Mittwoch, 25. Oktober 2017

Alfredsons Aussetzer - Kritik: Schneemann (2017)


Sie lässt sich wahrlich schwer ignorieren, die negative Berichterstattung über Tomas Alfredsons neuestes Werk, das hierzulande sogar seinen Artikel im Titel verliert. Vielleicht war die eigene Erwartungshaltung zu hoch nach dem präzisen Spionageabgesang "Tinker Tailor Soldier Spy" und der finsteren Vampir-Coming-of-Age-Erzählung "Låt den rätte komma in", bei denen es sich um brillante Romanadaptionen handelt. In diesem Sinne waren die Voraussetzungen gar nicht so verschieden, denn auch "The Snowman" setzt einen Roman ins bewegte Bild um. Dieser stellt den bereits siebten Fall des Osloer Ermittlers Harry Hole dar und dürfte ungleich trivialer sein als die anderen Ursprungsstoffe. Der alkoholkranke (Klischeewarnung!) Polizist Hole (M. Fassbender) hat nicht nur mit einer verblichenen Liebschaft (C. Gainsbourg) samt Stiefsohn zu kämpfen, sondern auch mit dem ersten (!) Serienmörder Norwegens. Dieser schickt Hole wie zur Verhöhnung einen Brief direkt ins Präsidium und beginnt schon alsbald mit der Entführung von Frauen bzw. genauer: Müttern die ihre Kinder vernachlässigen, und hinterlässt an den Tatorten jeweils einen bedrohlich grinsenden Schneemann. Zugleich wird Hole die neue, deutlich jüngere, Partnerin Katrine Bratt (R. Ferguson) zugeteilt, deren Vergangenheit sogar direkt mit dem Serienkiller verwoben ist. All das und ein Übermaß an anderweitig mehr oder weniger relevanten Figuren bilden den Plot des Thrillers, den man nun wirklich schon gefühlt zehnmal gesehen hat. Eine Nähe zu Meilensteinen des Subgenres der letzten Jahrzehnte wie David Finchers "Seven" oder "Zodiac", die den Killer entweder als fanatischen Egomanen oder unfassbare Entität des Bösen begreifen, ist leider ausgeschlossen. Dies gilt auch für Joon-ho Bongs unterschätztes melancholisches Meisterwerk "Memories of Murder". Stattdessen scheint der Film, insofern sich dem Tenor der Kritiken glauben lässt, eher in Nähe von zum Beispiel "Striking Distance" beheimatet zu sein, was leider nicht völlig abstreitbar ist.




Obwohl Hole in den Romanen eher einem Hünen gleicht, kann Fassbender der kaputten Figur zumindest eine gewisse Verlorenheit und Indifferenz abgewinnen. Zugleich wirkt es absurd, wie oft sie an öffentlichen Orten vom letzten Besäufnis aufwacht, im tiefsten Winter und bei Minusgraden versteht sich... Dennoch möchte man der Figur bei seinen beruflichen und privaten Problemen folgen, so verbraucht sie auch sein mögen. Doch gerade narrativ scheinen die Schwächen des Films omnipräsent. Alfredson verriet in Interviews, dass die Drehzeit in Norwegen zu kurz war um das Drehbuch in seiner Gesamtheit umsetzen zu können. 10 bis 15% konnten somit leider niemals gefilmt werden, was tatsächlich erhebliche Unverständlichkeiten mit sich zieht. Dafür bleibt etwa ein peinlicher Prolog, der die vertrackte Psychologie des Killers auf ein einfaches Kindheitstrauma herunterbricht, der aber letztlich ziemlich ins Leere läuft. Der fragmentarische Charakter des Films wird nie so deutlich wie in der völlig misslungenen Schlusseinstellung, die plötzlich völlig übereilt die Hauptfigur zum nächsten Fall führt ohne den jetzigen gebührend (und sei es auf konventionelle Weise) abzuschließen. Dies wurde alles in den Verrissen bereits ausreichend dargelegt, also sollten sich zumindest die wenigen Lichtblicke benennen lassen, so kurz sie auch sein mögen: Dem Kameramann Dion Beebe gelingt es stark, die frostigen Landschaften zur Geltung kommen zu lassen und so manche Örtlichkeit effektiv einzufangen (z.B. das frostige Silo?). Außerdem sollten die leicht deliranten Augenblicke gebührend hervorgehoben werden: Dazu gehören der zum Popcorn-Song tanzenden Killer im Reinigungskostüm in Holes Wohnung, ein auf dem Dach torkelnder und singender Val Kilmer sowie das unangenehme Anschmiegen Holes an seiner Partnerin. Solche Momente könnten sich auch in den Werken Argentos finden lassen, die so auch eine humorvolle Seite offenbaren. Ob das Potenzial dieses Films nun allzu groß gewesen wäre, lässt sich leicht anzweifeln. Anfangs sollte Scorsese das Projekt noch stemmen, davon übrig ist seine langlährige Partnerin Thelma Schoonmaker, die sich für den Schnit verantwortlich zeigt. Es stimmt zwar traurig, dass Alfredson die letzten fünf Jahre hieran "vergeudete", doch es ist ja noch nicht aller Tage Abend. Wir wissen alle wie versiert dieser Mann ist, daran ändert auch ein subtextloser Versuch wie "The Snowman" nichts. 

                                                                  4/10 

Autor: DeDavid

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