Mittwoch, 29. April 2015

Short Cuts: Drei Filme von Louis Malle

Fahrstuhl zum Schafott (F 1957)


Louis Malles Debüt zeichnet sich durch seine immense Akribie aus. Er nimmt sich Anleihen beim Film noir. Paris ist bei ihm eine düstere und moderne Stadt. Jeanne Moreau ist zunächst melancholisch, daraufhin kühl - wie der ganze Film. Maurice Ronet sitzt fest und ein junges Päarchen stiehlt währenddessen seinen Wagen (gerade diese Beiden waren mir unsympathisch und viel zu einfach gestrickt, als, dass ich ein weiteres Interesse an ihnen gehabt hätte, aber die Angst des Jungen mit der Polizei wieder in Konflikt zu geraten ist immerhin etwas). Malle erzählt diese Geschichte der Zufälle und Unberechenbarkeit mit typisch französischem Fatalismus. Die Handlung wird aber auch zerdehnt. Er hält Distanz zu Figuren und Ereignissen. Eiskalt sind die Bilder, was die Figuren natürlich schwer zugänglich erscheinen lässt. Es gibt kein Mitfiebern, sondern nur das Beobachten, das wirklich detaillierte Beobachten, denn Malle entwickelt langsam, sehr langsam. Er entwickelt den quälenden Weg, der langsam, aber sicher ist, in den Tod führt.

7.0 / 10



Zazie (F 1961)


Louis Malles »Zazie«, das ist eigentlich nichts anderes als Kino in seiner muntersten Form. Dieser Film ist fidel und verspielt. Er präsentiert sich übermütig als anarchistisches Zirkusfest. Da ist ein freches Mädchen aus der Provinz, das die Mutter bei ihrem eitlen Onkel (Philippe Noiret) lässt, der Damenimitator ist, bevor sie mit ihrem Liebhaber davondüst. Die Göre möchte nur Metro fahren, doch es wird gestreikt. Metro fahren wird sie nicht, dafür ist Louis Malles Film aber in gewisser Weise auch ein Film über das Erwachsenwerden. Malles Film ist angefüllt mit technischen Spielereien, wie den besonders vergnüglichen sprunghaften Jump-Cuts oder den Zeitraffern, die das Tempo beschleunigen. Der Slapstick des Films erinnert an alte Tage, an die großen Meister, wie Chaplin. Man könnte den Film auch als Erkundungstrip durch das Paris der 60er beschreiben, immerhin wird auch der Eiffelturm zum Schauplatz, auf dem Noiret zu philosophieren beginnt. Malle nutzt diese technischen Spielereien, um das Komische, das Absurde zu betonen und es auszuspielen. Seine Film ist unbändig, wild und zügellos. Einen so lustvoll-erfinderischen Film hatte ich seit einer ganzen Weile nicht gesehen.

7.5 / 10



Pretty Baby (USA 1977) 


Ein schwierig zu beurteilender Film. Louis Malle widmet sich einem Bordell im 19. Jahrhundert, einer Gesellschaft, in der der Mensch (= die Frauen) zur Ware geworden sind, wo alles käuflich ist. Sven Nykvist bebildert das in kalten und ernüchternden Bildern, die herb und trüb wirken, aber ebenso nachdenklich stimmen angesichts dieser Thematik. Das ist eigentlich ein sehr düsterer Film, auch wenn er unter Malles Regie nicht so scheinen mag. Er verzichtet dabei größtenteils auf bekannte Klischees, wie die gewältigen Freier oder Zuhälter. Das ist dezent geschildert, aber er zeigt, wie Kinder in diese Welt schon integriert sind. Er verurteilt nicht, was hierbei seine große Stärke ist. Dieser Film zeigt die Welt des Bordells als eine Art Teufelskreis, dem man nicht entfliehen kann. Das Mädchen, die Protagonistin Violet (Brooke Shields) wird eine Hure, wie ihre Mutter und wie deren Mutter, es gibt zunächst keinen Ausweg. Ich muss aber zugeben, dass es mir doch sehr schwer fiel in diesen Film zu finden, da auch eine wirkliche Empathie zu den Figuren nicht entsteht, auch wenn das hier ebenso ein Coming-of-Age-Film über die Liebe, das Finden und die Sexualität bzw. die frühreife Emanzipation ist, was im (seltsamen) letzten Dritten zugunsten einer Romanze zwischen einem Fotografen (Keith Carradine) und Violet aufgegeben wird. Was daran aber dennoch interessant ist, dass dieser für sie die Stellung zwischen Liebhaber bzw. Ehemann und Vater (= sie nennt ihn immer wieder Papa) einnimmt. Der Jazzsound ist stimmungsvoll. Wie gesagt, das ist bei weiten nicht uninteressant, allein, weil ich stetig neue Position zum Film beziehen musste, aber weit von Malles Meisterwerken (wie Lacome Lucien) entfernt. Das Ende zeigt dann auch nochmal treffend die Skepsis in dem Gesicht des Kindes, dass keine »normale« Kindheit hatte.

6.0 / 10


Autor: Hoffman

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