Es beginnt mit drei Landbewohnern, darunter wohlgemerkt ein Pfarrer, die den örtlichen Waldboden mit Moosstecher und Jagdhunden absuchen. Unter dem Morast lebt tatsächlich ein äußerlich verwahrloster Mann, der nun notgedrungen flüchten muss. Nebenbei warnt er zwei weitere Bewohner des Waldes vor den Angreifern, deren Rolle im Verlauf der Handlung auch nicht wieder aufgegriffen wird. Stattdessen führt es den Obdachlosen in ein nobles Villenviertel, wo er an den Haustüren klingelt, um ganz selbstverständlich nach der Möglichkeit eines (überfälligen) Bads zu fragen. Bei einer Familie, die sich merklich fest in ihre gehobenen Verhältnisse einrichten konnte, ist er offensichtlich an der falschen Adresse, nachdem Richard, der Ehemann, mittels Gewalt seine Abneigung ausdrückt. Seine Ehefrau Marina hat jedoch Gewissensbisse und lässt den Landstreicher vorerst nur im Gartenhaus übernachten. Bereits hier hat der heimatlose Fremde, der sich später als Camiel Borgman vorstellt, ein Stück Kontrolle über den Alltag der Familie erlangt. Nun treten die weiteren Schritte eines ausgeklügelten, aber niemals durchdringlichen Plans in Kraft. Alex van Warmerdam ist alles andere als ein Regieneuling, was sich am achten Werk des Niederländers glücklicherweise erkennen lässt. Wie er die zwar nicht gesichts-, dafür aber motivlose Bedrohung inszeniert, hat etwas Eingeübtes an sich. Auf Erklärungen des Bösen verzichtet er völlig: Es scheint sich um ein böses System zu handeln, dass aus mindestens fünf Komplizen besteht, die eine ominöse Narbe am Rücken vereint und die organisiert untereinander mit Tastenhandys kommunizieren. Es dürfen sogar Zweifel an der Menschlichkeit der Eingeweihten aufkommen, wenn zwischenzeitlich zwei Hunde das Anwesen aufsuchen, die Borgman mit der Erklärung, dass sie zu früh kommen, abweist. Eine geschnittene Szene gibt zudem Aufschluss darüber, dass zumindest ein Scherge in der Lage ist, mit seiner Stimme die der Mitglieder der Familie zu imitieren. Borgmans Verhalten selbst erinnert an das eines Alps, als er Marina nachts im Ehebett aufsucht und ihr allein mit seiner Präsenz Alpträume bereitet. Übernatürlich mutet auch die Faszination an, die von den Fremden auf Marina und ihr Hausmädchen ausgeht, sie fühlen sich sogar sexuell zu den unnahbaren Wesen hingezogen, die indes an körperlichen Kontakt völlig desinteressiert sind.
Die große Frage, die den Film durchzieht ist, was die Familie getan hat, um von den fünf Fremden zugrunde gerichtet zu werden. Richard ist nicht nur aufbrausend und gewalttätig, sondern stellt sich weiterhin als intrigant im Berufsleben und als besonders rassistisch heraus. Dies wird in einer großartigen Szene deutlich, als die Fremden sich mittels vorab bezahlter, ausländischer Kandidaten die Gärtnerstelle aneignen. Wenn ständig dunkelhäutige Männer an der Tür klingeln, wirkt der nun mit kurzen Haaren und gewaschen auftretende Borgman wie perfekt für den Posten, so denkt der zutiefst verachtenswerte Richard. Marine hat demgegenüber diffuse Schuldgefühle angesichts ihrer problemlosen Stellung, die ebenfalls Auslöser für das Eingreifen von Borgman und seinen Mittätern sein können. Nur die Kinder und das Hausmädchen sind nicht direkt Ziel der Intrigen und besitzen anscheinend eine Unschuldigkeit, die bei den Eltern schon längst in der isolativen Erhaltung des Hauses verlorenging. Die Offenheit erinnert unter anderem an Pier Paolo Pasolinis Meisterwerk Teorema, in dem ein Gast eine spießbürgerliche Familie auseinandereißt, indem er leidenschaftlich jedes Mitglied der großindustriellen Familie an sich bindet (hier tatsächlich mit Geschlechtsverkehr) und dessen folgende Abwesenheit bei allen eine orientierungslose Sinnsuche im Leben auslöst. Auch hier wurde offen gelassen, ob es sich beim Gast um einen Engel oder gar um den Teufel selbst handelt. Auch Camiel Borgman könnte aufgrund seines Vornamens ein Engel sein, der zur Zerschlagung der Familie interveniert. Doch eine Beantwortung jener Fragen bleibt Borgman zum Glück den Zuschauern schuldig. Wenn das Böse (oder eben das Gute?) erklärt wird, verliert es somit seine Faszination. Deshalb ist Borgmans größte Stärker eben eine Atmosphäre des Unbehagens, die durch simple Erschlüsselung nicht zu brechen ist. Lediglich dass so manche Handlung der Fremden austauschbar, geradezu auslassbar anmutet, stört ein wenig. Davon abgesehen ist Warmerdams Film ein Werk, das zurecht auch international Anerkennung fand und es fast bis in die Oscarverleihung als niederländischer Beitrag schaffte. Doch wahrscheinlich ist Borgman für eine solche Veranstaltung zu irritierend und wagemutig.
7/10
Autor: DeDavid
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