Mittwoch, 19. Oktober 2016

Kritik: Warte, bis es dunkel ist (1967)

Bereits Jahre bevor Al Pacino in "Scent of a Woman" die vielleicht bekannteste Darstellung eines Blinden für sich verbuchen durfte, wird er durch Audrey Hepburns vollkommen natürlicher Interpretation einer solchen Rolle weit überschattet. Völlig unprätentös spielt sie die kürzlich erblindete Susy Hendrix, wohingegen Pacino im direkten Vergleich schon ein wenig die Nerven malträtiert (obgleich er immer noch erträglicher ist als so manche, durch die Blindheit bedingte, Zuschreibung als Medium, wie sie im Genrekino bei Blinden so häufig auftritt). Aber darum geht es eigentlich nicht, denn Terrence Youngs Bühnenadaption lässt sich nicht mit Martin Brests Kitschkeule vergleichen. Der übergangene Oscar für Hepburn schmerzt in diesem Fall dennoch, obgleich es selbstredend schlimmeres gibt, als gegen die eigene Mutter zu verlieren. Susy Hendrix ist jedenfalls mit dem Fotographen Sam verheiratet, der unbemerkt eine mit Heroin gefüllte Puppe zugesteckt bekommt. Als er verreist, ist seine Frau allein mit dem ungewollten Objekt in ihrer anschaulichen New Yorker Wohnung, an die sie sich erstmal ohne Sehvermögen gewöhnen muss. Drei Verbrecher kommen dem Verbleib ihres Püppchens auf die Spur und nehmen verschiedene Identitäten an, um mit einem ausladenden Trick an sie zu gelangen. Unter ihnen sticht besonders der sinistre Harry Roat (Alan Arkin) hervor, der bereit ist, weiter als seine Kollegen zu gehen, notfalls auch über Leichen. Doch so ganz hilflos ist Susy nun nicht, denn die etwas komplizierte Durchführung des Plans schöpft bei ihr einen unangenehmen Verdacht. Zwar gibt es noch das Nachbarmädchen Gloria, die ihr bei der Entlarvung der Kriminellen hilft, doch mit ihnen fertig werden muss Susy gezwungenermaßen allein.


Dass der Stoff von der Bühne stammt, lässt sich durchweg feststellen und stört beizeiten ein wenig, wenn beispielsweise ständig Figuren das Apartment betreten und wieder verlassen (und das ohne zu klingen oder zu klopfen - wie unverschämt). Gleichzeitig errreicht die Dramaturgie des Films somit jedoch eine starke atmosphärische Dichte, die sich bei unterschiedlichen Schauplätzen nur schwer erreichen ließe. Zudem wird der Raum mitunter, und besonders im Finale, virtuos genutzt. Wo hier welcher Gegenstand steht oder liegt und wo sich eine Lichtquelle befindet, hat durchaus eine Bedeutung. Wenn im Schlussakt die Beleuchtung fortwährend abnimmt und eine Konfrontation fast in völliger Dunkelheit stattfindet, verpasst der Film leider die Möglichkeit, sich Susys Wahrnehmung anzunähern und den Zuschauer selbst ohne Möglichkeit einer Orientierung (abgesehen von der Klangkulisse) zurück zu lassen. Bei den Vorführen damals wurden indes sogar die verbliebenen Glühbirnen in den Vorführräumen parallel zu denen auf der Leinwand gelöscht...was für ein toller Einfall, wie er sonst nur zu Filmen von William Castle zu finden ist. Nur leider lässt sich das bei einer jetzigen Sichtung nicht mehr erleben. Nichtsdestotrotz gerät dieses bedrohliche Kriechen über die Diehlen wahnsinnig intensiv und stellt zurecht den memorabelsten Augenblick dar. Dankenswerterweise wird auf eine Rettung durch einen männlichen Helden (hier etwa der Ehemann) verzichtet. Wer hätte das gedacht, nachdem Young zu diesem Zeitpunkt schon dreifacher Regisseur für den virilsten Helden in spe war (gemeint ist offenkundig James Bond). Schade auch, dass "Wait until Dark" nicht nur den eingangs erwähnten Film locker aussticht, sonderen auch Youngs leicht angestaubte Agenteneinsätze, aber nicht deren Popularität besitzt. Denn eines hat dieses Werk bis heute nicht verloren: seinen Schrecken.

                                                                    7/10

Autor: DeDavid

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