Aber warum? Nun, fangen wir mal von vorne an: Tarantinos
Filme leben nicht wirklich von ihrer Story, sondern von ihrem Stil. Sie
erzählen immer relativ simple Stories von Figuren, die fast schon in einer
eigenen Welt leben. Da wären die Gangster aus Reservoir Dogs und ihr
gescheiterter Raubüberfall. Oder die Braut, die sich an ihren Peinigern recht.
Und auch nicht zu vergessen Stuntman Mike aus meinem heimlichen
Lieblingstarantino, Death Proof, der einfach nur durch die Gegend fährt und
Mädels tötet. Das sind alles Geschichten, die keine wirklichen epochalen
Ausmaße annehmen. Geschichten, die sich in einer Welt abspielen, die so gut wie
alle Zuschauer nicht betreten wollen und auch nicht kennen. Es sind einfach
Geschichten, die Tarantino cool findet, und mit denen er seine Lieblingsfilme
durch Homagen ehren will. Doch Inglourious Basterds ist da ganz anders. Hier
haben wir es in der Tat mit einer Geschichte von epochalem Ausmaß zu tun. Nicht
nur, dass sich Tarantino mit dem Zweiten Weltkrieg einen historischen
Schauplatz für seinen Film ausgesucht hat, er will sogar die Geschichte des
Zweiten Weltkriegs neu schreiben und ihn einfach mal ein Jahr früher beenden.
Dagegen ist ja auch nichts einzuwenden, wäre ja eine schöne Sache gewesen, wenn
es wirklich so gelaufen wäre… Doch ich schweife ab. Ich finde mittlerweile,
nach gefühlten 20 Sichtungen der Basterds, dass sich Tarantino bei dieser
Thematik übernommen hat. Denn schauen wir uns mal Tarantinos Portfolio an.
Seine Filme leben davon, dass sie sich ins Gedächtnis des Zuschauers einbrennen.
Von ihren denkwürdigen Figuren und Dialogen. Alleine schon Pulp Fiction, der
zwar nicht mein Lieblingsfilm von ihm ist, bietet so viele denkwürdige Momente,
wie manche Filmographie eines normalen Regisseurs. Ich meine, Vincent Vega,
Jules, Mr. Wolf und wie sie alle heißen aus Pulp Fiction, oder die Gangster aus
Reservoir Dogs... Die vergisst man einfach nicht so schnell. Doch was ist da
bei Inglourious Basterds schiefgelaufen?
Die Antwort ist simpel und auch ein wenig widersprüchlich:
Christoph Waltz aka SS-Oberst Hans Landa. Einerseits eine wirklich
herausragende schauspielerische Leistung seitens Waltz, für die er zurecht den
Oscar erhalten hat und mit der er eine der denkwürdigsten Tarantinofiguren
geschaffen hat. Aber das ist auch das Problem: er stiehlt allen anderen die
Show und seine Figur ist einfach zu groß für diesen Film. Er ist einerseits der
furchtbare und hinterhältige Schurke, doch gleichzeitig strahlt er eine
absolute Coolness und Faszination aus. Man verachtet und bewundert ihn zugleich,
er brennt sich wirklich ins Gedächtnis des Zuschauers ein. Aber, zu Beginn des
Films ist er noch ganz klar der Böse, doch dies ändert sich mehr und mehr und
er füllt nahezu jede Rolle aus. Er ist zunächst ein loyaler Nazi und der
Gegenspieler der Basterds, doch gegen Ende verbündet er sich, auch wenn er nur
auf seinen eigenen Vorteil aus ist, und hat einen maßgeblichen Anteil daran,
den Krieg zu beenden. Jedoch bleiben seine Verbrechen nicht vergessen und die
Basterds bestrafen ihn, wodurch er wider rum zum Opfer und einer
mitleiderregenden Figur wird. Also um es mal zusammenzufassen, Hans Landa ist:
Bösewicht, Antiheld und Opfer zugleich. Er vereint eigentlich alle Seiten in
sich.
Sagen wir es mal so: Wäre Inglourious Basterds das
Sonnensystem, so wäre Waltz ganz klar die Sonne und die restlichen Darsteller
die Planeten. Alles dreht sich mehr oder weniger um ihn. Er stellt alle,
wirklich alle, mal so was von in den Schatten. In jeder Szene, in der er
auftritt, ist er der Mittelpunkt des Geschehens. Er gibt den Ton an. Er treibt
die Handlung voran. Er ist Herz und Seele des Films. Ich will Waltz auch keinen
Vorwurf machen, er spielt wirklich sensationell und auch Sachen wie Overacting
vermeidet er gekonnt. Jedoch hat da Tarantino einiges falsch gemacht, er hat
Waltz‘ Rolle viel zu groß und vielschichtig gemacht. Die anderen Figuren wirken
einfach total eindimensional: Pitt ist das Raubein und der Anführer der
Basterds, Roth ist einfach Pitts brutaler Handlanger. Laurent, die mir zwar
gefallen, ist die Rächerin. Brühl der schleimige, naive Vorzeigesoldat der
Deutschen. Usw… Und Waltz ist einfach alles. Denn immer, wenn ich mir
Inglourious Basterds angeschaut habe, tat ich das einfach nur wegen Waltz‘ Rolle.
Sie hat mich einfach beeindruckt und fasziniert. Während ich bei Pulp Fiction
an mehrere Figuren gleichzeitig denke, so denke ich bei Inglourious Basterds
automatisch an Waltz. Er ist Inglourious Basterds.
Doch das ist noch nicht alles. Wie ich bereits gesagt habe,
will Tarantino in Inglourious Basterds Geschichte (neu) schreiben. Er nimmt
sich da eine Wahnsinnsthematik vor. Doch gleichzeitig will er nicht auf seinen,
sagen wir mal coolen Stil verzichten. Und das ist auch ein Problem. Der Film
verliert sich zu oft in – für Tarantino zwar typische, aber bei einem Film, der
so ein riesiges Thema angeht, unpassende – Belanglosigkeiten, die die Story kein
bisschen vorantreiben und beim ersten mal vielleicht noch zu unterhalten
wissen, aber den Zuschauer jedoch ziemlich unnötig vom Geschehen ablenken. Ich
führe mal als Beispiel die Szene in der Kneipe heran, hier verliert sich der
Film stellenweise in eine pure Sinnlosigkeit, die der Story erheblich schadet.
Alleine schon das Einführen von Figuren, die fünf Minuten später schon wieder
getötet werden, war hier ziemlich schlecht. Klar, das ist Tarantino. Ich weiß.
Aber hier hat es einfach geschadet. Bei Filmen wie Reservoir Dogs, Jackie
Brown, Death Proof, usw. habe ich keinerlei Probleme damit, da diese Filme
eigentlich keine wirklich epische Geschichte erzählen, doch bei einem Film, der
so eine große Geschichte erzählen will, finde ich es schon ziemlich nervig und deplatziert.
Inglourious Basterds ist für mich ein Film, der etwas ganz
großes, nämlich ein Weltkriegswestern, sein will, jedoch im Prinzip eine
absolute One Man Show seitens Christoph Waltz ist. Ich weiß, das ist ein hartes
Urteil und ich will hier auch kein Tarantino Bashing betreiben, denn das ist
mittlerweile genau so sehr mainstream, wie Tarantino-Fanboy zu sein. Ich mag
den Mann ja, jedoch kann ich nicht jeden Film von ihm einfach so hinnehmen und
schönreden. Inglourious Basterds bietet mir einfach zu wenig. Er hätte das
Potential zu einem großen Film gehabt, doch dieses Potential hat er leider
nicht ausgeschöpft. Ich könnte als Gegenbeispiel meinen heimlichen
Lieblingstarantino, Death Proof, heranführen, der eigentlich die pure
Belanglosigkeit ist, aber es schafft, aus diesem kaum bis gar nicht vorhandenen
Potential das Maximum, wenn nicht sogar mehr als das, herauszuholen. Das kann
Tarantino auch. Er ist ein Regisseur, der es versteht aus wenig viel zu machen.
Aber andersrum wohl eher nicht. Ich habe auch Befürchtungen, dass ihm bei
Django Unchained das Gleiche wie bei Inglourious Basterds passieren könnte,
denn ein Western hat auch enormes Potential für einen großen, denkwürdigen
Film, und es wäre schade, wenn er dies nicht ausschöpfen könnte. Ich hoffe mal,
dass Tarantino aus seinen Fehlern bei Inglourious Basterds gelernt hat…
Aber Inglourious Basterds ist trotzdem kein schlechter Film.
Das wäre zu hart. Die Grundidee und Moral des Films, dass die Magie des Kinos
unbesiegbar ist, ist schön und hat mir auch gefallen. Auch als Hommage an
Italowestern und Kommandofilme ist Inglourious Basterds recht gelungen, was vor
allem am tollen Score liegt, der einfach wie die Faust aufs Auge passt. Aber
die Schwächen überwiegen hier einfach. Inglourious Basterds funktioniert als
unterhaltsamer Blockbuster sehr gut, doch mehr halt auch nicht. Für einen
Regisseur wie Tarantino, dessen Filme eigentlich gerade davon leben, mehr zu
sein, als nur normale Filme, ist das dann leider schon ziemlich enttäuschend…
5.5/10
Autor: MacReady
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