und Stille stets bewart und die Nächte von L.A. faszinierend und kaltblütig bebildert. ob ungeachtet davon nicht immer geschickt das Drehbuch ausgearbeitet sein mag. Der Gedanke bleibt, vielleicht schon wieder viel zu positiv: Ein aufregend-archetypischer Film in seiner puren Entschleunigung, bis er schließlich zum vollkommenen Stillstand gelangt. Jedoch weit von dem entfernt, als das was er verkauft wird.



6.5 / 10

Autor: Hoffman

2 Kommentare:

  1. Du & ich gemeinsam gegen Gosling-Filme. ;-)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. So und gefähr. :) Demnächst kommt dann ja auch noch »Half Nelson«, da muss ich den aber mal loben!:O Der hat er keinen Schnauzer, sondern ein kleines Pflaster und einen ausgefransten Bart. :O Und den Crazy, Stupid. Love will ich ja auch noch sehen.....Blue Valentine gehört dir erstmal.

      Löschen