Freitag, 8. Mai 2015

Jacques Demy Retrospektive #1 - Klassiker der Extraklasse: Lola, das Mädchen aus dem Hafen (1961)



Jacques Demys Spielfilmdebüt, welches er Jean-Luc Godard verdankte, der es mit gewissen Einschränkungen finanzierte und Demy so auf ein eher kleineres Budget zurückgreifen musste, spielt nicht etwa in Paris, sondern in Nantes, einer Hafenstadt, Demys Heimatstadt. Es ist eine Hommage an diese Stadt, zugleich Max Ophüls gewidmet. Liebevoll lässt Demy seine Hafenstadt glänzen, führt an behagliche Schauplätze, Orte der Vergangenheit, die einen selbst erinnern lassen zu den Klängen Michel Legrands. Demy folgt elegant und mit einer charmanten und unbeschwerten Melodramatik den Menschen auf ihrem Weg zwischen Sehnsüchten, Träumen, Erwartungen, Hoffnungen und Enttäuschungen, auch mit einem kurzen Schwenk am Kino vorbei (schließlich gilt: »Im Kino sieht immer alles viel schöner aus!«). Anouk Aimeé ist in der Titelrolle das, was Marlene Dietrich für Sternberg war: Eine bezaubernde Lola, hier Tänzerin und Mutter, die auf die Rückkehr des Mannes wartet, der sie einst verlassen hat, die erste Liebe ihres Lebens. Da ist auch ein gelangweilter, junger Mann, Roland, der sich fragt wozu er arbeitet und eine innere Leere empfindet, bis - ja, bis! - sich die Freunde aus alten Tagen wieder begegnen, Lola und Roland. Sie, die nur wartet und ihn als wirklichen Freund wissen will. Er, der sie als seine Liebe nicht missen will, hofft auf eine gegenseitige Liebe und steht dabei doch schon zur Reise bereit.



Aber auch seine anderen Figuren lässt er zusammentreffen, da sind ein amerikanischer Matrose mit einem strahlend weißem Hemd, der vergnüglich seine Zeit verbringen will, das junge Mädchen Cecile, das gerade beginnt Englisch zu lernen und darüberhinaus die Liebe, ganz im Sinne des Erwachsenwerdens, kennen lernt und ihre sorgenvolle Mutter. Manchmal träumen sie auch einfach nur vor sich hin und Demy schäumend mit ihnen, so sind die Fenster wie auch die Bilder leuchtend, er verzaubert und entfaltet seine Magie, ob Glück oder Unglück, ob mal mit Trauer oder mit Frohsinn. Er zeigt sich empfindsam, wenn er sein emotionales Karussell über die Liebe, das Verschwinden und die Erinnerungen drehen lässt und verwebt dabei gleichzeitig Vergangenheit und Gegenwart sowie Zukunft miteinander. Passend dazu versinnbildlicht ein nostalgisches Schwelgen auf dem Jahrmarkt, ein Sprung in Zeitlupe, wie ein Sprung durch die Zeit, die Träume des Kinos. Nantes wird zu Jacques Demys ganz eigenem kleinen magischen Universum. Es stimmt schon, wenn man sagt, dass Demy die Nüchternheit des Lebens in einen traumhaften Schleier kleidete. Er bringt zum träumen.



8.5 / 10

Autor: Hoffman 

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