Mittwoch, 25. Februar 2015

Ist das Leben ein Melodram? - Kritik: Begegnung in Venedig (1998)





Äußerst originell und dazu noch informativ präsentiert Claude Lelouch als eine Art Prolog für sein Werk eine Werbung für eine Fernsehdokumentation, bei der es um plündernde Eisbären in Churchill geht. Worauf dann auch die augenzwinkernde Überleitung zum Film selbst folgt. Dort wird eine muntere Spielerei von Theater und Leinwand gezeigt, die wiederum von einer Kamera festgehalten wird. Was mag das nur bedeuten? Eine Geschichte beginnt, der Erzähler weiß aber noch nicht wohin es gehen soll. Es wird gezeigt, je größer das Unglück, umso grandioser das Leben. Lelouch hat seinen Film clever verpackt und zunächst assoziativ und sprunghaft verschachtelt zwischen Realität und Fiktion. Das mag anfangs etwas wirr sein, ist aber dabei ebenso anziehend wie auch anregend. Man kann sagen, dass Lelouchs Film zunächst die Position eines verschlüsselten Puzzles einnimmt. Es ist ein langsames Begreifen, was auch verstehen heißt, das hier vonstatten geht, sodass man schon bald in die Geschichte findet auf eine unkonventionelle Weise.




Eine ehemalige und geschiedene Tänzerin Miriam kommt nach Venedig mit ihrem Sohn und lernt dort den lebenslustigen Kunstmakler und Fälscher Pierre (warmherzig: Pierre Arditi) kennen, für den sie, die Frau seines Lebens ist. Sie verlieben sich ineinander. Dort gibt es Gespräche über Männer und Frauen, über mittelmäßige Wahrheiten und die schöne Lüge, über das Echte und das Falsche und auch über das Leben und die Kunst. Denn die Lüge, das ist Lebenskunst! Während die Wahrheit Träume verhindert, nur für Menschen ohne Sorgen ist. Dagegen ist die Lüge das (gefährliche!) Spiel des Lebens. Lelouch interessiert sich hier eigentlich weniger für Räumlichkeiten als für seine Figuren und ihre Bewegungen und Gesichter, die Kamera ist dabei exakt positioniert worden, auf ihnen ruht sein Fokus. Die Rückblenden erfolgen stichwortartig. Daneben entlarvt Lelouch zeitweise auch ironisch ausgesprochenen die Lügen seiner Protagonisten für den Zuschauer, in dem er die wahren Gedanken dieser Momente als Schriftzug einblendet. Es wird natürlich auch über Schicksal, Zufall und Glück geredet. Das ist stets elegant inszeniert und gerade dieser Teil von Lelouchs Erzählung versprüht so eine gewisse Leichtigkeit, der man sich gerne hingibt. Es gibt hier schließlich auch Küsse wie im Kino. Es wird ein zweiter Handlungsstrang eingeführt von einem Geschichtsprofessor, namens Marc, der besessen ist von der Wahrheit und der Projektion. Und wieder rätselt man, wofür Lelouch ihn verwenden wird. Wie er sich in das ganze Konzept einfügen wird? Das wird - auf das Folgende bezogen - doch schon recht clever mitein gewebt. Miriam, Pierre und ihr Sohn gehen auf Reisen, auf einer alleinigen Bootsfahrt von Pierre und ihrem Sohn verschwinden (= sterben/ertrinken?) Beide. Er zeigt es nicht, aber man weiß es: Das Boot ist verlassen und die Kamera des Jungen zeigt Beide wie sie über Bord gehen. Was bleibt sind Verlust, Trauer und Einsamkeit. Tod und Vergänglichkeit sind in Miriams Leben getreten.



Nun hält sie alles auf der zurückgeblieben Kamera für ihren Sohn fest und geht zu den Eisbären in Churchill und den Eishockeyspielern in Montreal. Nun durchzieht eine gewisse Melancholie den Film. Doch die Kamera wird gestohlen und nun verbindet Lelouch diese zwei Handlungsstränge miteinander, denn diese Kamera gelangt über Umwege in die Hände Marcs, der fasziniert von den Bildern und von dieser Frau ist, sodass er sich auf die Suche nach ihr begibt, während die erneut damit beginnt (mit einer neuen Kamera) die Ereignisse und Orte festzuhalten (als eine Art Erinnerung), bis zu den Felsenspringern von Acapulco. Die schwarze Kleidung Miriams ist dabei wohl symbolisch als ihr innerer Zustand zu deuten, während Marc in Weiß gekleidet ist, was für Hoffnung, Zuversicht und Optimismus steht. Und, ja auch Lelouchs Film ist nicht zuletzt ein hoffnungsvoller Film. Das Leben ist ein Mix verschiedener Genres, das Leben ist auch ein Melodram. Ebenso hält es sich mit Lelouchs Werk. Und darüberhinaus ist es auch ein schöner Film mit Chansons.



7.0 / 10


Autor: Hoffman 

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