Mittwoch, 15. November 2017

Freude am Spiel - Klassiker der Extraklasse: Mon père avait raison (1936)


Sacha Guitrys frühe Filme, totale auteur-Werke, in denen Guitry als Regisseur, Hauptdarsteller und Drehbuchautor (nach seinen eigenen Theaterstücken) wirkt, sind vergleichbar mit jenen anderer, weit bekannterer Komödien-Grössen, zumindest insoweit als dass sie ein einheitliches Werk ergeben. „Guitry können Amerikaner nicht ganz verstehen, ebenso wie Franzosen Preston Sturges nicht ganz verstehen können“ heisst es, da der Humor Guitrys eng mit der Sprache zusammenhängt. Da bin ich mir nicht mal so sicher: denn viel hängt bei Guitry auch mit Mimik und affektierten Gesten zusammen. Die Schauspieler sind in einem fast naturalistischen Grundmodus, bei dem dann (in 2. Stufe) alles Spiel aufgedreht und theatralisch wird; die Freude am Agieren, an Aufgeblasenheit und Affektiertheit ist ihnen anzumerken und überträgt sich sofort auf uns – das erinnert mich etwas an DeNiro, method acting, etc.


In Guitrys Mon père avait raison oder Le Nouveau Testament aus dem gleichen Jahr wird ohne Unterlass gesprochen – das Geniale daran: die Dialoge entwickeln sich oft aus völlig natürlichen, alltäglichen, kleinsten (Nicht-)Situationen heraus, in schnellem Reagieren der Charaktere aufeinander, hin- und her, und allmählich schält sich dann ein Thema heraus. So beginnt etwa Mon père avait raison folgendermassen: Ein Junge klopft dreifach an eine Glastüre, der sein Vater (Guitry) den Rücken kehrt und sagt: „entrez!“, worauf der Junge erneut klopft, der Vater seine Antwort ärgerlicher wiederholt, und nach erneutem Klopfen genervt auf seinen Jungen zugeht, und es entspinnt sich ein Gespräch, das zunächst davon handelt, warum der Junge nicht eingetreten ist nach diesem Befehl, das dann aber die Vater-Sohn-Beziehung selbst zum Thema hat. Die Dialoge wirken deshalb nicht nur natürlich, sondern bisweilen absurd, da auf diesen alltäglichen Situationen insistiert und jedes Detail ausdiskutiert wird.

Das Konzept ist dabei verzwickt und schafft auch Situationen mit 4 oder 5 Charakteren, bei denen jede auf einem anderen Wissensstand ist bezüglich der Beziehungen unter den anderen Personen. Guitry filmt dies in äusserst langen Einstellungen, in denen wir auch die Reaktionen der nicht sprechenden Personen durchwegs mitlesen können.
Mon père avait raison hat nicht ganz die Klasse von Le Nouveau Testament, der etwas bissiger in seiner Satire ist, besonders in seiner Darstellung unterschiedlicher Klassen, der Beziehung zwischen der gutbürgerlichen Persona Guitrys und seines Dieners.


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Autor: Cameron





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