Mittwoch, 21. September 2016

Theatralik und Naturalismus - Klassiker der Extraklasse: Cattle Queen of Montana (1954)



Es ist durchaus nicht leicht, über ein Filmkunstwerk zu schreiben, das keine Kunst sein möchte. Allan Dwans Serie von B-Western in den Fünfzigern wurde mit geringsten Mitteln produziert, gehört aber bei einem Kreis von Kritikern zu deren Favoriten. „Cattle Queen of Montana“ mit Barbara Stanwick und Ronald Reagan zählt beispielsweise Jacques Lourcelles auf seiner sight-and-sound-Liste zu den besten zehn Filmen aller Zeiten. Lourcelles gehört zu einer Gruppe französischer Filmkritiker, welche sich in den 50er und 60er als Gegenpol sowohl zur Cahiers- als auch zur Positif- Gruppe gesehen haben, die unter dem Namen „MacMahonians“ bekannt sind, und die von den beiden andern Gruppen übersehene Regisseure „besangen“, etwa Dwan, Ulmer, Phil Karlson, Walsh oder Tourneur.

Cattle Queen of Montana und auch der andere Dwan, den ich gesehen habe, Passion (ebenfalls 1954), steht in einem bizarren Spannungsverhältnis zwischen Theatralik und Naturalismus. Naturalismus in dem Sinne, dass Kamera und Schnitt kaum je explizit einen expressionistischen Subtext konstruieren möchten, sondern sich stets in den Dienst der Handlung stellen. Was natürlich nicht heisst, dass keine schönen Aufnahmen entstehen: Beide dieser Dwan-Filme spielen praktisch ausschliesslich in der Natur, und machen sich das auch zu nutzen. Die Natur wird durchaus in grandiosen Aufnahmen eingefangen, oftmals auch mit mehreren „Ebenen“- ein Grasland, Wald, ein Fluss, Berge, in die Tiefe gestaffelt. Die Charaktere können sich frei darin bewegen, tauchen oft irgendwo im Hintergrund auf und reiten dann nah zur Kamera hin.



Kameramann John Alton gehörte schliesslich zu den wichtigsten seiner Zunft und war für zahlreiche Film-noir-Werke verantwortlich. Sobald Cattle Queen im Wald oder im Inneren (z. Bsp. im Tipi) spielt, kommen natürlicherweise auch noir-artige Schatten hinzu, siehe diese abstrahierte Bildkomposition:



(Schatten-)Figuren im Zelt:



Die Theatralik hingegen kommt zustande, indem gewisse Szenen überaus künstlich wirken, mag heissen: Wir sehen, dass alles gespielt wird; auf dieses Spiel, das Nachbilden, Zitieren einer „Ursprungsidee“ liegt eine Betonung. Im furiosen Finale von Passion etwa, einer Verfolgungsjagd mitten im Schneesturm, gibt es Dekors, die uns aus der Filmrealität herausreissen ob ihrer Künstlichkeit: Aussenaufnahmen, die klar ersichtlich im Studio gedreht wurden. Natürlich entspringt dieser Effekt auch der Tatsache, dass kein Geld für eine realistischere Kulisse zur Verfügung stand. In Cattle Queen gibt es diverse Szenen, die zeigen, wie sich Indianer streiten – die Indianer natürlich gespielt von Weissen, bei denen kaum versucht wird, zu vertuschen, dass sie keine Indianer sind. Diese Szenen wirken gestelzt, die Schauspieler zitieren nur noch einen Text.

Cattle Queen ist in seiner Handlungsstruktur ziemlich unübersichtlich und scheint unendlich viele unnötige Umwege zu nehmen, bevor er zum Ziel kommt. Deshalb bevorzuge ich Passion. Bereits die Exposition von Cattle Queen dauert lange, also die Zeit, bis er in Fahrt kommt und diese Fahrt dann keineswegs linear verläuft. Kurzzeitig bauen sich Spannungen auf, die jedoch dann bald aufgelöst werden und sich später eine neue, in eine andere Richtung verlaufende Spannung entsteht. Die Ausgangssituationen der beiden Filme sind sehr ähnlich: Rancher treiben ihre Tiere zu einem neuen Ort, wo sie von einer Gegenpartei brutal überfallen und teilweise getötet werden. Die Überlebenden wollen sich dafür rächen (Passion) resp. ihren Herdebesitz wiederherstellen (Cattle Queen).  Die zweite Hälfte des Filmes besteht durch zahlreichen kleinen Auseinandersetzungen, seien dies Faust- und Messerkämpfe, Schusswechsel etc… Irgendwann werden es aber zu viel, der Film fällt etwas auseinander.
Die beste Szene sei  aber noch erwähnt: In der Filmmitte reitet die Heldin (Stanwick) gemeinsam mit einem freundlichen Indianer in ein typisches Westerndorf. Während des langen, langen Ritts entlang der Hauptstrasse sehen wir immer wieder unterschiedlichste Dorfbewohner, wie sie auf dieses ungewöhnliche Duo reagieren.


+/-
Autor: Cameron

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