Es ist durchaus nicht leicht, über ein Filmkunstwerk zu schreiben,
das keine Kunst sein möchte. Allan Dwans Serie von B-Western in den Fünfzigern
wurde mit geringsten Mitteln produziert, gehört aber bei einem Kreis von
Kritikern zu deren Favoriten. „Cattle Queen of Montana“ mit Barbara Stanwick
und Ronald Reagan zählt beispielsweise Jacques Lourcelles auf seiner
sight-and-sound-Liste zu den besten zehn Filmen aller Zeiten. Lourcelles gehört
zu einer Gruppe französischer Filmkritiker, welche sich in den 50er und 60er
als Gegenpol sowohl zur Cahiers- als auch zur Positif- Gruppe gesehen haben,
die unter dem Namen „MacMahonians“ bekannt sind, und die von den beiden andern
Gruppen übersehene Regisseure „besangen“, etwa Dwan, Ulmer, Phil Karlson, Walsh
oder Tourneur.
Cattle Queen of Montana und auch der andere Dwan, den ich gesehen
habe, Passion (ebenfalls 1954), steht in einem bizarren Spannungsverhältnis
zwischen Theatralik und Naturalismus. Naturalismus in dem Sinne, dass Kamera
und Schnitt kaum je explizit einen expressionistischen Subtext konstruieren
möchten, sondern sich stets in den Dienst der Handlung stellen. Was natürlich
nicht heisst, dass keine schönen Aufnahmen entstehen: Beide dieser Dwan-Filme
spielen praktisch ausschliesslich in der Natur, und machen sich das auch zu
nutzen. Die Natur wird durchaus in grandiosen Aufnahmen eingefangen, oftmals
auch mit mehreren „Ebenen“- ein Grasland, Wald, ein Fluss, Berge, in die Tiefe
gestaffelt. Die Charaktere können sich frei darin bewegen, tauchen oft irgendwo
im Hintergrund auf und reiten dann nah zur Kamera hin.
Kameramann John Alton gehörte schliesslich zu den wichtigsten seiner
Zunft und war für zahlreiche Film-noir-Werke verantwortlich. Sobald Cattle
Queen im Wald oder im Inneren (z. Bsp. im Tipi) spielt, kommen natürlicherweise
auch noir-artige Schatten hinzu, siehe diese abstrahierte Bildkomposition:
(Schatten-)Figuren im Zelt:
Die Theatralik hingegen kommt zustande, indem gewisse Szenen überaus
künstlich wirken, mag heissen: Wir sehen, dass alles gespielt wird; auf dieses
Spiel, das Nachbilden, Zitieren einer „Ursprungsidee“ liegt eine Betonung. Im
furiosen Finale von Passion etwa, einer Verfolgungsjagd mitten im Schneesturm,
gibt es Dekors, die uns aus der Filmrealität herausreissen ob ihrer
Künstlichkeit: Aussenaufnahmen, die klar ersichtlich im Studio gedreht wurden.
Natürlich entspringt dieser Effekt auch der Tatsache, dass kein Geld für eine
realistischere Kulisse zur Verfügung stand. In Cattle Queen gibt es diverse
Szenen, die zeigen, wie sich Indianer streiten – die Indianer natürlich
gespielt von Weissen, bei denen kaum versucht wird, zu vertuschen, dass sie
keine Indianer sind. Diese Szenen wirken gestelzt, die Schauspieler zitieren
nur noch einen Text.
Cattle Queen ist in seiner Handlungsstruktur ziemlich
unübersichtlich und scheint unendlich viele unnötige Umwege zu nehmen, bevor er
zum Ziel kommt. Deshalb bevorzuge ich Passion. Bereits die Exposition von
Cattle Queen dauert lange, also die Zeit, bis er in Fahrt kommt und diese Fahrt
dann keineswegs linear verläuft. Kurzzeitig bauen sich Spannungen auf, die
jedoch dann bald aufgelöst werden und sich später eine neue, in eine andere
Richtung verlaufende Spannung entsteht. Die Ausgangssituationen der beiden
Filme sind sehr ähnlich: Rancher treiben ihre Tiere zu einem neuen Ort, wo sie
von einer Gegenpartei brutal überfallen und teilweise getötet werden. Die Überlebenden
wollen sich dafür rächen (Passion) resp. ihren Herdebesitz wiederherstellen
(Cattle Queen). Die zweite Hälfte des
Filmes besteht durch zahlreichen kleinen Auseinandersetzungen, seien dies Faust-
und Messerkämpfe, Schusswechsel etc… Irgendwann werden es aber zu viel, der
Film fällt etwas auseinander.
Die beste Szene sei aber noch erwähnt: In der Filmmitte reitet die Heldin (Stanwick) gemeinsam mit einem freundlichen Indianer in ein typisches Westerndorf. Während des langen, langen Ritts entlang der Hauptstrasse sehen wir immer wieder unterschiedlichste Dorfbewohner, wie sie auf dieses ungewöhnliche Duo reagieren.
+/-
Autor: Cameron
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