Mittwoch, 12. Oktober 2016

Die Untoten laden zu ihrem Reigen ein - Klassiker der Extraklasse: Carnival of Souls - Tanz der toten Seelen (1962)


In Herk Harveys Low-Budget-Film, seinem ersten und einzigen Spielfilm seiner gesamten Karriere, geht es um eine junge Frau, die nach einem Unfall auf einer Brücke (schon hier lässt bekanntlich Ambrose Pierce grüßen, der ja im Grunde auch nur mit dieser einen Kurzgeschichte Berühmtheit erlangte, also ein ähnliches Schicksal fristete wie Herk Harvey), dem Sturz des Autos in den Fluss, eine Art Wiederauferstehung erlebt. Daraufhin aber nicht mehr so recht ihren Platz in der Welt finden mag und verfolgt wird von der Vision eines bleichen Untoten und eines mysteriösen Rummelplatzes. Der minimalistische Debütfilm von Harvey (auch eine Skizze für Romeros »Night of the Living Dead« betrachtet man dessen Anfang und die dortige weibliche Protagonistin) breitet seine schauerliche Kraft über seinen gespenstischen Klangteppich aus (etwas, das vor allem heute noch unter anderem im Schaffen von David Lynch, fraglos ein Verehrer des Films, anzutreffen ist), durch seine stechenden Töne und das unheimliche Orgelspiel, das aber auch eine eigenwillige Anmut zu eigen hat.


Der Film arbeitet auch mit expressionistischen Perspektiven, die krumm oder schief sind, eine Welt zeigen, die aus den Fugen geraten ist und vielleicht deshalb uns auch so unwirklich erscheint. Man fühlt sich in dieser Welt nicht wohl, da sie sich kalt und befremdlich anfühlt und so als gäbe es dort folglich auch keinen Platz für die Protagonistin in dieser Welt, die eine verzweifelt Suchende ist, eine furchtsame Ruhelose, die sich angezogen fühlt und gleichzeitig erschreckt wird von ihren Visionen, den Schreckensbildern. Der Film spielt geschickt auf der Klaviatur des Alptraumhaften, driftet bisweilen aber daneben in banales Geschwätz ab, das Herk Harvey dann ganz nüchtern (und reizlos) betrachtet, dann auch manchmal in das Unbedarfte wechselt, wenn der Film seine Darsteller zwischen Lethargie, (darstellerischer) Hilflosigkeit und Übertreibung changieren lässt. Im Dialog, in den müssig-statisch aufgenommen Situationen des Films offenbaren sich die Schwächen des Werken.


Das lässt ihn aber auch gleichzeitig immer etwas bizarr erscheinen. Gewiss wiederum etwas, das dem Film zu gute kommt, weil der Film zeitweise damit auch etwas somnambulistisches hat - wie die einsame Seele seiner Protagonistin, die nach Geborgenheit und Sicherheit sucht, aber bei niemanden finden kann. Es geht dabei um die Angst vor dem Fremden, dem Unerklärlichen, der verborgenen Wahrheit, vor dem Portal in eine andere Welt. Es ist ein Film über eine Frau, die sich nicht dem Tod stellen will, dem aber niemand entrinnen kann. Folglich erzählt der Film auch schleichend von dem Bewusstsein beziehungsweise der Bewusstwerdung der eigenen Sterblichkeit. Man kann sagen, dass es ein beinahe sanftes Werk ist, da es sich vorsichtig vorantastet, etwas hypnotisches entwickelt, wenn es ganz auf seine effektvolle Synästhesie von Bild und Ton vertraut, das gesprochene Wort ausspart. Denn gerade, wenn der Film sich ganz gezielt auf diese audiovisuellen Momente einlässt (beispielsweise bei Marys ersten Besuch auf dem geisterhaft-leeren Rummelplatz), verdeutlicht er auch am stärksten die grundlegenden Themen des Films, die Isolation und die Verlorenheit einer jungen Frau, die nicht (mehr) am richtigen Ort zu sein scheint.

7.5 / 10

Autor: Hoffman 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen