Donnerstag, 19. Oktober 2017

Ein Geist kann keine Ruhe finden - Kritik: Das Grauen - The Changeling (1980)


Peter Medaks »The Changeling« mag aus heutiger Sicht ein bisschen wie ein Außenseiter im Subgenre des Haunted-House- oder Geisterfilms anmuten, hat sich aber - zumindest so meine Wahrnehmung - durchaus als Perle etabliert, die unter ihren Kennern Ansehen besitzt. Dieses Gefühl hier mehr einen Außenseiter des Subgenres zu sehen, mag wohl auch daherrühren, dass es sich bei diesem Werk um einen melancholischen Geisterfilm handelt, der besonders zu Beginn recht trist erscheint. Weil er dort von der Schwermut und Einsamkeit seines Protagonisten John Russell (George C. Scott), einem Komponist, der Frau und Kind bei einem wie von Geisterhand geführten Unfall verlor. Dieser Schrecken, den Peter Medak auch ebenso affektiv wie bedrückend inszeniert, quält seinen Protagonisten, der für Medak auch im Fokus der Geschichte steht. Der Film kreist behutsam um diesen Charakter, der mit dem Verlust fertig werden muss. Dazu sucht Medak immer wieder markante Perspektive, etwa allwissende God´s Eye Perspektiven, wo die Kamera wie ein über ihn schwebender Geist auf die Figuren herabschaut oder in expressiven Untersichten, die natürlich das Verzerrte, das Horrorhafte betonen. Dabei ist es aber auch ein durchaus in seiner altmodischen Art stilvoll bebilderter und zurückhaltender Film, der von einer kleinen Spieluhren- und Klaviermelodie getragen wird, in der sowohl Schönheit als auch Gespensterhaftigkeit stecken.


Russell zieht in eine Villa um, um die Vergangenheit hinter sich zu lassen und sich seiner Arbeit zu widmen, in dem gewaltigen Gemäuer holt ihn aber eine andere Vergangenheit ein, die mit Klängen und Klopfen mit ihm zu kommunizieren versucht. Eine Geschichte steckt in diesem Haus, die es auszugraben gilt. Dabei tastet sich Medak vorsichtig heran. Es ist zunächst ein Gefühl des Unwohlseins, das in der Villa entsteht, da der Film mit der unheimlichen Leere des Hauses und der Unwirklichkeit der (vom Film treffend eingesetzten) Klänge spielt. Es ist folglich auch ein Film über das Sehen, das Hören und das Wahrnehmen, aber auch über das Vergessen und so gibt es ein dunkles Geheimnis, das erforscht werden muss, womit sich auch mehr und mehr das Genre des Kriminialfilm in die Geschichte schiebt, die eine Familientragödie offenbart. Es ist ein heutzutage beinahe reduzierter Film, der konzentriert auf seinem Thema bleibt, der Abschweifungen meidet, der Schritt für Schritt, mehr und mehr in die Vergangenheit eindringt, um auszugraben, was dort begraben liegt.



Denn ein Kind, das kann in diesem Haus nun keinen Frieden finden. Die Vergangenheit ist immer noch präsent in diesem Haus durch Klänge und Töne. Ein Geist will Beachtung. Das Verbrechen hat Spuren hinterlassen, bloß sind diese Spuren von übernatürlicher Natur. Und so entwickelt sich aus dem Horrorfilm ein geradliniger, aber auch von Übernatürlichkeit durchzogener Kriminalfilm in seiner zweiten Hälfte (mit wohl dosierten und kurzen Schockmomenten, die ein bisschen mehr Konvention zu sein scheinen, um den Film im Horrorgenre zu halten), der von Schuldigen und Unschuldigen berichtet und von einer Gerechtigkeit, die wieder hergestellt werden muss. Das macht das Werk von Peter Medak aber zu einem spannenden Genrehybriden, den man mitunter auch in die Nähe des gefühlvoll-traurigen Melodrams rücken könnte und der damit einer eigenwilligen Linie folgt (wenngleich das Ende des Films dann doch sehr pompös ausfällt und man das eventuell entfernt mit dem Ende von »Manderlay« bei Hitchcock assoziieren mag). Folglich ist dieser Film gewiss immer noch eine Entdeckung wert ist, sofern man (immer noch) nichts von ihm gehört haben sollte.


8.0 / 10

Autor: Ron Jäger 

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